»ECORE« – der neue ESG-Standard für Immobilien und Immobilienportfolios

ECORE
© Eric Ward – unsplash.com

Fair Future

Thomas Wenzel

Nachhaltigkeit hat einen neuen Namen: »Energieeffizienz, Grün, Nachhaltig« – diese Begriffe sind in der Immobilienbranche längst fest verankert

E, S und G sind die drei Buchstaben, die nun die Fondsinitiatoren, Bestandshalter, Asset Manager und nicht zuletzt auch die Projektentwickler, Property Manager und Facility Manager vor sich hertreiben. Das »E« für Environmental (Umwelt) betrifft unter anderem die Faktoren Klima, Ressourcen oder Artenvielfalt. Das »S« für Social (Soziales) umfasst Punkte wie Mitarbeiter, Nutzerkomfort, Sicherheit und Gesundheit. Das »G« steht für Governance (Unternehmensführung) und entsprechend für die Themenbereiche wie Risiko- und Reputationsmanagement, Aufsichtsstrukturen, Com­pliance und Korruption.

Gründung ECORE: Ende 2019 hat sich eine kleine Gruppe an Immobilienunternehmen, anfänglich bestehend aus 14 Fonds- und Asset-Managern initiiert durch die Unternehmensberatung Bell Management Consultants zusammengefunden, um gemeinsam die Idee eines ESG-Branchenstandards als neutrales Steuerungs- und Koordinationstool zu besprechen. Die Idee wurde schnell zu einem konkreten Ziel, nach einheitlichen Definitionen Nachhaltigkeit in Immobilien und Immobilienportfolios messbar, transparent und vergleichbar zu machen. Die gemeinsame Arbeit der Branche an diesem Thema wurde im Februar 2020 beschlossen.

Breite Unterstützung auf dem Weg zum Standard: Heute, circa 18 Monate später, umfasst die Initiative ECORE ESG Circle of Real Estate ein breites Feld von circa 100 Teilnehmern und 6 Verbänden.
 
Frühzeitige Einbindung von Lösungspartnern: Ergänzt wurde der Kreis der ECORE-Investoren und Projektentwickler um die Gruppe der ESG-Solution Partner. Diese setzen sich aus führenden Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen des Immobiliensektors zusammen. Innerhalb der Initiative ECORE (ESG-Circle of Real Estate) verstehen sie sich als Enabler, die mit Expertise und Realisierungskompetenz die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele gemeinsam mit den Immobilieninvestoren vorantreiben wollen. Für den fortlaufenden Dialog zwischen ECORE-Investmenthäusern und -Umsetzungspartnern wurde ein regelmäßiges Meetup-Format mit einer Vielzahl an Nachhaltigkeitsthemen ins Leben gerufen. Im Vordergrund stehen der konkrete Austausch zur Hebung von Optimierungspotenzialen sowie die gemeinsame Arbeit an Strategien hinsichtlich der Klimaziel-Erreichung bis 2050.

ECORE-Scoring im Detail: Mit dem ECORE-Scoring wurde ein Standard entwickelt, der alle Regularien, Gesetze, Verordnungen und die ESG-Kriterien vereint (beispielsweise die erforderlichen Taxonomie-Kriterien des Action Plan on Sustainable Finance der EU und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens) sowie bereits durchgeführte Zertifizierungssysteme (DGNB, BREEAM und LEED) abfragt und berücksichtigt. Das Scoring ist dynamisch und wird fortlaufend an die neuesten Anforderungen der EU angepasst. Anhand einer Punkteskala von null bis 100 können alle Stakeholder, wie zum Beispiel Mieter, Anleger und Investoren, erkennen, inwieweit eine Immobilie oder ein Portfolio die Klima-Ziele und ESG-Kriterien abbildet. Daraus leitet sich im Detail das operative Optimierungspotenzial einer Liegenschaft ab. Das Scoring setzt sich aus den drei Clustern zusammen (siehe dazu auch untenstehende Abbildung).
 
