Bestens gebügelt

Trockenbügel
Trockenbügel mit weißer Bluse © MAWA GmbH

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Hubertus Siegfried

Ob ein Textil im Geschäft dem Kunden ins Auge fällt, hängt vor allem davon ab, wie es präsentiert wird. Dabei spielt der Kleiderbügel eine entscheidende Rolle. Wie Bluse, T-Shirt, Kleid oder Jackett hängen, kann darüber entscheiden, ob sie gekauft werden oder am Ende der Saison immer noch im Geschäft hängen. Aber auch Ambiente und Design des Verkaufsraums müssen stimmen: Dicht an dicht gedrängte Regale und Ständer schrecken Konsumenten ab. Das Wohlfühlerlebnis bleibt aus

Auf den ersten Blick ist er nichts weiter als ein Gebrauchsutensil, das jährlich rund um den Globus millionenfach produziert wird. Tatsächlich aber könne er beeinflussen, ob Kleider und Blusen, Anzüge und Hemden gekauft werden – oder auch nicht. »Der Kleiderbügel erfüllt als Markenbotschafter wichtige Aufgaben«, sagt Michaela Schenk, Inhaberin und Geschäftsführerin des Bügelherstellers MAWA in Pfaffenhofen. »Er präsentiert die Ware so, dass sie immer im besten Licht erscheint und stimuliert damit die Kaufmotivation.«

Kleiderbügel existieren seit dem 16. Jahrhundert. Erfunden wurden sie, um die damals aufkommenden Militäruniformen so aufbewahren zu können, dass sie ihre Form behalten. Massive Holzstücke mit aufwärts gebogenen Enden stützen die schweren Epauletten, die Schulterklappen der Uniformjacken, damit diese nicht herunterhängen.

Zwar zieren heute mit Gold- und Silberfäden bestickte und mit Metallplatten versehene Epauletten, die einer Stütze bedürfen, nur noch wenige Kleidungsstücke. Bügel helfen jedoch nun dabei, Textilien optimal in Geschäften zu präsentieren. »Jeder Millimeter am Kragenkopf, am Bügelschaft oder an der Schulterauflage macht einen Unterschied, wie die Kleidung letztlich hängt«, sagt Schenk. »Der Kragenkopf entscheidet zum Beispiel über die feminine oder maskuline Anmutung.« Zu große Bügel ließen die Ware »traurig« erscheinen, zu kleine Bügel führen hingegen zu Ausbeulungen am Ärmel.

Deshalb passe auch ein beliebiger Bügel nicht zu jeder Kollektion. »Wir entwickeln individuelle Kleiderbügel auf Wunsch und nach Bedarf des jeweiligen Kunden«, sagt Schenk. »Wir  können alle Ansatzpunkte millimetergenau anpassen.« Möglich mache das ein CAD-System, mit dessen Hilfe Kleiderbügel digital und maßstabgerecht entworfen werden. CAD steht für Computer Aided Design, für rechnerunterstütztes Konstruieren. Auf dem Computer-Bildschirm könne der Bügelentwurf zunächst dreidimensional begutachtet und in kleinsten Details angepasst werden. »Gefällt dem Kunden das Design, fertigen wir im 3D-Drucker einen Prototyp an, der an den jeweiligen Kollektionen getestet werden kann«, so Schenk.

Die MAWA Metallwarenfabrik ist 1948 vom Unternehmer Martin Wagner in Pfaffenhofen gegründet worden. Kurz darauf entwickelte Wagner den ersten Hosen- und bald danach den ersten Rockspanner. Zwei Produkte, die das Unternehmen in der oberbayerischen Kreisstadt weltweit bekannt machten und zum Erfolg verhalfen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1963 entwickelte Wagner eine Reihe weiterer Innovationen, darunter die erste Anti-Rutsch-Beschichtung für Metallbügel und den Klammerbügel für Hosen.

Heute fertigt MAWA mit rund 100 Mitarbeitenden pro Jahr 20 Millionen Bügel für Kunden in 86 Ländern. Noch größer im Geschäft ist Cortec. Das Unternehmen im südhessischen Wald-Michelbach produziert nach eigenen Angaben mit seinen 150 Beschäftigten pro Jahr mehr als 60 Millionen Kleiderbügel für Märkte in Europa, Asien und Nordamerika – und setzt dabei dennoch auf Schonung der Umwelt. »Die meisten Kleiderbügel sind weder aus nachhaltigen Materialien noch werden sie in Kreisläufen genutzt«, sagt Cortec-Geschäftsführer Torsten Schmitt. 2008 beginnt das Unternehmen Bügel zu testen, die zu 100 Prozent aus Naturfasern gefertigt sind. Das Ziel: Ein Produkt zu schaffen, das nachhaltiger als ein Kunststoffbügel und langlebiger als ein gewöhnlicher Holzbügel ist. Erste Versuche erfolgen mit Maisstärke und Zelluloseacetat. »Doch diese erwiesen sich für eine langfristige Nutzung als ungeeignet, weil sie nicht sehr stabil waren«, sagt Schmitt. »Außerdem waren sie teuer und die Rohstoffe verursachten neue lange Transportwege.«

Der erste Kleiderbügel aus Gras ...

