Comeback der Shopping Center

Shopping Center
Andrang im Shopping Center © estherpoon – stock.adobe.com

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Hubertus Siegfried

Zwei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie sind Europas Retailmärkte auf Erholungskurs. Nicht nur Fachmarktzentren, sondern auch Einkaufspassagen und Shopping Center stehen auf den Listen der Käufer. Doch die hohe Inflation könnte den Kaufrausch wieder stoppen.

Olaf Borkers, Vorstand der Deutsche Euroshop, kann mit dem Geschäftsverlauf im diesjährigen Auftaktquartal mehr als zufrieden sein: Covid-19-Impfungen, die weniger gefährliche Omikron-Variante und aufgehobene Schutzmaßnahmen locken Kunden wieder in die 21 Einkaufszentren in Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien und Ungarn. »Die Menschen genießen die wiedergewonnene Einkaufsfreiheit«, sagt Borkers. »Sie kehren in die Innenstädte, Einkaufszentren und Geschäfte zurück.«

Das schlägt sich deutlich in den Finanzkennzahlen nieder. Die Besucherfrequenz hat sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum verdoppelt. Das Nettobetriebsergebnis ist um 24 Prozent auf 40,4 Millionen Euro gestiegen. Das FFO, das operative Betriebsergebnis, hat sogar um 39,1 Prozent auf 31,3 Millionen Euro zugelegt.

Elf Tage nach Vorlage dieser Zahlen unterbreiten die Cura, die Vermögensverwaltung der Otto-Familie und der US-Finanzinvestor Oaktree gemeinsam ein Übernahmeangebot für die Deutsche Euroshop. 22,50 Euro soll jeder Aktionär erhalten, der seine Anteile am Hamburger Einkaufszentrumsbetreiber an die gemeinsame Holdinggesellschaft Hercules BicCo überschreibt. Das Gebot liegt 44 Prozent über dem Börsen-Schlusskurs des vorherigen Handelstages. Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Euroshop erklären in einem Statement, sie würden die Offerte »begrüßen und unterstützen« und »empfehlen den Aktionären das Angebot anzunehmen«.

Einzelhändler drängten in freie Flächen

Ähnlich gute Zahlen wie der Hamburger Mitbewerber kann auch Jean-Marie Tritant, CEO von Unibail-Rodamco-Westfield, seinen Aktionären für das Auftaktquartal präsentieren. Der Eigentümer von 87 Einkaufszentren in Europa und den USA im Gesamtwert von 54,5 Milliarden Euro steigerte seinen Erlös in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 34,2 Prozent auf 897,1 Millionen Euro. Die Kundenfrequenz erreichte im März 84 Prozent, die Mieterträge 95 Prozent des Niveaus im Vergleichsmonat von 2019, dem Jahr vor der Pandemie. Zudem drängten Einzelhändler in freie Ladenflächen in den Shopping Centern. »Wir haben im ersten Quartal dieses Jahr mehr Mietverträge abgeschlossen als in den ersten drei Monaten von 2019«, sagt Tritant.

Zwei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie sind Europas Retailmärkte auf Erholungskurs. Weil große Teile der Bevölkerung geimpft sind, die Zahl der Erkrankten sinkt und Schutzmaßnahmen in fast allen Ländern weitgehend gefallen sind, rechnen Einzelhändler mit einem starken Nachfrageboom im stationären Ladengeschäft. Unternehmen mieten wieder Flächen an, Investoren nehmen wieder Warenhäuser und Einkaufszentren in ihre Portfolios. Weder Inflation noch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine noch der dadurch ausgelöste Anstieg der Energiepreise schrecken langfristig orientierte Profianleger. Sie setzen da­rauf, dass Krieg und Teuerung die Zuversicht der Verbraucher nur vorübergehend eintrüben wird, glauben langfristig an eine solide Zukunft des stationären Handels.

