Bei uns arbeiten Top-Verkaufsberater, die zuvor Krankenpfleger waren

Joachim Aisenbrey
Joachim Aisenbrey. (c) Breuninger

Interview
Menschen

Ingmar Behrens

Joachim Aisenbrey, Geschäftsführer im Breuninger-Flagship-Store in Stuttgart, über »Personal Shopping«, verändertes Kundenverhalten und den Wow-Effekt auf Instagram


Herr Aisenbrey, Sie sind seit vielen Jahren im Modehandel erfolgreich tätig. Was hat sich aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren am stärksten im stationären Ladengeschäft verändert?
Joachim Aisenbrey: Am stärksten sind für mich vier Faktoren zu nennen:  Service und Qualität des Verkaufsteams, VM-Animation auf den Flächen, Retail kombiniert mit Events und Markenanordnungen und Definitionen.

Im Breuninger-Haus Stuttgart kuratieren Sie unterschiedliche Marken mit einem ausgeprägtem Top-Level Segment. Welches Einkaufsverhalten können Sie derzeit beobachten?
Das ist sehr klar! Einerseits lassen sich die Kundinnen und Kunden sehr gerne inspirieren und animieren, um neue Looks und Fashion auszuprobieren. Anderseits sind sie bestens informiert und wissen genau, welches Produkt sie kaufen möchten. Ist dieses nicht vorhanden, wird sofort nach alternativen Einkaufsmöglichkeiten gesucht.

Sie haben Personal Shopping eingeführt. Was muss man sich darunter vorstellen, und welches Kundenklientel spricht es besonders an?
Personal Shopping wird bei Breuninger als ein extrem wichtiger Verkaufskanal definiert. Sie können telefonisch oder über unser digitales Terminbuchungssystem einen individuellen Beratungstermin nach Ihren wünschen vereinbaren. Sie erhalten Individualität exakt auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt, Terminsicherheit, Beratungsqualität und wunderbar inspirierende Einkaufsatmosphäre.  

Wie suchen und finden Sie heute Verkaufspersonal, welche Eigenschaften zeichnen einen erfolgreichen Verkäufer aus?
Da gibt es keinen vorbestimmten Weg. Wir haben zum Beispiel Top-Luxusverkaufsberater, die zuvor in der Gastronomie gearbeitet haben oder Top-Verkaufsberater bei den Herrenanzügen, die zuvor Krankenpfleger waren. Wichtig ist, dass die Servicementalität vorhanden ist. Dass ich freundlich und offen auf Kundinnen und Kunden zugehen kann und ich Freude und Spaß an der Kommunikation mit Menschen habe. Die Fachkenntnisse sind alle erlernbar und dies auch schnell, wenn ich mein Handeln in Bezug auf den Kunden in den Fokus stelle.

Ist der glückliche Kunde, der mit vielen Taschen das Haus verlässt, der Applaus für den Verkäufer?
Glückliche Kunden sind immer das Endergebnis des Verkaufsgesprächs. Letztendlich muss alles stimmen. Die Atmosphäre, die Ware und das Verkaufsgespräch. Ist dies alles gegeben, kommt es automatisch zu einer glücklichen und meistens auch erfolgreichen und langen Partnerschaft zwischen Kunden und Verkaufsberatern.

Sind Provisionen geeignet, einen erfolgreichen Verkäufer zu motivieren?
Dies ist ein möglicher Ansatz. Monetäre Anreize sorgen in vielen Fällen für Motivation. Bei Breuninger arbeiten wir aktuell ohne Provision. Wir setzen auf andere Instrumente wie Teamatmosphäre, Führung, Trainings, Freundlichkeit und Wertschätzung. Der Markt ist aber immer in Bewegung. Es kann durchaus sein, dass dieses Thema in der Zukunft anvisiert und bewertet wird.

Wie intensiv schulen Sie Ihre Mitarbeiter und wenn ja, zu welchen Themen?
Das Thema Schulungen steht auf der Prioritätenliste ganz oben und ist ein permanenter Begleiter bei Breuninger. Von Lieferantenschulungen über Verkaufstrainings bis hin zu dynamischen Teamschulungen in den einzelnen Abteilungen ist alles auf unserer Schulungsagenda und das sind elementare Bausteine für die Breuninger-Qualität.

Wo sehen Sie die größten Defizite beim Verkaufspersonal?
Die größten Defizite sind Unaufmerksamkeit, Arroganz und Unfreundlichkeit. Alles andere wird einem von den Kundinnen und Kunden immer verziehen oder kann begründet werden.  

