Ausschreitungen in Deutschland

Ahmad Mansour
Ahmad Mansour. © Heike Steiweg

Interview
Substanz

Susanne Müller

Unglaubliche Szenen spielen sich in jüngster Zeit auf deutschen Straßen ab. Antisemitische Großdemos inklusive Ausschreitungen und dem Mitführen von Hamas- und IS-Flaggen schrecken Politik und Bürger auf. Juden müssen sich wieder fürchten, und auch vielen Deutschen ist höchst unbehaglich zumute. Sorgen wir uns zu Recht? Ahmad Mansour ist bundesweit anerkannter Experte für den radikalen Islam und hat unsere Fragen beantwortet.

Herr Mansour, für alle sichtbar, entlädt sich islamischer Antisemitismus explosionsartig in unseren Städten. Was denken Sie, wenn Sie diese Bilder sehen?

Ahmad Mansour: Als israelischer Mensch verspüre ich Angst. Als Deutscher denke ich, dass die Integration nicht funktioniert. Und in meiner Eigenschaft als Experte bemerke ich sehr deutlich die Anzeichen einer Radikalisierung.

Hätte Deutschland diese Entwicklung kommen sehen müssen?

Ahmad Mansour: Ja, absolut. Seit Jahren warne ich vor solchen Szenerien, aber leider hat niemand auf mich gehört. Dabei gab es ganz klare Hinweise. Organisationen wie das palästinensische Netzwerk Samidoun, das eine Vernichtung Israels propagiert, sind seit geraumer Zeit in Deutschland aktiv – das ist eigentlich auch bekannt. Nur wurde nichts dagegen unternommen. Erst jetzt erfolgt eine massive Wahrnehmung des Problems.

Welche Maßnahmen muss die Politik nun ergreifen?

Ahmad Mansour: Das Handeln sollte in zwei unterschiedlichen Strängen verlaufen. Einer davon ist die Repression. Das heißt, die konsequente juristische Verfolgung von Straftaten, die Zerschlagung radikaler Strukturen und letztendlich, wenn nötig, auch die Umsetzung von Abschiebungen. Um diese Maßnahmen erfolgreich umzusetzen, muss die Politik die Infrastruktur zur Verfügung stellen. Zweites Feld ist die Prävention. Migranten müssen über westliche Werte aufgeklärt werden, am besten schon an den Schulen, aber auch in der Elterngeneration. Wir müssen über den Nahost-Konflikt sprechen. Und es ist erforderlich, entsprechenden Social-Media-Content zu produzieren, denn radikale Vereinigungen sind in dieser Hinsicht sehr fleißig.

Wie lassen sich die Probleme langfristig lösen, da doch voraussichtlich viele Zugewanderte bleiben werden?

Ahmad Mansour: Schauen wir einmal auf die Masseneinwanderung von 2015 zurück. Die Entscheidung, mehr als eine Million Flüchtlinge ins Land zu lassen, war sicher menschlich. Doch sie hat auch viele Probleme verursacht und enorme Sicherheitslücken aufgerissen. Als Erkenntnis folgt daraus, dass wir nur eine gewisse Summe von Menschen aufnehmen können, die wir dann gut betreuen und begleiten. Alles andere wäre ein exorbitantes Risiko. Aus heutiger Perspektive müssen wir einsehen, dass Migration eine Begrenzung braucht und manche Menschen aus bestimmten Kulturen Werte und Einstellungen mitbringen, die nicht zu Deutschland und Europa passen. Solche Aussagen wurden vor Kurzem noch als rassistisch bezeichnet. Ich aber meine: Rassistisch ist, unbegrenzt Flüchtlingen den Zutritt zu gewähren und diese Leute dann im Stich zu lassen, weil keine Ressourcen mehr vorhanden sind.

Halten Sie eine Multikulti-Gesellschaft, von der ja hierzulande einmal viele Menschen geträumt haben, im Kern für möglich?

Ahmad Mansour: Integration bedeutet nicht nur das Zelebrieren von Unterschieden. Multi-Kulti kann nur dann funktionieren, wenn klare Regeln festgelegt sind, an die sich alle halten. Wer das nicht tut, muss die Konsequenzen tragen.

Auf welche Weise lässt sich Integration vermitteln?

Ahmad Mansour: Zum Beispiel sollten wir nicht gegen die Eltern arbeiten und dann erwarten, dass die Kinder sich der westlichen Welt anpassen. Gerade bei den Erwachsenen ist Aufklärungsarbeit unabdingbar. Schließlich haben wir in Deutschland ja auch etwas anzubieten, das Zuwanderer zur Mittarbeit bewegen sollte. Für Parallelgesellschaften – ich nenne sie sogar Gegengesellschaften – ist allerdings kein Platz.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ahmad Mansour: Natürlich Frieden, Sicherheit und das Miteinander unterschiedlicher Meinungen. Um zu diskutieren, sollte ein solch schrecklicher Anschlag wie der von Hamas auf Israel nicht erst stattfinden müssen. An dieser Stelle sage ich ganz klar: Wir stehen gerade an einem Kipp-Punkt. Entweder lernen wir und machen es anders und besser. Oder wir sagen, weiter so, und dann wird die Gesellschaft zerfallen. Es ist fünf vor Zwölf!

Über Ahmad Mansour
Ahmad Mansour ist Deutsch-Israeli und arabisch-stämmiger Herkunft. Als Gründer und Geschäftsführer von Mind Prevention entwickelt er mit seinem Team innovative Strategien zur Extremismusprävention, Integration und Demokratieförderung. Mansour studierte Psychologie, Soziologie und Anthropologie in Berlin und Tel Aviv. Er lebt seit 2004 in Deutschland und wurde vielfach für seine Arbeit ausgezeichnet.

Susanne Müller