Cortec begibt sich daher auf die Suche nach einem regionalen Material, das langlebig und wettbewerbsfähig ist. »Die Wahl fiel auf Grasfasern, die dank kurzer Transportwege ständig und preisgünstig verfügbar sind«, sagt der Geschäftsführer. »Die Transport-Distanzen überschreiten keine 30 Kilometer.«

Der erste serienreife Bügel aus Gras kommt 2014 auf den Markt. Er besteht je zur Hälfte aus Grasfasern und recyceltem Polypropylen, das ebenfalls aus der Region kommt. Partner bei der Gewinnung der Rohstoffe ist Biowert im nahen Brensbach, dem Betreiber der bislang weltweit ersten Bioraffinerie, in der Wiesengras zu Ökostrom und mit beigemischtem Kunststoff zu Granulaten verarbeitet wird. Das für die Bügelproduktion verwendete AgriPlast »ist leichter als vergleichbare faserverstärkte Composite-Kunststoffe«, sagt Biowert-Geschäftsführer Jens Meyer zu Drewer. »Dadurch wird auch beim Transport Energie gespart.« Die große Formstabilität, Steifigkeit und Abriebbeständigkeit sorgten für Bügel mit längerer Lebensdauer. »So reduziert sich der Rohstoffverbrauch und letztlich auch das Abfallaufkommen«, so Meyer zu Drewer.

Eine Analyse des IfaS Institut für angewandtes Stoffstrommanagement der Hochschule Trier zeigt, dass der Grasbügel im Vergleich zu einem regulären Kunststoffkleiderbügel bis zu 64 Prozent an Emissionen des Treibhausgases CO2 einspart. »Die Kombination aus Grasfasern und recyceltem Polypropylen machen die Bügel langlebiger und noch häufiger recycelbar als reguläre Kunststoffbügel, die heute vor allem noch aus Polystyrol gefertigt werden«, sagt Cortec-Chef Schmitt. »Wir ermutigen zudem unsere Kunden, die Bügel am Lebensende zurückzusenden, um sie dann zu recyceln.«

Weil immer mehr Konsumenten, Textilhersteller und Einzelhändler Wert auf nachhaltige Produkte legen, würden die Gras-Bügel immer häufiger geordert. »Seit zwei Jahren gibt es einen regelrechten Nachfrage-Boom nach den Bügeln aus aller Welt«, sagt Schmitt.

Doch es kommt nicht nur darauf an, woraus Kleiderbügel gefertigt und wie passend sie zu einem Kleidungsstück oder einer ganzen Kollektion entworfen sind. Auch das Ladendesign muss stimmen. »Kunden gehen dann in ein Geschäft, wenn sie Kleidungsstücke anfassen, direkt anprobieren und sie mit allen Sinnen erleben wollen«, sagt MAWA-Chefin Schenk. »Der stationäre Handel steht damit für Erlebniswelten sowie für emotionale und soziale Erfahrungen.« Es gehe um Gefühle, Optik, Vorlieben und Verhaltensmuster. »Der Store wandelt sich vom klassischen Warenlager zu einem Showroom, in dem Gleichgesinnte sich treffen und gemeinsam in eine Markenwelt eintauchen«, sagt Schenk. »Kundinnen und Kunden müssen sich dort wohlfühlen und der Besuch sollte zu einem Ereignis werden, bei dem die Kleidung im Mittelpunkt steht.«

Um diesen Wohlfühleffekt bei Besuchern auszulösen, sollten Geschäfte nicht mit Regalen und Ständern vollgestopft sein. »Ein moderner Verkaufsraums wird immer öfter durch wenig Interieur  bestimmt«, sagt Schenk. »Noch wirken Modeboutiquen und -geschäfte jedoch häufig unübersichtlich und es gibt viele Kleiderstangen mit unzähligen Stücken – auch bei  exklusiven Marken.« Die Ware hänge in solchen Geschäften »oft wie im Lager dicht an dicht und potenzielle Käufer müssen einzelne Stücke von der Stange zerren, um sie vernünftig  betrachten zu können«, sagt die Geschäftsführerin.  

Würden Verkaufsräume hingegen luftiger mit mehr freiem Raum gestaltet, könnten Textilien besser präsentiert und die Einzigartigkeit der einzelnen Marken entsprechend präsentiert werden. »Kunden sollen schließlich Lust bekommen, sich die Kleidung genauer anzuschauen, sie anzuprobieren und in die Welt der Brands einzutauchen«, sagt Schenk. Auch die Kleiderbügel könnten dann als Markenbotschafter ihre volle Wirkung entfalten. »Hochwertige Mode sollte nicht auf günstige Plastikbügel gehängt werden«, sagt die Geschäftsführerin. »Elegante Marken gilt es beispielsweise auf klassischen und hochwertigen Holzbügeln zu präsentieren oder moderne und farbenfrohe Mode auf farblich passenden Metallbügeln, um eine umfassende Markenkommunikation zu schaffen.«


Ein Beitrag von
Hubertus Siegfried,
freier Journalist