Im Cluster I - Governance stehen Nachhaltigkeit und Management im Portfolio, Kommunikation und externe Qualitätssicherung (zum Beispiel  Nachweise, Ratings) im Vordergrund. Analysiert wird hier unter anderem, ob Mieterausschlusskriterien angewendet oder grüne Mietverträge abgeschlossen wurden.

Im Cluster II - Verbräuche und Emissionen sind die zentralen Themen Energieverbrauch, CO2-Emissionen, Wasserverbrauch und Abfallaufkommen sowie die Bewertung »Paris-Ready« (Abgleich mit den Zieldaten für 2030) zu nennen.

Das Cluster III - Asset Check umfasst acht qualitative Themenfelder: Gebäudeautomation, Hülle und Technik, Ressourcen, Nutzerkomfort, Ökonomie, Lage sowie Maßnahmen im Betrieb.

Anwendbarkeit und Status der Entwicklungsarbeit: ECORE wird für alle Asset Klassen und über Deutschland hinaus international anwendbar sein. Im ersten Schritt wurden in einer Vielzahl an Workshops die Kriterien für die Assetklassen Büro, Logistik, Hotel und High Street Retail definiert und haben in der Zwischenzeit mit circa 600 Objekten erfolgreich die Pilotphasen durchlaufen. Nun schließt sich auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse die Adjustierung der Kriterien an. Pa­rallel werden in den kommenden Wochen zudem die ESG-Kriterien für die Assetklassen »Handel«, »Wohnen« und »Sozial-/ Pflegeimmobilien« finalisiert. Hinsichtlich der Ausgestaltung muss sehr differenziert vorgegangen werden, um die Besonderheiten der Assetklassen berücksichtigen zu können. So wurden beispielsweise im Fachausschuss »Handel« die Kriterien sowohl für Nahversorgungsimmobilien, Fachmarktzentren sowie Shopping Center diskutiert. Dabei hilft der enge Austausch mit dem German Council of Shopping Places.

Einbindung weiterer Marktakteure: Die ersten Banken haben sich ECORE bereits angeschlossen. Da auch die Finanzierer das ESG-Thema zukünftig im Rahmen ihrer Risiko-Bepreisung berücksichtigen müssen, war es uns wichtig, auch hier frühzeitig innerhalb des ECORE-Standards zu denken, um auf dem aufbauen zu können, was bereits erarbeitet wurde. Ebenso wird die Gutachter-Seite angebunden. Kürzlich ist beispielsweise der BIIS (Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen) dazu gestoßen.

Erst Fokus Bestand, nun auch Development: Das bisherige Scoring ist für Bestandsimmobilien konzipiert, da hier mit Blick auf die CO2-Neutralität die großen Herausforderungen liegen. Aber auch für Projektentwicklungen ändern sich derzeit die Anforderungen von Investorenseite. Vor diesem Hintergrund werden wir neben den bestehenden Fachausschüssen »Regulatorik« und »Nachweisführung« auch einen Fachausschuss »Development« aufstellen. Laut Aussage der Investoren haben viele Projektentwickler noch keine umfassende Kenntnis darüber, welche neuen Kriterien und Dokumentationsanforderungen für die Immobilienkäufer relevant sind.

Ausblick: Nachdem die Pilotierungsphase noch über eine EXCEL 2.0 erfolgte, wird derzeit mit Hochdruck an einer webbasierten Lösung gearbeitet, um in Zukunft die Anwendung des ECORE-Scorings für alle Nutzer zu erleichtern. Neben der digitalen Professionalisierung wird weiter an der Internationalisierung gearbeitet. Zudem ist geplant, die Öffentlichkeitsarbeit in Zusammenarbeit mit den großen Branchenverbänden auszubauen und die Arbeit der Immobilienbranche gezielt den regulatorischen Gremien vorzustellen.


Ein Gastbeitrag von
Thomas Wenzel,
Bell Management Consultants,
Entwickler des Nachhaltigkeitsstandards
ESG-Circle of Real Estate (ECORE)