Es überleben die, die sich am schnellsten und besten anpassen

Frank Pöstges-Pragal
Frank Pöstges-Pragal, Geschäftsführer von First Christmas © First Christmas

Interview
Fair Future

Redaktion

Frank-Pöstges-Pragal, neuer Chef von First Christmas, über die wiederkehrende Freude der Kunden am Einkaufsbummel durch »echte« Geschäfte, den sinkenden Bedarf an Ladenflächen und warum jetzt sehr schnelles Handeln angesagt ist

Herr Pöstges-Pragal, wir fragen mal ganz direkt: Sind Sie froh, aus dem Center Business raus zu sein?
Ich habe mein ganzes Berufsleben in der Center Branche verbracht, und das ist eine tolle Branche! Wir schaffen lebendige Marktplätze, Lieblingsplätze für die Menschen, wo sie eine gute Zeit verbringen, essen, trinken und Spaß haben, und dabei auch noch alles kaufen können, was das Herz begehrt. Und dann froh und glücklich nach Hause gehen. Wir geben den Menschen ein zweites Zuhause. Wer kann das von sich sagen?

Aber jetzt, in Zeiten von Corona, hätte Ihnen das doch ganz bestimmt keinen Spaß mehr gemacht.
In jedem Beruf gilt: Wer nur bei Sonnenschein und Jubel-Trubel-Heiterkeit gut ist, der ist sicher schon beim ersten Lüftchen überfordert und verliert den Spaß. Auch in der Finanzkrise 2008 gab es Probleme, mit denen sich der Handel auseinandersetzen musste. Ich erinnere mich noch, dass ich damals beim ICSC in Istanbul einen Vortrag gehalten habe über »Marketing in der Krise«. Da muss man sich eben etwas einfallen lassen. Oder wollen wir gleich bei jedem Wetterleuchten aufgeben?

Naja, lieber Herr Pöstges-Pragal, ein Lockdown von einem halben Jahr und das steile Anwachsen des Online-Handels sind doch wohl schon eher ein veritabler Tsunami als nur ein Wetterleuchten!
Ich will die Probleme ja gar nicht kleinreden. Aber ich lasse mir eben die Stimmung nicht verderben. Und schon gar nicht den Schneid abkaufen. Ja, die Probleme sind groß. Aber sind Mutlosigkeit, Frust und Resignation die richtige Antwort? Wir Centerleute müssen uns eben noch mehr anstrengen, noch intelligentere Lösungen finden und vor allem noch mehr Fantasie haben!

Sie sagen immer noch: wir Centerleute…
Bin ich doch auch noch! Vielleicht sogar viel mehr als früher. Das CentrO ist fraglos ein Mega Center, und ich habe es geliebt, dort Chef zu sein. Aber es ist und bleibt nur ein einziges Center. Bei Unibail-Rodamco war ich verantwortlich für das Marketing von 30 Centern, bei IPH hatte ich die Gesamtverantwortung für etwa 25 Center. Jetzt bei First Christmas beschäftige ich mich mit Einkaufszentren, Flughäfen, Einkaufsstraßen und ganzen Städten in Europa, den arabischen Ländern und mitunter auch in Nord- und Südamerika. Mein Einblick ist viel, viel größer – die Tätigkeit ist unglaublich spannend, ja faszinierend. Ich bin jetzt nicht in der unmittelbaren Verantwortung für ein oder mehrere Center, das ist wahr, aber ich berate und unterstütze den stationären Handel nahezu weltweit.

Klingt ganz so, als wenn Sie Ihren Traumjob gefunden hätten.
Ich habe wirklich jede meiner bisherigen Tätigkeiten mit Leidenschaft und Begeisterung gelebt. Aber ja, First Christmas ist ein ganz tolles Unternehmen mit einem sensationellen Designteam und großartigen Ideen und Konzepten, seit 20 Jahren bestens vernetzt in der Shopping-Center Branche. Und, ich gebe es zu, es macht mich durchaus auch stolz, für ein Unternehmen zu arbeiten, das vom deutschen Marktführer ECE genauso geschätzt wird wie vom arabischen Marktführer MAF oder vom chilenischen Centerkönig CENCOSUD. Das ist schon etwas ganz Besonderes.

