Chancen am Vermietungsmarkt

GCC-Panel
Spannendes GCC-Panel um Vermietungsoptionen im Handel. © Jörn Wolter

Vor Ort
Diskurs

Susanne Müller

Wie lassen sich Handelsimmobilien aufpeppen, sodass sich Kunden beim Shopping-Bummel wieder wohl fühlen? Die Chancen am Vermietungsmarkt waren Thema beim German Council Congress in Berlin. Moderiert von Kerstin Rapp-Schwan, Geschäftsführerin Schwan-Restaurants, und Klaus Striebich, Geschäftsführer RaRE Advise, tauchte eine illustre Expertenrunde in die Materie ein.


Die Retail-Szenerie hat sich verändert. Noch vor nicht allzu langer Zeit lag der Fokus auf langfristigen Mietverträgen mit großen Einzelhandelsketten. Heute machen flexible Mietmodelle Furore, und gefragt sind einzigartige Shopping-Erlebnisse. Dazu zählt nicht zuletzt der Besuch in einem kulinarischen Hotspot, um den Einkaufstag zu krönen.

Gastronomie ist relevant

Kerstin Rapp-Schwan stieß naturgemäß eine Diskussion um Gastronomen als Frequenzbringer an: „Wir sind relevanter denn je und gelten bei vielen Menschen als zweites Wohnzimmer“, stellte sie klar. Steffen Eric Friedlein, Managing Director Leasing Services bei ECE Marketplaces, pflichtete ihr bei. „Gastronomie ist unglaublich wichtig geworden. Vor zwanzig Jahren gab’s beim Shoppen hauptsächlich einen Snack auf die Hand. Heute hat sich das Kundenbedürfnis komplett verändert. Mittlerweile nimmt die Gastronomie einen deutlich höheren Flächenanteil ein und bewegt sich standortspezifisch auf hohem Niveau, von Quick-Service bis Special Dining. Auch die Anzahl der Konzepte ist gewachsen.“ Paul Douay, Managing Director Asset Management Central Europe bei Unibail-Rodamco-Westfield, hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Die Quantität gastronomischer Betriebe in den Centern hat sich drastisch erhöht und ist von acht auf 15 Prozent gestiegen. Früher galten Gastronomen als Versorger – jetzt sind sie Frequenzbringer.“ Ziel von URW sei übrigens, zehn Prozent der Stores in den Centern jährlich rotieren zu lassen, um Abwechslung zu bringen – unabhängig von deren Erfolg.

Flächen mit Leben füllen

Josefine Ulrich, Director EMEA Retail Leasing bei JLL, hat das Zusammenwirken von Handelskonzepten und Innenstadtbelebung in den Fokus genommen. „Wir beobachten insbesondere bei jungen Menschen eine Verschiebung der Ausgaben. Essen ist mitunter mehr instagramable als die neue Klamotte“, stellte sie fest. „Doch die technischen Voraussetzungen von Innenstadt-Immobilien, um diesem Trend Rechnung zu tragen, sind nicht so einfach umzusetzen.“ Manuel Behr, Leiter Vermietung und Einzelhandel bei Aachener Grundvermögen, sah Restaurants ebenfalls aktiver Partner des Handels: „Was an Verkaufsfläche wegfällt, muss mit Leben gefüllt werden. Gastronomie ist ein Teil der Stadt oder eines Shopping Centers.“

Sidekicks für Outlets

In der Assetklasse Outlets ist die Rolle der Gastronomen noch einmal eine ganz andere. Johan Caspar Bergenthal, COO VIA Outlets: „Unsere Gastronomen leben mit bestimmten Frequenzen. Besucher geben bei uns durchschnittlich mehr Geld in den Geschäften aus, können unter normalen Umständen aber nur einmal essen. In der Regel verweilen Kunden deutlich länger in einem Outlet als zum Beispiel in einem Shopping Center, versorgen sich kulinarisch vor Ort und weichen nicht wie in einer Innenstadt auf mögliche Alternativen aus. Daher lässt sich in Outlets auch im gastronomischen Bereich sehr erfolgreich wirtschaften. Auch in Outlets dominiert die Vermietung an nationale und internationale Gastro-Ketten. In unseren Fashion-Outlets dominiert klar die Handelsnutzung, und die Nachfrage an Flächen ist hoch. Doch an manchen Standorten profitieren wir auch von angrenzenden und ergänzenden Nutzungsarten, zum Beispiel Kinos,“, legte er dar.