Land Securities setzt auf Shopping Center

Besonders zuversichtlich ist Land Securities. Der börsennotierte britische Immobilienkonzern mit einer Marktkapitalisierung von 5,7 Milliarden Euro ist dabei, seine Bürotürme abzustoßen, um stattdessen sein Shopping-Center-Portfolio weiter auszubauen. Für umgerechnet 228,8 Millionen Euro wurde der Londoner Bürokomplex Harbour Exchange an den US-Investor Blackstone veräußert. 226,5 Millionen Euro spülte jüngst der Verkauf des ebenfalls in der Themse-Metropole liegende Bürogebäude 32-50 Strand an das in Singapur ansässige Immobilienunternehmen Sinarmas Land Limited in die Kasse. »Die Veräußerung setzt Kapital frei, um neue Akquisitionen und langfristig weiteres Wachstum zu ermöglichen«, sagt Marcus Geddes, Managing Director Central London bei Land Securities. Wohin das Geld fließt, zeigt ein Deal in Greenhithe in der Grafschaft Kent, 28,6 Kilometer südöstlich von London. Dort steht das Bluewater, mit 154.000 Quadratmetern das viertgrößte Shopping Center im Vereinigten Königreich.

Land Securities, bislang mit 30 Prozent an dem zweigeschossigen Konsumtempel mit 330 Ladengeschäften, 40 Cafés und Restaurants sowie einem Kino beteiligt, hat seinen Anteil für 199,8 Millionen Euro auf 55 Prozent aufgestockt. Auf dem gegenwärtigen Mietniveau entspreche der Preis einer Nettoanfangsrendite von 8,15 Prozent, sagt Bruce Findlay, Managing Director Retail bei Land Securities. »Wir tätigen die Akquisition jetzt zu einem Zeitpunkt, zu dem sich Mieten und Marktwerte wieder stabilisieren.«

Mieten bleiben konstant, Leerstand sinkt

In Großbritannien hat die Pandemie mit ihren Lockdowns auf  Konsumenten, die aus Furcht vor einer Infektion E-Commerce-Anbietern den Vorzug vor stationären Händlern gaben, wie ein reinigender Gewittersturm auf den Retailimmobilienmarkt gewirkt. Namhafte Shopping Center wie Elephant & Castle in London, Broadmarsh in Nottingham und The Chilterns in High Wycombe in der südlichen Grafschaft Buckinghamshire haben ihre Pforten geschlossen. Von den 290.000 Ladengeschäften, die vor Beginn des Seuchenzugs auf der Insel existierten, sei seither »ein Drittel verschwunden«, sagt Tim Valance, Head of Retail bei der Immobilienberatungsgesellschaft JLL in London.

Damit, meint die Führungsriege bei Land Securities, habe der Markt seinen Tiefpunkt erreicht. Nun werde es wieder aufwärts gehen. Mit dieser Einschätzung steht das Team um CEO Mark Allan nicht allein. Die Wirtschaftszeitung Financial Times schlagzeilte jüngst von der »Wiedergeburt der Shopping Center«. Die zeichnet sich auch in der wirtschaftsstärksten Nation der Eurozone ab. Waren zwischen Nordseeküste und Bodensee die Mieten für Ladenflächen von Beginn der Pandemie bis in den Herbst vergangenen Jahres stetig gesunken, verharren sie seither auf dem erreichten Niveau. »Nicht nur in den Ballungszentren, auch in den kleineren und mittelgroßen Städten blieben die Werte seither konstant«, sagt Helge Scheunemann, Head of Research Germany bei JLL.

Zugleich beginnen die Leerstände wieder zu schrumpfen. Bereits in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres sei die Nachfrage nach großen Flächen mit mehr als 1.000 Quadratmetern wieder deutlich gestiegen. »Das hat das Vermietungsgeschehen deutlich belebt«, sagt Scheunemann. »Insgesamt wurden von Juli bis Dezember in 952 Deals Mietverträge über 434.600 Quadratmeter Ladenfläche geschlossen.« Damit sei der Fünf-Jahres-Durchschnitt von 459.000 Quadratmetern aus der Zeit vor der Pandemie beinahe wieder erreicht.