Die Probleme der Branche kennen wir alle, und viele Lösungen liegen bereits auf dem Tisch: Omni Channel, Digitale Mall, mehr Gastronomie, mehr Freizeiterlebnisse, Integration von Gesundheitszentren, Hotels, Büros und Wohnungen – all das erinnert eigentlich ein bisschen an Victor Gruen, den Erfinder des modernen Einkaufscenters, der nie eine reine Shopping Mall wollte, sondern eine verbesserte Downtown. Aber ist das nicht alles jetzt längst zu spät? Begleiten wir den stationären Handel nicht bereits beim Sterben und unsere Innenstädte gleich mit?
Das hängt nur von einem einzigen Faktor ab: dem Faktor Mensch. Was wollen die Leute? Da gibt es ja sehr klare Umfragen. Sie weisen eindeutig aus: Die Menschen freuen sich wieder auf die Ladengeschäfte, auf das unmittelbare Einkaufserlebnis.Sie wollen die Ware wieder anfassen, prüfen, anprobieren, sich von einem Verkäufer beraten lassen, geschätzter Kunde sein. Und Spaß haben. Das gehört zu unserer DNA. Aber ja, daneben gibt es nun den Online-Handel, und er wird weiter wachsen und sich ein noch größeres Stück aus dem Umsatzkuchen herausschneiden. Das wird konsequent zu einer Aufgabe von Flächen im stationären Einzelhandel führen, oder sagen wir es ganz deutlich: Geschäftsaufgaben, freiwillig oder durch Pleiten. Und so wie manche Ladenfläche nicht mehr gebraucht wird, wird auch manches Einkaufscenter nicht mehr gebraucht, und in mancher B-Lage wird es keinen Einzelhandel mehr geben. Schlimm für die Betroffenen, keine Frage. Aber – ich weiß, das ist furchtbar abgedroschen – aber dennoch richtig: Handel ist Wandel!

Wer wird überleben?
Survival of the Fittest. Es überleben die, die sich am schnellsten und besten anpassen. An den neuen Konsumenten. Die ihm am besten zuhören, ihn am besten verstehen, am besten und am meisten auf ihn eingehen. Oder anders ausgedrückt: Wer sich jetzt nicht ganz schnell umstellt, wird schon morgen aus der Zeit gefallen sein. Wir leben nun einmal in einer Zeit ungeheurer Veränderungen, und das hat immer schon gewaltige Chancen mit sich gebracht, aber auch das Gegenteil: für die Unbeweglichen große Probleme oder sogar das Ende.

Sie sagen das ganz sachlich…
Weil es so ist! Natürlich berührt es mich persönlich, wenn ich von Schicksalen lese, wo Handelsunternehmen in der zweiten, dritten Generation jetzt aufgeben müssen, Traditionen zu Ende gehen, Mitarbeiter arbeitslos werden, Inhaber vielleicht alles verlieren, oft aufgebaut von Generationen. Aber das ist nun mal der Lauf der Dinge, in den 1950er und den 1960er Jahren sind Zehntausende von Tante-Emma-Läden pleite gegangen – wenn man »Handel ist Wandel« sagt, wird bei Wandel natürlich auch Ende oder Untergang mit gesprochen.

Wie sehen Sie nun Ihre Rolle?
Ich bin dabei, First Christmas weiterzuentwickeln. Wir wollen weltweit DER Partner des stationären Einzelhandels sein, mit dem der Handel wahre Lieblingsplätze schafft.  

So wie Sie es dreizehn Jahre lang beim CentrO geschafft haben?
(lacht) Ja, ungefähr.

Ein Beitrag der Redaktion

Frank Pöstges-Pragal (56). 13 Jahre war er Chef von Europas größtem Freizeit- und Einkaufszentrum, dem CentrO in Oberhausen. Weitere Stationen: Unibail-Rodamco und IPH Centermanagement. Seit Anfang 2020 ist er Chef von First Christmas  in  Hamburg.