Die meisten unserer Kunden nutzen den Teilverkauf ihrer Immobilie, um sich im Alter besondere Wünsche erfüllen zu können ...

Christoph Neuhaus
Christoph Neuhaus © wertfaktor

Interview
Konsum

Susanne Osadnik

Christoph Neuhaus, Mitgründer und Geschäftsführer von wertfaktor, einem 2018 in Hamburg gegründeten Unternehmen, das Immobilienbesitzern ermöglicht, finanziell flüssig zu sein und dennoch das eigene Heim nicht zu verlieren. Über den Teilverkauf von Immobilien, die Motive der Verkäufer, und was die einstige Justiz-Ministerin Brigitte Zypries damit zu tun hat ...

Herr Neuhaus, weder Sie noch Ihr Mitgründer von wertfaktor, Alexander Ey, kommen aus der Immobilienbranche. Was hat Sie bewogen, ausgerechnet in diesem Bereich eine neue Geschäftsidee zu entwickeln?
Christoph Neuhaus: Wir sehen uns weniger als Immobilienexperten, die wir faktisch ja auch nicht sind. Vielmehr ging es um die Möglichkeit, Immobilien mobil zu machen. Auch innerhalb unsere Familien und Freunde haben wir gesehen, dass sich ein Lücke auftut, die wir schließen können. Wer heutzutage als Rentnerin oder Rentner im eigenen Haus lebt, muss zwar keine Miete zahlen, aber ansonsten jede Menge Rücklagen für Reparaturen, den Unterhalt, laufende Kosten und Steuern besitzen. Da wird es für manchen älteren Menschen schon eng, wenn er sich zudem noch etwas leisten will. Häufig wird weiter gespart und auf vieles verzichtet. Und das, obwohl die eigene Immobilie schon das Lebenswerk war und jetzt im Alter eigentlich zu mehr Entlastung und weniger Sorgen beitragen sollte. Auch die bisherigen Verrentungsmodelle erschienen uns keine adäquate Lösung zu sein. Beide Modelle sind intransparent und unflexibel. Das wollten wir besser machen.

wertfaktor kauft Eigenheimbesitzern bis zu 50 Prozent ihrer Immobilie ab, den Wert des Anteils zahlen sie den Kunden aus. Wie hoch ist der meistgenutzte prozentuale Anteil beim Verkauf?
Im Durchschnitt verkaufen unsere Kunden 40 Prozent ihrer Immobilie und behalten den größeren Anteil. Es ist ja auch möglich, sukzessive Anteile zu verkaufen. Das muss nicht auf einen Schlag passieren. Es gibt aber durchaus  Kunden, die sich von Anfang an zu 50 Prozent von ihrer Immobilie trennen.

Was sagen die potenziellen Erben dazu?
Wir bemühen uns, die Kinder von Anfang an in die Transaktion ihrer Eltern einzubinden. Das funktioniert mehrheitlich auch: Die meisten Kinder unterstützen ihre Eltern darin, aus sogenanntem toten Kapital lebendiges zu machen. Vor allem dann, wenn die Kinder selbst schon Immobilien besitzen und wissen, dass das Haus der Eltern ohnehin später verkauft wird. Auch darum kümmern wir uns, wenn das erwünscht ist. Im Fall eines Gesamtverkaufs übernimmt wertfaktor die Vermarktung und den Verkauf und erhält dafür eine Vergütung von 3,25 Prozent auf den Verkaufspreis – beziehungsweise 2,25 Prozent, wenn die Erben zurückkaufen wollen.

