Dachbegrünung as its best

Zukunftsvision: Grüne Dachgärten über Hannover mit verbindenden Brücken und Stegen. © Rehwaldt Landschaftsarchitekten

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Susanne Müller

Neue urbane Nutzungsräume erschließt die Stadt Hannover auf erfrischend innovative Weise: Das Pilotprojekt City-Roofwalks ist in Arbeit. Als ersten Baustein verwandelt die Hannoveraner ein schmuckloses Parkdeck – quasi das plane Dach eines Parkhauses an der Schmiedestraße –in eine grüne Oase mit Weitblick und hoher Aufenthaltsqualität. Auch die Umwelt sagt danke.

Der komplette Plan hat etwas Visionäres. Denn dem ersten Dachgarten auf dem Parkhaus sollen mit der Zeit weitere hoch gelegene Flächen in der Innenstadt folgen, die allesamt begrünt und somit nutzbar gemacht werden. Der Geniestreich schlechthin ist, all die Dachgärten per Brücken und Stegen miteinander zu verbinden. Damit dürften die Roofwalks – sobald vollendet - eine außergewöhnliche Attraktion und ein Alleinstellungsmerkmal für die hannoversche City darstellen. Nicht nur die Bewohner haben dann Zonen zum Relaxen – die City-Roofwalks sind prädestiniert, um zusätzliche Besucher in die Innenstadt zu spülen. Bonuseffekt ist die positive Wirkung auf das Stadtklima.

Abkühlung in der Innenstadt

Drei Millionen Euro investiert die niedersächsische Landeshauptstadt, um den Prototypen an der Schmiedestraße, nur wenige Meter von der Marktkirche und der Altstadt entfernt, zu realisieren und in einen Ort der Ruhe und des Friedens direkt am Puls der Stadt zu verwandeln. 2,7 Millionen davon sind Fördermittel vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. „Wir möchten mit dem Projekt einen Beitrag zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels leisten“, unterstreicht Ulrich Prote, Fachbereichsleiter Umwelt und Stadtgrün. „Die Begrünung dieser und möglichst vieler weiterer Flächen soll unter anderem durch Regenwasserversickerung und -verdunstung für Abkühlung in der dicht bebauten City sorgen und die Kanalisation bei starken Regenfällen vor Überlastung zu schützen. Außerdem begünstigen wir den Artenschutz und die Artenvielfalt.“ Da die Fördergelder aus dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ mit einem zeitlichen Rahmen verknüpft sind, sollen die Baumaßnahmen 2024 starten. Die Fertigstellung ist für das Folgejahr geplant.

Europaweiter Vorreiter

Das Projekt City-Roofwalks ist nicht nur bundesweit einmalig, sondern auch in Gesamt-Europa. „Zwar finden sich beispielsweise in Rotterdam Dachgärten, doch die Verbindung der Grünflächen durch Brücken ist nach unserem Kenntnisstand völlig neu“, so Ulrich Prote. „Insofern haben wir eine Vorbildfunktion bei der innovativen Nutzung von Innenstadt-Potenzialen. Überall kämpft der Einzelhandel ums Überleben – geschuldet auch dem Online-Handel. Daher erhoffen wir uns durch das Roofwalk Projekt auch Impulse für eine zukunftsfähige Innenstadtentwicklung durch die Schaffung neuer Freizeit- und Aufenthaltsqualitäten.“

Blick auf die Sehenswürdigkeiten

Die Planer wollen auf dem 3000 Quadratmeter großen Parkdeck einen besonderen Aufenthalts- und Erlebnisort kreieren. Und so entsteht vor dem geistigen Auge ein Bild: eine intensiv und artenreich begrünte, barrierefreie Fläche mit Panoramablick auf zahlreiche Sehenswürdigkeiten der Stadt. Ein idealer Aufenthaltsort beispielsweise während der Mittagspause, zum Verschnaufen bei der Shopping-Tour, als geselliger Treffpunkt mit Freunden oder ganz romantisch in der Abenddämmerung. Die Erwartungen der Bürger sind hoch: Sie wünschen sich einen „ruhigen Rückzugsort im hektischen Treiben der Innenstadt“ sowie ein städtisches Highlight mit hohem Wiedererkennungswert und schätzen vor allem die Klima-Aspekte.

Bürger bringen Input ein

Über die Köpfe der Stadtgesellschaft hinweg wollte die Stadt Hannover nichts entscheiden und hat den Hannoveranern daher ein großzügiges Mitspracherecht über Aufenthaltsmöglichkeiten, Vegetation und Biodiversität, Bewegung, Spiel und das Wandeln und Erkunden der Dachgartenfläche eingeräumt. Bereits 2022 fand eine Online-Befragung statt. Das Echo war groß, und der Zuspruch fiel mehrheitlich positiv aus. Ganz besonders das Engagement der jungen Erwachsenen von 21 bis 25 Jahren war beachtlich, lag bei 40 Prozent. Unterm Strich bewerteten neun von zehn Teilnehmenden der Umfrage das Projekt mit mindestens sieben von zehn Punkten, gut zwei Drittel spendierten sogar die Höchstwertung. Einige wenige kritische Kommentare waren Bedenken finanzieller Art geschuldet.

Parkhaus unter Denkmalschutz

Die Neugestaltung bringt allerdings auch einige Herausforderungen mit sich. Das Parkhaus Schmiedestraße ist das älteste seiner Art in Hannover und steht unter Denkmalschutz – ein Umstand, dem die Planer bei der Umsetzung erhöhtes Augenmerk schenken müssen. Nach einer europaweiten Ausschreibung erhielt das Berliner Planungsteam Büro Rehwaldt Landschaftsarchitekten und Büro DMSW Architekten den Zuschlag. Mittlerweile sind die Bestandsunterlagen gesichtet, und in Kooperation mit dem Ingenieurbüro für Brandschutz- und Tragwerksplanung LHT Bauingenieure steht das Konzept. Mehr noch: Die Vorplanungen für die Freianlage sind abgeschlossen, Überprüfungen der Statik, Tragwerksplanung und weiterer baulicher Aspekte bereits erfolgt. Für die Projektsteuerung und die spätere Pflege ist der Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Landeshauptstadt Hannover verantwortlich. Die Fläche stellt die städtische Tochtergesellschaft hanova GmbH, die Eigentümerin des Parkhauses ist, zur Verfügung. Die darunter liegenden Parkebenen sowie die Gewerbeflächen im Parkhaus bleiben übrigens ihrer bisherigen Nutzung erhalten.

Private Immo-Besitzer ins Boot holen

Parallel laufen jetzt schon Planungen für die Fortführung des Mammutprojektes, das sich nur in kleinen Etappen Schritt für Schritt realisieren lässt. Ulrich Prote: „Wir sind dabei, weitere geeignete Dachflächen zu eruieren, und prüfen, wo sich Verbindungen schaffen lassen. Dabei möchten wir auch private Immobilienbesitzer ins Boot holen, die Interesse haben, Beiträge zum Klimaschutz und zur Klimawandelanpassung zu leisten. Eventuell könnten sie von Förderprogrammen profitieren.“ Und er ist überzeugt: „Die City-Roofwalks stellen einen enormen Zugewinn für unsere Innenstadt dar.“


Infos zum Projekt unter www.hannover.de/city-roofwalks.

Susanne Müller