Einig nur im Widerspruch

Homeoffice
Herausfordernd: Arbeit im Homeoffice © len44ik / stock.adobe.com

Handel und Immobilien
Strategie

Birgitt Wüst

Die Zukunft von Immobilien dreht sich künftig deutlich mehr um die Qualität von Räumen und nicht mehr allein um die Flächengröße. Das gilt über alle Asset-Klassen hinweg, wie jüngst beim Debattenforum »JLL Connections« deutlich wurde, an dem rund 80 Entscheider der Immobilienbranche teilnahmen

»Die Arbeitswelt wird hybrider und die Kombination aus Homeoffice und klassischem Büro als Fixpunkt wirkt sich auf alle Asset-Klassen aus«, sagte Sabine Eckhardt, CEO JLL Central Europe, zur Eröffnung der Tagung unter dem Leitmotiv »The Future of Real Estate«. Es gehe um die strategische Ausrichtung des Büros als Ort der Zugehörigkeit und des Austauschs, so Eckhardt: »Schließlich ist der Mensch ein soziales Wesen.« Dies wiederum stelle auch neue Anforderungen an die Wohnung als Homeoffice, das künftig hauptsächlich für Routinearbeiten bereitstehen müsse.

JLL hatte in Berlin, Frankfurt und München Entscheider der Immobilienwirtschaft in exklusiver Runde eingeladen, um die Zukunft der Immobilie mit Fokus auf Büro, Wohnen, Handel und Hotel zu diskutieren.

Mitarbeiter schätzen das klassische Büro

Wie James Brown, EMEA-Chefresearcher von JLL, mitteilte, wird das Büro aufgrund der Homeoffice-Erfahrung stärker als sozialer Ort wahrgenommen: »Laut unserer Umfrage vermissen 44 Prozent der Befragten den Austausch und das Miteinander.« Der persönliche Austausch mache das Büro zu etwas Besonderem, das die digitale Kommunikation nicht ersetzen könne. Rund 29 Prozent der von JLL Befragten schätzen, dass das Büro es ihnen ermöglicht, Arbeit und Privates besser voneinander zu trennen.

Einige Trends haben laut Brown im Pandemie-Jahr 2020 einen Schub erlebt, werden sich perspektivisch aber wieder abschwächen. Das gelte neben dem Homeoffice im Bürosektor auch für den Online-Handel. »Dessen Anteil am Gesamtumsatz des Einzelhandels ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr von rund 15 auf aktuell 19,9 Prozent sprunghaft angewachsen, wird im kommenden Jahr aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder leicht zurückgehen«, so Brown.

Für die Logistikbranche bedeute dieser Sprung nachhaltiges Wachstum: Die in Europa zusätzlich benötigte Logistikfläche pro Jahr wird von rund 39 Millionen in diesem Jahr auf rund 50 Millionen Quadratmeter im Jahr 2024 anwachsen. Brown geht davon aus, dass dieses Wachstum mittelfristig auch auf die anderen Asset-Klassen übergreift.

Diese Punkte griff auch die Diskussionsrunde im Berliner »Cube« mit dem Fokus auf der Arbeitswelt der Zukunft auf. »Die Art der Zusammenarbeit wird sich hin zu weniger Hierarchie und mehr Teamarbeit entwickeln. Dafür braucht ein Unternehmen geeignete Arbeitsplätze, die mehr Raum für Innovation und Inspiration bieten«, meint Gero Bergmann, Vorstand der Berlin Hyp. Kreativität sei nur in der Gruppe und nicht aus dem Homeoffice möglich.

Für Hines-Geschäftsführer Christoph Reschke kommt es nicht mehr allein auf die Lage eines Bürostandorts, sondern auf dessen Zukunftsfähigkeit an: »Arbeitgeber müssen räumlich ein interessantes Angebot machen, damit die Menschen ins Büro kommen wollen.« Emotionaler formulierte es Raphael Gielgen, Trendscout Future of Work bei Vitra: Man müsse zur Arbeit im Büro »verführt« werden: »Die zukünftige Qualität der Arbeit in den Büros muss es mit der virtuellen Welt aufnehmen können.«

Flexiblere Wohnungsgrundrisse

In der JLL-Deutschlandzentrale in Frankfurt stand die Frage »Wie kann Wohnraum nachhaltig gestaltet werden?« im Mittelpunkt der Debatte. Lars von Lackum, CEO der LEG Immobilien AG, sieht die Veränderung zur hybriden Arbeitswelt als Herausforderung an die Bauherren: »Wenn das  Heim auch Arbeitsplatz werden muss, müssen die Grundrisse veränderbar sein und ein Raum genauso gut als Büro wie als Esszimmer funktionieren.« Konstantin Kortmann, Leiter Residential Investment JLL Germany, erwartet eine Rückkehr zu den klassischen Grundrissen der 1950er-Jahre, in denen mehr, aber dafür kleinere Zimmer eine höhere Flexibilität bieten.

Einig waren sich die drei Diskussionsteilnehmer, dass die neuen Anforderungen nach Balkon und mehr Nachhaltigkeit letztlich auch bezahlbar sein müssten. Andreas Gräf, Vorstand der Instone Real Estate Group, verwies darauf, dass beim geförderten Wohnraum der Bestand »viel Potenzial für Verlängerungen über die ursprüngliche Laufzeit hinaus gebe, was aber kaum genutzt wird«.

»Omni-Channel bedeutet im Handel nicht, dass man überall Bildschirme hinstellt ...«

Im Münchener Hotel Andaz drehte sich die Diskussion um die Perspektiven von Handel und Hotellerie. Martina Maly-Gartner, COO Arabella Hospitality, warnte davor, in einer Wartehaltung zu verharren und forderte innovatives Handeln. »Auch Pop-Up-Wohnen oder Pop-Up-Büro müssen möglich und schnell umsetzbar sein, ohne dass dies von den Behörden erschwert wird«, sagte sie und stellte damit Umnutzungspotenziale für Hotels in den Vordergrund. Genauso könnten Hotelkapazitäten auch für Schulungszwecke, Co-Working und den medizinischen Bereich genutzt werden, solange das Reisen eingeschränkt sei.

Iris Schöberl, Managing Director BMO Real Estate Partners, sah Innovation als einzigen Ausweg, denn durch Corona werde es im Handel zu großen Verwerfungen kommen. »Viele gehen bereits neue Wege, darunter auch kleine Händler in ländlichen Regionen, die ihre Flexibilität ausspielen – aber längst nicht alle«, sagte Schöberl. Ähnlich bewertete auch Dr. Marcus Meyer, CEO Central und Nor­thern Europe bei Lacoste, die Digitalisierung der Branche differenziert: »Omni-Channel bedeutet im Handel nicht, dass man überall Bildschirme hinstellt, sondern dass man sich richtig vernetzt und die Kanäle bedient, die auch die Kunden nutzen. Dabei geht es um die richtige Mischung von Online und Ladenlokalen«, so Meyer.

Ein Beitrag von
Birgitt Wüst,
freie Journalistin