Mixed-Use kommt an

Klaus Striebich griff ein heißes Eisen auf: „Wenn Entscheidungen zwischen der Ansiedlung von Textilern oder Gastronomie zu treffen sind – was machen wir?“ Manuel Behr hatte ein Best-Practice-Beispiel zur Hand, nämlich ein sechsstöckiges ehemaliges Schuhhandelsobjekt an der Kölner Schildergasse. Dort belegt jetzt Zalando drei Etagen, darüber gibt’s eine Boulder-Location – dieses Konzept habe die Frequenz enorm gesteigert, „aber das hätte wohl auch mit Gastronomie funktioniert“, ist er vom Mixed-Use-Typ überzeugt.

Probleme mit der Umsetzung

Josefine Ulrich setzte ein Statement: „Akteure haben die Verpflichtung, Handel und Dienstleistungen miteinander zu verknüpfen und im Zusammenschluss das Stadtbild zu gestalten.“ Dazu hatte Paul Douay Ideen: „Dienstleistungen wie beispielsweise Gesundheit finden vermehr in Shopping Centern statt. Wir müssen über die Nachfrage nachdenken. Manche Labels funktionieren super, brauchen aber die doppelte bis dreifache Fläche, zum Beispiel Inditex.“ Manuel Behr dazu: „Wir dürfen Shopping Places nicht mehr als Riesenhandelsschiffe denken, sollten stattdessen die Retailflächen mit Bildung, Kultur, Sport oder auch Büro mischen und insbesondere die Obergeschosse neu gestalten.“ Josefine Ulrich: „Fakt ist, dass Investoren und Betreiber längst in diese Richtung denken. Nur hapert es an der Umsetzung – vor allem an Baugenehmigungen“, monierte sie. „Das bremst die Akteure aus.“

Investitionen ins Umfeld

Last but not least kam eine weitere Problematik aufs Tapet: die Sicherheit von Innenstädten. Inwieweit Mieter oder Betreiber für die Umsätze verantwortlich seien, blieb an diesem Punkt offen. Doch dass das Umfeld eine Rolle spielt, war unumstritten. Kriminalität und Obdachlosigkeit seien Frequenz-Bremser und wirkten sich auf die Performance eines Objektes aus, so die Quintessenz. Klaus Striebich: „Um diese Faktoren müssen wir uns dringend und zwingend kümmern. Und das ist anstrengender als früher.“ Friedlein: „Die Umfeldgestaltung ist ein Riesenaufwand und kostet viel Geld.“  Bergenthal: „Wir legen viel Wert auf den guten Zustand unserer Outlets – schließlich verbringen Familien dort einen ganzen Ausflugstag.“

Lieblingskonzepte der Experten

Zum Abschluss fragte Klaus Striebich die Podiumsteilnehmer nach ihren Lieblingskonzepten. Behr: „Kultur und Bildung sind wichtig. Große Konzerthallen zum Beispiel in Ex-Warenhäusern. Studierende heranziehen.“ Friedlein: „Eine Erweiterung erfolgreicher Retail-Konzepte sowie mehr Gastronomie und Entertainment.“ Bergenthal: „Ich bevorzuge Modekonzepte, die nicht in jeder Fußgängerzone und noch seltener, wenn überhaupt, in Shopping Centern zu finden sind – die sind Neuland und schaffen für unsere Gäste echten Mehrwert.“ Ulrich: „Kleinstädte liegen mir am Herzen, wegen ihrer individuellen Architektur und dem abwechslungsreichen Konstrukt aus regional und lokal.“ Douay: „Das Freizeitpark-Konzept ist mein Favorit – Kinos haben viel Potenzial, vor allem beim Umbau altmodischer Filmpaläste.“
 

Susanne Müller