Wie groß ist Ihrer Einschätzung nach der Bedarf von Senioren an Ihrem Modell des sogenannten Teilverkaufs?
Aktuell befinden sich rund fünf Millionen Immobilien im Besitz von Menschen über 60 Jahren, bis 2030 soll diese Zahl auf fast sieben Millionen steigen. Davon dürften nach unseren Schätzungen rund 20 Prozent unseren Ankaufkriterien entsprechen. Auf Seite der Verkäufer gehen wir davon aus, dass für gut 60 Prozent der älteren Immobilienbesitzer unser Angebot interessant sein könnte. Bei unseren Überlegungen nach dem möglichen Bedarf unseres Angebots haben wir auch zahlreiche Studien zu Rate gezogen. Beispielsweise die Generali-Altersstudie, die schon 2017 herausfand, dass die Mehrheit der älteren Menschen ein abwechslungsreiches und aktives Leben führt. 58 Prozent der 65- bis 85-Jährigen fahren etwa immer noch selbst Auto, sind also sehr mobil. Aktuell gibt es auch interessante Ergebnisse einer Studie des Umfrageinstituts YouGov Deutschland im Auftrag der Allianz. Danach möchten 92 Prozent der Immobilienbesitzer, die in der eigenen Immobilie leben, dort auch nicht im Alter ausziehen. Die meisten wollen auch zuhause gepflegt werden. Allerdings hat nur ein Drittel der über 65-Jährigen eine finanzielle Absicherung für den Pflegefall getroffen. Selbst bei den Immobilienbesitzern ist nur jeder zweite davon überzeugt, genügend finanzielle Rücklagen für den Ruhestand zu haben. Und dabei wurden im Rahmen der Studie nicht mal ganz individuelle Wünsche berücksichtigt, wie Reisen oder mehr Konsumieren zu können.

Welche sind die Motive Ihrer bisherigen Kunden für einen Teilverkauf?
Die Geschichten, die wir hören, sind so bunt wie das Leben selbst. Häufig möchten die älteren Herrschaften noch größere Reisen unternehmen, sich vielleicht den Traum eines Wohnmobils erfüllen und damit unabhängig durch Europa kreuzen. Manchmal geht es aber auch darum, weitere Investitionen in das Haus, das sie vererben wollen, tätigen zu können oder auch den jetzigen Lebensstandard halten zu können – angesichts steigender Kosten und einer kleiner Rente. Vereinzelt wird das Geld, das durch den Teilverkauf frei wird, aber auch für Investitionen in Ferienimmobilien genutzt. Und in gut zehn Prozent der Fälle ist das Motiv, Geld für die Pflege des Partners zur Verfügung zu haben. In den meisten Fällen geht es aber um Konsum.

Vermutlich kann nicht jeder klamme Hausbesitzer mit seinem kleinen Häuschen in Herne, das 120.000 Euro wert ist, zu Ihnen kommen. Wen genau wollen Sie mit Ihrem Angebot ansprechen?
Wir haben in der Tat eine finanzielle Grenze gezogen, unterhalb derer sich das Ganze schlicht nicht rechnet. Für Eigenheime eignen sich Objekte, die mindestens 180.000 bis 200.000 Euro wert sind. Außerdem investieren wir nicht in Regionen, in denen die Bevölkerung schrumpft und die Preise für Immobilien fallen. Der durchschnittliche Wert der Immobilien, um die es geht, liegt bei rund 450.000 Euro. Häufig befinden sich die Immobilien in guten Stadtteilen von Großstädten oder in den Speckgürteln, wo sich die Immobilienpreise in den vergangenen 20 Jahren extrem positiv entwickelt haben. Das kann durchaus ein Haus sein, das sein Käufer vor 30 Jahren für 250.000 Mark gekauft hat und das heutzutage fast 500.000 Euro wert ist. Davon hat der Immobilienbesitzer mit der überschaubaren Rente aber nicht viel, wenn er weiter dort leben will. Wir ermöglichen, die Wertsteigerung schon heute zu nutzen, ohne verkaufen zu müssen. Außerdem profitieren die Verkäufer ja weiter von möglichen Wertsteigerungen, weil sie ja Eigentümer mit allen Rechten bleiben.

Sie kaufen die Immobilien zum aktuellen Marktwert – den Preis bestimmt ein unabhängiger Gutachter – und tragen auch die Nebenkosten des Teilverkaufs. Dafür zahlt der Eigentümer eine monatliche Nutzungsgebühr, die aktuell bei  2,9 Prozent pro Jahr auf die ausgezahlte Wunschsumme liegt. Zu Beginn Ihrer Geschäftstätigkeit wurde mit 3,6 Prozent kalkuliert. Haben die ersten Käufer einfach das Pech der frühen Entscheidung gehabt?
Wir versuchen stetig, immer noch bessere Refinanzierungspartner zu finden und die niedrigen Zinskonditionen an unsere Kunden weiterzugeben und gehen davon aus, dass die Konditionen für die Teilkäufer dadurch immer besser werden. Eigentümer zahlen zurzeit 2,9 Prozent pro Jahr auf die Wunschauszahlung. Bei einem Verkauf von Anteilen im Wert von 100.000 Euro wären das rund 242 Euro pro Monat. Und das kann man beispielsweise  realisieren, wenn man ein Eigenheim im Wert von 500.000 Euro besitzt und nur 20 Prozent davon an wertfaktor verkauft.

