Auf dem Weg zum Neo-Sozialismus

Stephan Kloess
Stephan Kloess © Tabea Vogel

Interview
Dranbleiben

Richard Haimann

Mit der aktuellen Geld- und Klimapolitik steigen die Risiken für Immobilieninvestoren, warnt Stephan Kloess, Geschäftsführer des unabhängigen Schweizer Investment Advisors KRE KloessRealEstate. Nach den staatlichen Hilfsprogrammen drohen höhere Steuern

Herr Kloess, Protektionismus, Populismus und staatliche Eingriffe haben Konjunktur. Ex-US-Präsident Donald Trump hat unter dem Slogan »America first« Handelskriege gegen China und Europa geführt…
Stephan Kloess: ...und das Gegenteil erreicht. Das US-Handelsdefizit ist unter seiner Ägide auf ein Rekordvolumen von 68,1 Milliarden US-Dollar gestiegen.

In Großbritannien haben Populisten mit falschen Informationen den Brexit durchgesetzt. Jetzt hat Amsterdam London als größten Finanzplatz Europas abgelöst und britische KMU klagen über ausufernde Bürokratie.
Populisten können Massen begeistern, aber selten Probleme lösen. Wobei ich nicht denke, dass London dem Untergang geweiht ist. Der Büroleerstand ist tief, das Volumen der Neubauflächen wird wahrscheinlich unter dem langjährigen Durchschnitt liegen und Nachfrage nach guten Flächen ist vorhanden. Die britische Wirtschaft hat schon mehrfach bewiesen, dass sie wandlungsfähig ist. London wird als attraktiver Immobilieninvestmentstandort bestehen.

Nun wollen Trumps Amtsnachfolger Joe Biden und die EU mit einem »New Green Deal« die USA und Europa klimaneutral machen.
Der Dirigismus wächst, die unternehmerische Freiheit schwindet. Besonders betroffen ist davon die Immobilienbranche. Liegenschaften verursachen, je nach Studie, 30 bis 40 Prozent der CO2-Emissionen. Staaten wollen hier massiv den Hebel ansetzen. Unzweifelhaft ist es sinnvoll Energie einzusparen; jetzt sollen Eigentümer jedoch gezwungen werden, ihre Liegenschaften schneller energetisch zu modernisieren. Investoren werden deshalb verstärkt Neubauten und klimaneutral sanierte Bestandsobjekte suchen. Der Staat kann die Entwicklung positiv mit Subventionen fördern oder ältere unsanierte Immobilien mit »Straf«-Steuern belegen. Schätzer werden solche Immobilien entsprechend abwerten und Käufer die erhöhten Risiken einpreisen.

Staaten werden auch an der Steuerschraube drehen?
Ja, um die steigende Verschuldung auf der Einnahmenseite abzufedern. Wir sehen eine fortlaufende Gleichschaltung von Geld- und Fiskalpolitik. Der Staat will die Wirtschaft ankurbeln, indem er eigene Programme auflegt oder Subventionen verteilt. Zunehmend finanziert von den Zentralbanken. Die Staaten werden motiviert sein, auf der Einnahmenseite aktiv zu werden. Da sie den Konsum nicht abwürgen wollen, bieten sich Immobilien als Steuersubjekt an. Das Narrativ ist klar: Es trifft Vermögende, die Lobby ist fragmentiert und die Immobilie ist standortgebunden. Ideale Voraussetzungen. Investoren können selten schneller aus dem Investment heraus, als das Steuergesetz in Kraft ist.

Prognosen zufolge werden EZB und die Fed in den USA bis 2026 die Zinsen nicht anheben. Ist dies nicht gut für Immobilieninvestments?
Immobilien bleiben eine sehr attraktive Anlage. Tiefe Zinsen machen Bonds unattraktiv, die Aktienmärkte sind volatil. Das spricht eindeutig für Liegenschaften in guter Qualität an guten Lagen, die bei Nutzern begehrt sind und so stabile Mieterträge generieren. Nach einer Umfrage des europäischen Verbands nicht börsenkotierter Immobilienfonds, INREV, wollen deutsche institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen ihre Quote um 19 Prozent erhöhen.

Nach Berechnungen von JLL sind die globalen Investments in kommerzielle Immobilien 2020 jedoch um 28 Prozent auf 683 Milliarden Franken gesunken.
Das liegt primär an der Corona-Krise. Risiken wurden neu bewertet, Reisen, um Objekte zu besichtigen wurden schwieriger, und die Märkte haben angefangen, sich heterogen zu entwickeln. Wer wie Pensionskassen, einen langfristigen Anlagehorizont hat und Liegenschaftskäufe größtenteils mit Eigenkapital tätigt, wird zeitweise Wertkorrekturen verkraften. Wer jedoch seine Anlagen in erheblichem Umfang mit Krediten finanziert, kann in ernste Schwierigkeiten geraten, sollten die Zinsen bis zur Anschlussfinanzierung steigen.