Das lockt Investoren zurück an den Markt. Für 2,1 Milliarden Euro haben Immobilienunternehmen, Fonds und Versicherungen in den ersten drei Monaten dieses Jahres Handelsliegenschaften in Deutschland erworben, hat der Immobiliendienstleister Savills ermittelt. »Mit der Hoffnung, in eine post-pandemische Phase zu gleiten, konnten wir erstmals seit Pandemiebeginn wieder ein verstärktes Interesse der Investierenden an Handelsimmobilien abseits lebensmittelgeankerter Objekte feststellen«, sagt Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills. Nicht nur Fachmarktzentren, sondern auch Einkaufspassagen und Shopping Center standen auf den Listen der Käufer.

Selbst Kauf- und Warenhäuser wieder gefragt

Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investments bei der Immobilienberatungsgesellschaft Colliers International, registrierte sogar ein Transaktionsvolumen von umgerechnet 2,4 Milliarden Euro in den ersten drei Monaten dieses Jahres am deutschen Markt – und damit »das drittbeste Ergebnis seit 2017 in einem Jahresauftakt-Quartal«. Und er ergänzt: »Innerstädtische Geschäfts-, Kauf- und Warenhäuser« – in der Pandemie kaum gefragt – »machten rund ein Drittel der Deals aus.«

In den Vor-Corona-Jahren seien solche Objekte von institutionellen Investoren nur in ganzen Paketen erworben worden. Im ersten Quartal dieses Jahres jedoch hätten vor allem kleinere Geschäfts- und Kaufhäuser als Solitäre den Eigentümer gewechselt. »Das ist ein deutlicher Hinweis auf einen leergefegten Markt mit einem massiven Nachfrageüberhang«, sagt der Retail-Anlagespezialist.

Auch im monatlich erhobenen Immobilienklima des Gewerbeimmobilienfinanzierers Deutsche Hypo schlägt sich das wiedererwachte Investoreninteresse nieder. In der Sentiment-Umfrage der NordLB-Tochter mit einem Kreditbestand von 12,4 Milliarden Euro legten die langfristigen Ertragserwartungen an Retailliegenschaften im Mai um 17 Prozent auf 76,6 Zähler zu. Hingegen sanken die auf Wert- und Mietentwicklungen basierenden Aussichten für Bürogebäude um 6,4 Prozent, die von Logistikcentern um 7,7 Prozent – was auch dem aktuell hohen Preisniveau dieser Immobilien geschuldet ist.

Für Frank Schrader, Leiter Real Estate Finance der Deutsche Hypo, ist das nicht überraschend: »Der Flächenumsatz auf dem deutschen Einzelhandelsvermietungsmarkt ist im Jahresvergleich im ersten Quartal um mehr als zehn Prozent gestiegen.« Vor allem die Bekleidungsbranche befinde sich »wieder auf dem aufsteigenden Ast.«

Inflation bremst Nachhol-Konsum

An den Börsen schlägt sich all dies bislang nicht nieder. Die Aktie von Land Securities ist im Verlauf des zweiten Quartals dieses Jahres um 17,6 Prozent gefallen. Das Papier von Unibail-Rodamco-Westfield hat in dieser Zeit sogar 28 Prozent verloren.

Was Börsianer vorsichtig agieren lässt, ist die hohe Inflation. Sie fürchten, dass die Teuerung die Kauflust der Konsumenten nachhaltig bremsen könnte. Eine Sorge, die auch Colliers-Experte Hoenig-Ohnsorg umtreibt: »Die Inflation könnte den ersehnten Nachhol-Konsum der Pandemie-Phase deutlich senken.«


Ein Beitrag von
Hubertus Siegfried,
freier Journalist