Das Berufsbild Verkäufer im Einzelhandel scheint nicht attraktiv, auch aufgrund der Arbeitszeiten mit wochentags bis 20 Uhr und sonnabends bis 18 Uhr. Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um?
Das ist in der Tat eine der großen Herausforderungen im stationären Handel. Diese Situation, vor allem in Bezug auf den Samstag, hat sich nach den Corona-Lockdowns nochmals sehr verschärft. Hier müssen wir neue und andere Arbeitsmodelle entwickeln. Der Einzelhandel ist an diesen Modellen, an Working Places 2.0 und an Veränderungen dran, um die Attraktivität der Arbeitsplätze im Einzelhandel zu steigern. Dieser Veränderungsprozess wird sehr intensiv, da einige langlebige Traditionsabläufe und Prozesse verändert werden müssen.

Spaß bei der Arbeit ist auch eine Frage der Umgebung. Welche Rolle spielen dabei die Architektur der Handelsimmobilien und des Ladenbaus?
Architektur, Lifestyle, Nachhaltigkeit, Transparenz und Effizienz sind für Einzelhandelsimmobilien und deren Flächen von großer Bedeutung. Dies hat sich auch extrem verändert. Waren die Fläche und das Gebäude eher zweitrangig und die Bedürfnisbefriedigung stets im Vordergrund, steht heute die Architektur, das Design, der Wow-Effekt, aber auch das Insta-Foto, der Instagram-Moment im Vordergrund. Ist die Architektur nicht gut und spektakulär, gibt es kein Foto auf den Social Kanälen.

Hat der reine Mode-Online-Handel seine Grenzen schon bald erreicht, und werden Omnichannel-Konzepte wie aus Ihrem Haus die Marktdynamik bestimmen?
Der Kunde ist heute an höchste Flexibilität und Schnelligkeit gewöhnt. Unsere Kundinnen und Kunden wollen die größte Vielfalt und Flexibilität in ihrem Einkaufsverhalten. Das gilt natürlich auch für die Einkaufskanäle. Diese müssen alle vorhanden sein und allen Kundinnen und Kunden zur Auswahl stehen. Der Kunde wählt die für ihn in dem Moment passende Option. Deshalb heißt das Modell: Omnichannel. Der Kunde entscheidet jeden Tag aufs Neue, über welchen Verkaufskanal er einkaufen möchte.

Autofreie Innenstädte gelten als Zukunftsvisionen in aktuellen Diskussionen. Welche Konsequenzen sehen Sie auf eine solche Entwicklung folgen?
Autofreie Innenstadt ist natürlich eine sensationelle Zukunftsvision, die ich aber als äußerst schwierig empfinde. Zum einen bin ich Stuttgarter und wohne in der Autohauptstadt Nummer Eins. Zum anderen will ein Großteil meiner Kunden vorrangig mit schwäbischen Autos zum Einkaufen fahren. Autofrei funktioniert nur dann, wenn es exzellente Alternativkonzepte gibt.

Welche Erfahrungen haben Sie mit verkaufsoffenen Sonntagen gemacht und wie viele anlassfrei verkaufsoffene Sonntage wünschen Sie sich im Jahr?
Mein letzter verkaufsoffener Sonntag liegt schon mehr als ein Jahrzehnt zurück. Ich glaube, dass dieses Konzept der verlängerten Öffnungszeiten nicht mehr funktioniert. Der Handel, die Stadt, Kultur und Gastronomie benötigen Formate und Events, die unabhängig von Sonderöffnungszeiten sind. Die Qualität und die Inhalte müssen stimmen, um die Kundinnen und Kunden zu begeistern und in die Städte zu locken.


Die Fragen stellte
Ingmar Behrens,
Bevollmächtigter des Vorstandes,
German Council of Shopping Places

 

Joachim Aisenbrey hat viele Stationen im Einzelhandel durchlaufen. Vom Abteilungsleiter, vom Einkauf über Marketing bis zum Geschäftsführer und das in diversen Städten wie Düsseldorf, Köln oder Stuttgart. Seit nunmehr zwölf Jahren ist er Geschäftsführer im Breu­ninger-Flagship-Store in Stuttgart.
Seine persönlichen Lieblingsmarken kommen allesamt aus Italien und sind selbstverständlich im Breuninger zu finden. Italien mit seiner mediterranen Küche ist auch kulinarisch sein Favorit: Ein guter Wein ist sein Begleiter zum Essen am Wochenende. Unter der Woche braucht er einen klaren Kopf – und dafür viel Wasser und sehr viel Espresso. Und wo macht Herr Aisenbrey Urlaub? Natürlich in Italien, in seiner Lieblingsregion Ligurien.