Wobei es sehr leicht scheint, an Finanzierungen zu gelangen. Die Zahl der Kreditfonds steigt monatlich…
Eine wachsende Zahl von Investoren spielt den Markt nicht mehr aktiv, in dem sie Immobilien erwerben, sondern passiv, in dem sie anderen Käufern Fremdkapital zur Verfügung stellen. Der Grund dafür sind die Basel-III- und Basel-IV-Regularien. Sie zwingen Banken, das Volumen der ausgereichten Kredite zurückzufahren. Diese Lücke füllen Debt-Fonds. Je nach Finanzierungsgrad wird dies von Investoren als Bond-Ersatz gesehen.

Basel III und Basel IV wurden vom Basler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der Zentralbank der Zentralbanken, als Reaktion auf die Finanzkrise von 2008 erlassen. Zuvor waren die Auflagen im Zuge des Neo-Liberalismus immer mehr aufgeweicht worden. Bis zum Crash der Finanzmärkte…
…und heute wird der Neo-Liberalismus durch einen Neo-Sozialismus ersetzt. Dieser Paradigmenwechsel zeigt sich auch in der Veränderung der Geldpolitik in der EU. In der Euro-Krise war noch Austerität angesagt. Staaten sollten nicht mehr Geld ausgeben, als sie an Steuern einnehmen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie wird der Modern Monetary Theorie gehuldigt, die ein Plädoyer für eine Staatsfinanzierung durch die Notenbanken inklusive einer Ausweitung der Staatsverschuldung ist.

Konservative Ökonomen warnen, dies werde in hohen Inflationsraten münden. In Japan, wo die Theorie seit 30 Jahren angewandt wird, ist dies jedoch nicht geschehen. Ist die Sorge vor einer Rückkehr der Teuerung also unbegründet?
Die Inflation dürfte in nächster Zeit weltweit anziehen, da es nach der Pandemie einen konsumtiven Nachholeffekt gibt. Die Nachfrage wird kurzfristig das Angebot übersteigen und die Preise in die Höhe treiben. Ablesen lässt sich dies bereits an steigenden Rohstoff-Notierungen. Der Anstieg der Teuerung dürfte jedoch eher kurzfristig sein, bis die Nachholeffekte abgearbeitet sind. Die Notenbanken haben klar kommuniziert, dass sie nur vorübergehenden Inflationsanstieg erwarten. Fed-Präsident Jerome Powell hat angekündigt, die US-Notenbank werde die Leitzinsen auch dann tief halten, sollte die Teuerungsrate vorübergehend die Marke von zwei Prozent übersteigen.

Gewerbeimmobilieninvestoren dürfte ein Anstieg der Inflation freuen, da sie Indexmietverträge abgeschlossenen haben, die automatisch Mietanhebungen bei Anstieg der Teuerung vorsehen. Zudem würde mit dem Konjunkturaufschwung den Bedarf an Büro- und Retailflächen wieder wachsen.
Bei anziehender Inflation sind Gewerbeimmobilien durch die Indexmietverträge ein lukrativeres Investment als Wohnimmobilien, deren Mieten nicht direkt an die Teuerung gekoppelt sind. Was den Wirtschaftsaufschwung betrifft: Hier ist vermutlich mehr Geduld nötig als erwartet. Ökonomen verschieben ihre Prognosen für die Konjunkturerholung immer weiter nach hinten. Dass US-Präsident Biden ein 1.900 Milliarden US-Dollar schweres Wirtschaftsförderungsprogramm auflegt, zeigt, dass auch in den USA nur eine langsame Belebung der Konjunktur erwartet wird. Wie sich der Bedarf an Büro- und Retailflächen entwickelt, werden wir erst mittelfristig sehen.

Sind Immobilien damit noch attraktiv für Investoren?
Aus Kapitalmarkt-Sicht ein klares Ja! Fundamental gilt es jedoch, die Herausforderungen durch eine gute Wahl von Objekten und Standorten in den Griff zu bekommen: Auf der Ertragsseite drohen stagnierende oder sinkende Effektivmieten, auf der Kostenseite erhöhte Aufwendungen für energetische Maßnahmen sowie Modernisierung aufgrund steigender Anforderungen der Mieter und unter Umständen eine erhöhte steuerliche Belastung.


Das Interview führte
Richard Haimann,
freier Journalist


Stephan Kloess (54), Geschäftsführer des unabhängigen Schweizer Investment Advisors KRE KloessRealEstate, entwickelt seit 18 Jahren Immobilienanlagestrategien für institutionelle Investoren. Der Mitgründer des Centers for Urban and Real Estate Management CUREM der Universität Zürich hat bislang Transaktionen und Portfoliorestrukturierungen im Gesamtwert von mehr als 7,5 Milliarden Franken begleitet.