Im Gegenzug heißt das auch: Erhöht die Europäische Zentralbank die Zinsen, verändern sich auch Ihre Konditionen wieder …
So ist es. Wir müssen unsere Angebote dann genauso anpassen wie die Banken, die Kredite vergeben.

Apropos Kredite und Zinsen. Verbraucherschützer monieren, dass ein Kredit bei der Bank zurzeit günstiger für Immobilienbesitzer wäre …
Das stimmt nur auf den ersten Blick und gilt zudem auch nicht für jeden, da die Banken die Vergabe günstiger Kredite von verschiedenen Faktoren abhängig machen. Außerdem muss das Geld ja zurückgezahlt werden. Selbst wenn ich jetzt einen günstigen Kredit über zehn Jahre abschließe, weiß ich nicht, wie sich die Zinsen danach entwickeln werden. Bei einer Anschlussfinanzierung liege ich vielleicht bei einem Zins von 4,5 Prozent oder noch höher. Dann ist das Ganze kein günstiges Geschäft mehr. Außerdem wollen Immobilienbesitzer in zunehmendem Alter schuldenfrei sein. Sie haben über Jahrzehnte ihre Kredite bei der Bank abgelöst und jetzt müssten sie wieder damit anfangen. Viele unserer Kunden sind froh, dass sie zur finanziell besseren Gestaltung des Lebens nicht auf Banken angewiesen sind.

Rechtlich erhalten die Verkäufer ein lebenslanges Nießbrauchrecht für den verkauften Anteil, in der Praxis bleiben sie weiter die Eigentümer und sind auch für den Zustand der Immobilie weiterhin verantwortlich. Das schließt regelmäßige Investitionen ein, die wiederum von der erhaltenen Summe abgezogen werden müssen …
wertfaktor gewährt einen Zuschuss zu Instandhaltungs- und Investitionskosten von bis zu 20.000 Euro. Die Entscheidungen zu den Maßnahmen trifft aber der Eigentümer selbst. Investiert ein Teilverkäufer etwa 8.000 Euro in die Wärmedämmung seines Hauses, beteiligen wir uns mit 4.000 Euro daran. Fallen größere Arbeiten bei der Elektrik an und die Rechnung beläuft sich auf 15.000 Euro, zahlen wir davon 7.500 Euro.

Sie haben kürzlich einen Expertenbeirat gegründet. Warum war das nötig?
Unser Expertenrat soll die weitere Expansion und Optimierung der Prozesse des Unternehmens unterstützen. Mit zunehmender Bedeutung des Verrentungsmarktes in Deutschland soll uns der Beirat neben wirtschaftlichen Entscheidungen auch beim verantwortungsvollen Umgang mit unserer Zielgruppe, den älteren Menschen, unterstützen. Daher sind wir froh, dass wir auf Anhieb Experten dafür begeistern konnten, die aus ganz unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Bereichen stammen, wie beispielsweise die einstige Justiz-Ministerin Brigitte Zypries und  Dr. Michael Freytag, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Schufa Holding AG und einstigen Senator der Freien und Hansestadt Hamburg. Alle bisherigen Produktveränderungen und -erweiterungen sind schon mit unserem Beirat diskutiert worden. Diskussionen sind genau das, was wir anstreben, um unser Angebot stetig verbessern und auch an Kundenwünsche anpassen zu können. Auch deshalb haben wir parallel zum Expertenbeirat auch einen Beirat von Kundenseite gegründet. Jetzt kommen diese Beiräte zusammen und widmen sich Fragen wie: Was passiert, wenn ein Kunde seinen monatlichen Beitrag nicht zahlen kann? Kann man dann eine Zahlungspause vereinbaren? Wir sind sicher, dass wir durch den Beiratsansatz kreative und sinnvolle Lösungen finden werden – egal, welche Fragestellung sich auftut.


Das Interview führte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion Shopping Places*