Eindrückliche Eingangsrede

GCSP-Vorsitzende Christine Hager
Powerfrau in Action. © Jörn Wolter

Insight
Diskurs

Susanne Müller

Mit einer furiosen Rede eröffnete die GCSP-Vorsitzende Christine Hager den German Council Congress in der AXICA am Pariser Platz in Berlin. „Unsere diesjährige Begrüßungsmelodie hat den einen oder anderen Fuß zum Wippen gebracht, und das erinnerungsgesteuerte Grinsen im Gesicht ließ sich nicht unterdrücken“, sagte sie über die Einspielung des Sesamstraße-Songs „Der, die, das“. Und schmunzelte: „Vor einigen Jahren haben wir morgens Hells Bells von AC/DC gespielt – Highway to hell fiel uns zunächst für dieses Jahr ein- aber wir wollten ja auch nicht zu negativ werden. ‚Atemlos durch die Nacht‘ hätte auch gepasst, aber zu unserem Motto Klartext vielleicht nicht wirklich.“

„Der, Die, Das, wieso, weshalb, warum- wer nicht fragt, bleibt dumm: Die Erkennungs- und Eröffnungsmelodie der Sesamstraße fordert Klartext heraus“, fuhr sie fort. „Du verstehst es nicht – also frag nach. Ich gebe zu, dass ich als kleines Mädchen Graf Zahl immer spannend fand, möglicherweise hat das meine Berufswahl bis heute beeinflusst, aber ich denke, dass jede oder jeder sich spontan an ein, zwei Figuren der Sesamstraße erinnert und vielleicht sogar Sätze zitieren kann.“ Die Sesamstraße stehe als Syno­nym für ein lebendiges Stadtquartier, zwar nur mit einem Lebensmitteleinzelhandel und keinem Shopping Center, sei aber eben auch ein gutes Beispiel, das zeige, wie unterschiedliche Charaktere mit verschiedenen Wünschen friedlich zusammenleben können. „Warum? Weil sie miteinander reden – und weil sie aufeinander Rücksicht nehmen. Ein Smart Phone sucht man vergebens – Ernie und Bert schicken sich keine WhatsApp-Nachrichten, und das Krümelmonster ist nicht auf X oder Insta unterwegs. Und vielleicht ist das die wichtigste Botschaft unseres Klartext-German-Council-Congresses. Wir müssen reden. Ja, wir tun das auch schon, aber reden wir genug? Reden wir miteinander, und verstehen wir uns auch? Reden wir Klartext? Oder fragen wir aus lauter Höflichkeit nicht nach, wenn wir die andere Seite nicht wirklich verstehen oder Angst haben, als dumm dazustehen? Bis zu welchem Punkt sind wir tolerant gegenüber der anderen Meinung, und wann ist der richtige Zeitpunkt, Klartext zu sprechen, die eigene Meinung zu vertreten oder die Wahrheit zu sagen?“

Bis zum Ende zuhören

Und sie merkte an: „Gesprochene Wörter sind wie entlaufene Hunde, sagt ein Sprichwort. ‚Leg doch nicht jedes Wort auf die Goldwaage‘ kennen wir hingegen auch alle. Also, wie spreche ich Klartext, ohne einen ungewollten Schaden anzurichten? Bis zum Ende zuhören, bevor man sich eine Meinung bildet und etwas sagt, das – denke ich – ist eine der wichtigsten Tugenden im Miteinander in jedem Fall. Wenn möglich alle Seiten anhören, um sich dann ein eigenes Bild zu machen. Ja, wir sind nicht als Richter unterwegs, aber wenn es um viel oder Großes geht, dann ist Ruhe angebracht, und wir alle wissen, Angst ist ein schlechter Berater.“

Mut, Kreativität, Ausdauer

Die Gäste in diesem Jahr hätten alle bewiesen, dass sie – jeder auf seine Art- für Klartext stehen. „Vielleicht ist Klartext sprechen gar nicht so schwer?“, so Christine Hager. „Drei Zutaten stellen dabei für mich die Grundlage dar: Mut, Kreativität und Ausdauer. Es bedarf Mut, um sich zu trauen, etwas zu sagen, was vielleicht nicht auf allen Seiten Applaus generiert und zunächst komisch anmutet. Erinnern Sie sich an den Spruch eines kleinen Mädchens in ‚Des Kaisers neue Kleider‘? Sie sagt:  Aber er hat ja gar nichts an! – und spricht endlich aus, was alle anderen schon gedacht, aber nicht gesagt haben. Zum Glück ist es mit unserer Bundesregierung noch nicht so weit, und wir sehen Olaf Scholz & Co. nicht unbekleidet… aber inhaltlich scheint vieles blank zu sein, und übersetzt könnte man sagen, das Volk ruft: Ihr scheint rein gar nichts verstanden zu haben, wo die Probleme doch so offensichtlich zu sehen sind! Stattdessen schreiten die Damen und Herren durch die Talkshows der Nation und träumen von einer zweiten Amtszeit ab 2025. Aber ein ‚Weiter so‘ scheint vor dem Hintergrund der Wahlergebnisse in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie den täglichen Messerangriffen und Morden in deutschen Städten doch eigentlich undenkbar.“

