Bauen im Cradle-to-Cradle-Prinzip

Cradle-to-Cradle
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Handel und Immobilien
Courage

Susanne Müller

„Unser Ziel ist, die nachhaltigsten Supermärkte der Welt zu bauen.“ Sebastian Schels, Geschäftsführender Gesellschafter bei RATISBONA Handelsimmobilien, hat eine ganz klare Vision: Sein Unternehmen soll treibende Kraft der Bauwende sein. Dazu ist für ihn die Realisierung von Cradle-to-Cradle-Märkten zentral: ein konsequenter Schritt in ein lebenswertes Morgen.

Fest im Blick hat der vierfache Vater – nicht zuletzt im Hinblick auf die nachfolgenden Generationen – die Ressourcen des Planeten. „Wir sollten uns bewusst sein, dass auch Baustoffe nicht unendlich zur Verfügung stehen. Deshalb muss sich gerade die Bau- und Entwicklerbranche zwingend anpassen“, stellt er klar. Und er manifestiert: „Wir müssen jetzt anfangen, die Mittel, die wir der Natur gestohlen haben und die uns nie zugestanden sind, zurückzugeben und aktiv zu regenerieren.“

Materialien bleiben im Kreislauf

RATISBONA setzt auf das Cradle-to-Cradle-Designkonzept, also positive Kreislaufwirtschaft. Im Klartext bedeutet das den Einsatz nachhaltiger, energieeffizienter Baustoffe – und mehr noch: Sie sollen später recyclefähig sein. Eingesetzte Materialien sind dem Kreislauf der Natur nachempfunden. Aktuell realisiert RATISBONA in Haimhausen bei München / Dachau den ersten Cradle-to-Cradle-Supermarkt der Welt. Die Idee ist, verbaute Rohstoffe nach dem Gebrauch mit dem Akkuschrauber zurückzubauen und wiederverwenden zu können. Gebäude dienen so als Materiallager. Dieses Prinzip wurde Ende der 1990er-Jahre von dem deutschen Chemiker und Verfahrenswissenschaftler Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt.

Maßgaben ökologischer Bauweise

Ökologisches Bauen heißt nicht nur Energieeffizienz, sondern muss die Materialgesundheit sehr viel stärker in den Blick nehmen. Darüber hinaus müssen verbaute Materialien so konzipiert werden, dass sie sortenrein zurückgebaut werden können. „Der Rückbau ganzer Wandteile kann beispielweise durch Steckverbindungen gelingen“, schlägt Sebastian Schels vor. „Betonsockel und Holzwände lassen sich mit dieser Methode fest miteinander verbinden und gleichzeitig beim End-of-Lifecycle relativ einfach wieder trennen.“ Grundsätzlich gilt es, Stahl, Beton und Zement aufgrund der hohen CO2-Intensität soweit wie möglich zu reduzieren beziehungsweise auf biologische Alternativen umzustellen. Dabei dürfen laut Sebastian Schels die verbauten Materialien nicht weniger schädlich sein, sondern sollten sich positiv auf die Raumluft, die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen konzentrieren.

Raus aus der Opferrolle

Die Branche müsse raus aus der Opferrolle, das ist Sebastian Schels wichtig. „Ständig wird gejammert über barrierefreies Bauen, ökologische Vorgaben, und wie viele Aufgaben Entwickler haben. Die Stakeholder sollten sich jedoch der brutalen Marktlage bewusst sein. Wenn sich vielleicht ein Objekt auf konventioneller Basis nicht rechnet, dann aber ökologisch. Ich bin überzeugt, dass Cradle-to-Cradle in Zukunft die einzig richtige Art zu bauen ist. Wir müssen die Kreisläufe des Planeten respektieren.“ Und er unterstreicht: „Sich einfach nur an veränderte Marktbedingungen anzupassen, ist unwirtschaftlich. Vorausschauend zu bauen, ist am Ende die weitaus rentablere Methode. Wichtig ist, wie bei einem Brettspiel klare Spielregeln einzuhalten. Mutter Natur gibt sie durch die planetaren Grenzen vor“, bezieht er klar Stellung.

Stranding Point kommt näher

Bereits 2019 hat RATISBONA einen Netto in Holzständerbauweise als Pilotmarkt in der Nähe von Regensburg realisiert. „Damit haben wir rund 55 Prozent CO2 im Bau eingespart bei gleichzeitiger Kosteneinsparung von etwa acht bis neun Prozent. Bei den Kommunen und Investoren ist dies ein echter Türöffner. Wir müssen nachhaltig bauen, um den Stranding Point der Immobilien für das Jahr 2045 halten zu können.“ Und er betont: „Die Uhr tickt! In der Übergangsphase müssen wir in die Zukunft investieren, was sich kurzfristig in Anpassungen der Mieten widerspiegeln wird. Doch langfristig wird den Unternehmen nichts weggenommen – ganz im Gegenteil.“

Susanne Müller