Entertainment und gewaltige Bilder

German Council
Restart
Susanne Müller
Wo Kunden mit der Zipline über Stores hinweg schweben, im Freefall-Tower Adrenalin ausschütten und an Netzen hoch in der Luft hangeln, ist naturgemäß Action angesagt. Ein Rundgang durchs LOOP5 war denn auch Auftakt zur Center Management und Marketing Konferenz als zweiter Teil der GCSP Powerdays in Weiterstadt. Doch auch die Vorträge hatten’s in sich.
Just zur Weiberfastnacht moderierte das „Dreigestirn“ Steffen Beine (Sierra Germany), Moritz Felix Lück (MEC) und Jan Spijkers (AD MISSION) den Tag. Und kam in die Diskussion mit Joachim Mayer (DWS Real Estate), LOOP5-Managerin Nicole Kurtovic, Tobias Hein (iVents Entertainment) sowie Creative Director Karen Klessinger (dan pearlman Markenarchitektur). Sie alle waren und sind mit der Metamorphose des Shopping Centers in eine Freizeitoase befasst. „Nicht klassisches Refurbishment war angesagt, sondern eine Formatdimension, welche die Regeln der Freizeitindustrie anwendet, denn die Währung der Zukunft ist Zeit“, umriss Karen Klessinger. „Wir wollten die Leute motivieren, auch die Freiflächen zu begehen.“
Erlebnis schafft Frequenzen
Dies sei ein kreativer Prozess gewesen, betonte Joachim Mayer. „Aktives Entertainment durch physische Erlebnisse sollte Frequenzen schaffen – gerade auch mit Blick auf zukünftige Nutzer der Stores. Denn sind Erfahrungen nachhaltig, kommen die Menschen wieder.“ Nicole Kurtovic bestätigte die gute Resonanz bei den Mietpartnern, da Synergien geschaffen werden und die Fun-Elemente oder das Tivoli-Theater gezielt für Events nutzbar sind: „Gerade am Wochenende kommt dank unseres Familienkonzeptes ein sehr kaufkräftiges Klientel.“ Diesen Ansatz verfolgte auch Tobias Hein: „Die Installation der Elemente ist das eine – nun müssen wir sie ins Geschehen einbinden und Zielgruppen ansprechen. Die Leute wollen Emotionen – das gibt auch direktes Feedback“ 95 Prozent der Hardware ist im LOOP5 inzwischen vorhanden – nun geht’s an die Feinarbeiten, beispielsweise die Gestaltung der Übergänge vom Parkhaus, die verbindende Bespielung der In- und Outdoor-Bereiche und die Arbeit auf Social Media.
Neuer Marktplatz fürs MTZ
Auch dem Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach steht ein Quantensprung bevor: Dort eröffnet im Mai der neue Food Garden. Center Manager Daniel Quaas (ECE) schwärmte von den fünf freistehenden Gebäuden in Holzbauweise schon jetzt: „Man riecht und spürt das Holz, eine natürliche Verbindung mit Wow-Effekt. Alle Mietpartner werden die massiven Deckenbalken offen belassen.“ Trotz schwerer Bedingungen – Stichwort Baupreise – läge die Realisierung des Food Garden gut im Zeitplan. „Mit acht hoch professionellen Gastronomen entsteht im MTZ ein Marktplatz, ein neues Herz auf einem Ex-Warenhausgelände, mit Bäumen und Außengestaltung, in nachhaltiger Bauweise – denn wir denken das gesamte Center wie eine kleine Stadt.“ Novität: Der Food Garden wird auch an Sonntagen geöffnet haben. Eines der Gebäude ist für ein begehbares Dach vorbereitet, das später ausgeführt werden soll.
Assets neu denken
Auf eine Reise entlang internationaler Multi-Use-Projekte nahm Ricardo Rodrigues (Reify by Sonae Sierra) die Teilnehmenden mit. Refreshment statt bloßes Refurbishment, lautete die Parole bei den vorgestellten Projekten. So das Vasco da Gama Shopping Center in Lissabon: Dort hat sich eine marode Food Hall in eine offene Waterfront Dining Destination mit Open-Air-Terrassen und Aussicht auf den Fluss gewandelt. Im Max Center im spanischen Bilbao trifft Retail jetzt auf digitale Innovation – Blickfang ist eine Video-Wall für spektakuläre visuelle Effekte in 3D. Mercado de Bom im portugiesischen Porto ist eine historische Markthalle, die sich heute als vibrierende Food Hall mit 44 Ständen, 23 Retail-Stores und Live-Cooking präsentiert. Diese und Rodrigues‘ weitere Beispiele untermauern, dass knackige neue Ideen das Gesicht überalterter Assets völlig verwandeln können.
