Der Klimawandel ist aktuell das zentrale Thema ...

Jan von Mallinckrodt
Jan von Mallinckrodt © Union Investment

Fair Future

Susanne Osadnik

Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability im Immobilienbereich von Union Investment, über nachhaltige Investments, die Verantwortung von Investoren und die Brancheninitiative »ESG Circle of Real Estate« (ECORE), die das Unternehmen im Jahr 2020 mitgegründet hat

Herr von Mallinckrodt, welcher der drei Buchstaben bei ESG ist für Union Investment derzeit am wichtigsten?
Jan von Mallinckrodt: Der Klimawandel ist aktuell das zentrale Thema, das uns alle beschäftigt und natürlich auch für Investoren wie Union Investment immer wichtiger wird. Da Immobilien in ihrem gesamten Lebenszyklus nicht unerheblich zum CO2-Abdruck beitragen, wollen wir an dessen Reduzierung mitwirken. Insofern steht das E im Vordergrund unserer Aktivitäten. Aber auch das S und das G werden immer wichtiger. Als Investoren fühlen wir uns auch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sich unsere Mieter wohl fühlen und gesund bleiben in unseren Gebäuden. Das ist unsere soziale Verantwortung. Und natürlich tragen wir auch in unserer Eigenschaft als Investor und Unternehmen eine generelle Verantwortung, wenn es um die Umsetzung von Regularien und Gesetzen auf nationaler und europäischer Ebene geht.

Was bedeutet ECORE in diesem Zusammenhang?
Die Initiative ECORE ist einzigartig und zukunftsweisend. Erstmals haben sich weit über 75 Immobilieninvestoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unter einem Dach zusammengefunden, um einen gemeinsamen Branchenstandard für mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln und um auch voneinander zu lernen, wie die weltweiten Ziele erreicht und damit der Beitrag des Gebäudesektors geleistet werden kann. Auf internationaler Ebene ist ja schon eine Menge passiert, was den Weg dorthin weist: Beispielsweise das Pariser Klimaschutzabkommen, das 2016 in Kraft getreten ist und die Unterzeichner, zu denen auch Deutschland gehört, verpflichtet, die Treibhausgase bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 55 Prozent gesenkt zu haben. Das langfristige Ziel ist die Treibhausgasneutralität bis 2050. Erst kürzlich wurde Deutschland juristisch aufgefordert, hier nachzubessern, sodass nun bereits bis 2030 mindestens 65 Prozent Emissionen reduziert werden müssen und das Ziel der Klimaneutralität bereits 2045 zu erreichen ist. Dies ist übrigens nicht nur in Deutschland der Fall, sondern auch in weiteren Investitionsmärkten zu beobachten. Zusätzlich möchte die EU auch noch die Investitionen in nachhaltige Geldanlagen lenken und somit den Green Deal beziehungsweise die Transformation der Wirtschaft vorantreiben. Das sind enorme Herausforderungen, denen sich auch Unternehmen stellen müssen, indem sie immer mehr Regeln befolgen. Das setzt im Übrigen auch Fachwissen voraus und bindet interne Ressourcen. ECORE soll auch dabei Hilfestellung leisten.

Was genau kann ECORE leisten?
Es geht um die Vergleichbarkeit von Gebäuden und Gebäude-Portfolien. Anhand einer Punkteskala von null bis 100 können alle Stakeholder, wie zum Beispiel Mieter, Anleger und Investoren, erkennen, inwieweit eine Immobilie oder ein Portfolio die Klimaziele und ESG-Kriterien abbildet. Daraus lässt sich dann auch ableiten, wo noch Optimierungspotenzial einer Liegenschaft besteht. Das ECORE-Modell arbeitet auch mit einem konkreten Fahrplan, der festlegt, wo ein Gebäude nach Nutzungsart und Lage auf dem Klimapfad stehen sollte und welche Herausforderungen es noch zu bewältigen hat. Das haben wir natürlich nicht im Kreis der Teilnehmer selbst erhoben, sondern setzen auf bewährte Tools wie in diesem Fall das sogenannte CRREM Tool (»carbon risk real estate monitor«). Noch befinden wir uns in der Pilotierungsphase, die vorerst die Nutzungsarten Logistik, Retail, Office und Hotel betrifft. Derzeit werden die Erkenntnisse aus der Pilotierung aufgenommen und gemeinsam Optimierungen vorgenommen, das heißt: nachgeschärft und praxis­tauglich angepasst. Das erste Scoring für alle, die teilnehmen möchten, ist für Anfang 2022 vorgesehen. Parallel arbeiten wir an weiteren Nutzungsarten wie »Wohnen«. Eines ist aber klar: Um sich als echter Branchenstandard durchzusetzen, muss das Tool eine breite Akzeptanz finden und auch noch internationaler werden.

Das Interview führte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion GCM

ESG Circle of Real Estate (ECORE)
Vor einem Jahr wurde »ESG Circle of Real Estate«, kurz ECORE gegründet. Seit dem Frühjahr 2021 gibt es das ESG-Scoring-Modell der Initiative als  ganzheitlichen Kriterienkatalog. Über die ESG-Kriterien hinaus werden die erforderlichen Taxonomie-Kriterien des Action Plan on Sustainable Finance der EU und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens (über z.B. CRREM) abgebildet. Das Scoring wird fortlaufend mit den neuen Instrumenten der EU aktualisiert. Anhand einer Punkteskala von null bis 100 können alle Stakeholder, wie etwa Mieter, Anleger und Investoren, erkennen, inwieweit eine Immobilie oder ein Portfolio die Klima-Ziele und ESG-Kriterien abbildet. Daraus leitet sich im Detail das operative Optimierungspotenzial einer Liegenschaft ab. Das Modell (Open-Source) liefert einen konkreten Fahrplan, mit welchen Maßnahmen die ESG-Ziele erreicht werden können. Neben der breiten Marktabdeckung sind der operative Nutzen für jeden Investor/ Anleger und die Vergleichbarkeit in seiner Peer-Group bei adäquatem Aufwand zentraler Bestandteil dieses ESG-Scorings. Das Scoring-Modell besteht aus den drei Clustern Governance, Verbräuche und Emissionen sowie Asset Check. Im »Cluster I–Governance« stehen Nachhaltigkeit und Management im Portfolio, Kommunikation und externe Qualitätssicherung (Nachweise, Ratings) im Vordergrund. Analysiert wird unter andrem, ob Mieterausschlusskriterien angewendet oder grüne Mietverträge abgeschlossen wurden. Im »Cluster II–Verbräuche und Emissionen« sind die zentralen Themen Energieverbrauch, CO2-Emissionen, Wasserverbrauch und Abfallaufkommen und die Bewertung »Paris-Ready« (Abgleich mit den Zieldaten für 2030) zu nennen. Das »Cluster III–Asset Check« umfasst acht qualitative Themenfelder: Gebäudeautomation, Hülle und Technik, Ressourcen, Nutzerkomfort, Ökonomie, Lage, Maßnahmen im Betrieb sowie Zukunftsfähigkeit.