Zu spät zum Wegducken

Und sie fragte: „Haben wir den Mut, eine deutliche Kurskorrektur mitzutragen? ‚Oh heiliger Sankt Florian, verschon unser Haus, steck andere dafür an‘ schreiben Bauherrn seit hunderten von Jahren an die Häuser. Hoffen wir, dass uns das Unglück nicht trifft, ducken wir uns besser weg? Blicken wir auf die gesellschaftliche, wirtschaftliche und geopolitische Gemengelage für Deutschland und Europa, dann ist es zum Wegducken zu spät. Es braucht jetzt unser aller Mut, um Veränderungen herbeizuführen, und vor allem, diese mit aller Konsequenz mitzutragen.  Der Handelsimmobilienwirtschaft kommt hier eine große Bedeutung zu. Der Handel und die Immobilienwirtschaft gestalten und prägen unsere Innenstädte. Menschen aller Nationen und Glaubensrichtungen sind im Prinzip in der Lage, friedlich miteinander Handel zu betreiben, Investitionen zu tätigen- einander zu vertrauen.  Wir brauchen den Mut, die hierfür notwendigen Regeln konsequent einzufordern. Die Zukunft unserer Städte hängt nicht zuletzt von einem friedlichen Miteinander ab. Jeder Messerangriff ist ein unschlagbares Argument für den Onlinehandel.“

Klare Ansage machen

Weiter führte sie aus: „Kreativität begleitet uns alle schon ein Leben lang. Sie ist so ausgeprägt, dass es den Menschen zum führenden Lebewesen gemacht hat, mit allen Vor- und Nachteilen. In einer Situation, in der man Klartext sprechen muss, läuft etwas nicht so wie gewünscht oder wie nötig. Man muss eine klare Ansage machen, die wie ein Stoppschild im Raum steht. ‚Halt, so geht es nicht weiter‘  oder ‚Achtung, wir verstehen uns nicht‘ heißt auch: Bevor wir weitermachen, müssen wir uns über den Kurs, die Richtung unterhalten, und diese miteinander abstimmen. Aber wenn alles stillsteht, dann ist vor allem Kreativität gefragt. Wie soll es denn weitergehen? Was ist denn eine bessere Lösung? Hat jemand eine gute Idee? Auch dann hilft wieder reden. Sich über Ideen und Möglichkeiten auszutauschen, ist die Quelle von kreativen Lösungen. Die Wunschliste der lokalen Politik, die bei einer geplanten Revitalisierung eines in die Jahre gekommen Shopping Centers übergeben wird, ist mancherorts größer, als jede mögliche Finanzierung es darstellen kann. Wenn dann von der Idee bis zur Baugenehmigung nahezu 18 Monate – und das wäre heute noch schnell – vergehen, dann wird die Eröffnung voraussichtlich erst in drei bis vier Jahren gefeiert werden können. Hier müssen wir Klartext reden und deutlich machen, dass wir mit viel Kreativität bereit sind, nach machbaren Lösungen zu suchen, aber auch erwarten, dass die andere Seite die Zeichen der Zeit bereit ist zu erkennen und wir uns zu einem gemeinsamen Handeln dann verabreden können.“

In die Zukunft denken

Die dritte Zutat sei Ausdauer, so die GCSP-Vorsitzende. „Wer einmal die Pyramiden von Gizeh besucht hat, der erkennt, dass es Immobilien gibt, die über 4500 Jahre alt sind und die Regionen und Gesellschaft tief prägen. Der Eifelturm, der Buckingham Palace, die Galleria Viktor-Emanuel Due in Mailand oder aber auch hier vor der Tür das Brandenburger Tor – allesamt Immobilien, die aber auch beweisen, welche Verantwortung wir als Immobilienwirtschaft haben. Wir planen und denken nicht in Jahresschritten. Unsere Shopping-Places sind Standorte, an denen auch noch 100 Jahren nach der Erbauung eine Immobilie steht. Diese Nachhaltigkeit ist der natürliche Erfolg eines langatmigen Investments auf der einen Seite.  Es ist auf der anderen Seite aber eine große Herausforderung, ja manchmal nahezu eine Bürde, so lange vorauszudenken und auch wirtschaftlich zu planen. Wenige Immobilien – wie die von mir eingangs aufgezählten – werden ihr Leben lang immer für die gleiche Aufgabe genutzt werden können. Auch gehört zur Wahrheit, dass ein Abriss doch die bessere Lösung darstellt, um aber dann in der Gesamtbetrachtung wieder einen erfolgreichen Standort zu schaffen.  Aber auch diese Entscheidung will gut überlegt sein, es wird ja von Dauer sein, was neu gebaut wird. Wer für die Immobilienbranche arbeitet, der muss Ausdauer mitbringen. Und das gilt gleichermaßen für die finanzierende Seite und ebenso für die Politik und Verwaltung. Dies setzt allerdings voraus, dass sich alle im Klaren darüber sind, welche Verantwortung bei einem Investment vom Eigentümer übernommen wird. Auch gehört zur Wahrheit, dass sich die Eigentümer verantwortungsvoll verhalten müssen.  Wenn alle aber offen und ehrlich – also Klartext – sprechen, dann ist eine Grundlage für langjährige und erfolgreiche Partnerschaften gelegt.“

Susanne Müller