Triumphzug der KI
In die unendlichen Weiten der Künstlichen Intelligenz ging’s nach dem Business-Lunch. Dieter Sawatzki (SawatzkiMühlenbruch) erläuterte, welch große Rolle KI schon jetzt bei Kaufprozessen spielt. Bereits bei der Suche nach einem Produkt oder einer Marke kommt der Kunde mit personalisierter Werbung und Social Media in Berührung. AI erstellt speziell auf den Customer gemünztes Advertising zusammen, Chatbots und virtuelle Assistenten unterstützen bei der Beratung und geben KI-basierte Kaufempfehlungen. Smarte Rabattstrategien – das so genannte Dynamic Pricing – und AI-gestützte Programme zur Kundenbindung selbst nach dem Kauf sind weitere Schritte der Reise. Auch Virtual Influencer gewinnen zunehmend an Einfluss. Sawatzki: „Die klassische Journey wird sich fundamental wandeln – da steht eine industrielle Revolution an.“
Spontane Performances
In einem unterhaltsamen Beitrag plauderte Jürgen Brunke (VÖLKEL) aus dem Nähkästchen des Innovationsteams. „Zurzeit profitiert der stationäre Handel kaum von KI“, stellte er fest. „Doch wir alle müssen uns intensiv mit dem Thema beschäftigen, denn dieses Feld entwickelt sich gigantisch schnell, und das wird massive Auswirkungen aufs Marketing haben. Bisher hat KI reaktiv funktioniert, zurzeit bildet sie ein Gedächtnis aus. Die nächsten Stufen sind die Geistes-KI und schließlich eine selbstbestimmte Version.“ Als Beispiel ließ er von GPT live in Sekundenschnelle einen Beitrag zur GCSP-Mitgliedschaft erstellen, toppte sein Referat mit einem KI-generierten Country-Song von den Konferenzen im LOOP5 – und hatte damit die Lacher auf seiner Seite. „Die Frage muss natürlich präzise und möglichst spezialisiert gestellt werden – das so genannte Prompting“, gab er mit auf den Weg und empfahl verschiedene Tools wie Image und Voice zum Ausprobieren.
Perfektionierung der Technik
Jan Spijkers (AD MISSION) fächelte den Zeitstrahl der KI-Entwicklung vom Programm ELIZA 1966, das die Möglichkeiten der Kommunikation zwischen einem Menschen und einem Computer über natürliche Sprache aufzeigen sollte, über Hal 9000 in den 80er Jahren als ersten Kontakt mit KI, den Terminator, die Avengers und den Schachcomputer Deep Blue bis hin zur Neuzeit auf – zuletzt der Einführung von ChatGPT in 2022. „60.000 Unternehmen arbeiten weltweit am Fortschritt der AI, dazu kommen unzählige Start-Ups – das Thema hat unfassbar viel Potenzial“, führte er aus. „Allerdings wird das Internet irgendwann von KI geflutet sein, und die Technik greift in Schleife auf ihre eigenen Daten zurück.“ Ein Spaghetti essender Will Smith als Internet-Challenge stand auf dem Screen für die Perfektionierung der Technik. Eine Avocado als Baustelle mit Mini-Arbeitern, ein Fachmarktzentrum als Van-Gogh-Gemälde, ein bildgewaltiges Movie mit fantastischen KI-generierten Wesen: Spijkers setzte voll auf optische Effekte und ließ so manchen Teilnehmer sprachlos zurück.
ESG ist individuell
ESG und deren Auswirkungen auf die Bewertung von Handelsimmobilien war Topic von Kira-Sophie Pütz (imtargis). Unter anderem ziehen Bewerter folgende Kriterien heran: den konkreten Zeitpunkt, die Geschäftsstruktur, rechtliche Gegebenheiten, Eigenschaften und Lage. Bei fast all diesen Bausteinen spielt ESG eine Rolle, wie Verbesserung des Primärenergiebedarfs, E-Ladepunkte oder auch Green Lease. „Die Auswirkungen von ESG auf den Wert eines Assets sind immer vom Einzelfall abhängig“, betonte die Referentin, „die Marktevidenz spielt eine tragende Rolle.“ Gebäude, die nicht ESG-konform seien, könnten aber durchaus einen eingeschränkten Käuferkreis haben – gerade Europa sei in den Ansprüchen weit voraus. Bestimmte Käufer seien auch bereit, in green-premium zu investieren. „Sensitivitätsanalysen sind jedoch immer individuell“, ordnete sie ein. „Aus Bewertersicht geht es letztlich darum, dass die Mieten erwirtschaftet werden.“
Wandel und Kontinuität
Am Ende des Tages zogen die Moderatoren Resümee: Sehr viel sei im Fluss, wichtig sei, sowohl auf Wandel als auch auf Kontinuität zu schauen, mit einem guten Maß an Skepsis und Analyse. „Der stationäre Handel ist sehr wohl zukunftsfähig“, waren sie sich einig.
Susanne Müller