Fachmarktzentren sexy machen
German Council
Quintessenz
Susanne Müller
Just am Tag nach dem Ampel-Kollaps geriet die Fachmarkt Konferenz als zweiter Teil der GCSP-Powerdays ein wenig zum Schlingerkurs, da insbesondere rechtliche Belange plötzlich kaum noch kalkulierbar waren. Die Dozenten umschifften jedoch elegant jede Klippe und brachten in der Summe wertvollen Input sowie teils völlig neue Sichtweisen ein.
Die Auswirkungen der politischen Entwicklungen auf die Assetklasse sei noch nicht abzusehen, betonten die Tagesmoderatoren Susanne Gehle (Kaufland) und Christian Schröder (MEC). Einst als eher langweilig beurteilt, gab es jedoch jede Menge Anregungen für das Segment „aus der Praxis für die Praxis“.
Mut zu grünen Objekten
Los ging’s mit Alexander Rausch (JLL), der unterhaltsam das Thema „Vom Greenwashing zu echter Nachhaltigkeit“ beleuchtete. Er verwies auf „gefallene Giganten“ wie Kaufhof, seinerzeit ein „Fels in der Brandung“, ebenso wie Schlecker, Praktiker, Quelle oder auch Sinn Leffers. „Etablierte Namen können stürzen“, betonte Rausch, „weil sie sich nicht an fundamentale gesellschaftliche Änderungen angepasst haben.“ ESG und Nachhaltigkeit seien heute die Schlüssel zu nachhaltigem Wirtschaften: „Transparenz ist Pflicht, die Integration von Resilienz und Strategie ein Muss – sonst verlieren die Objekte an Wert.“ Dies nicht zuletzt, da immer mehr Mieter ESG-Kriterien einfordern. Quasi als Anreiz tischte er handfeste Zahlen auf: sechs bis acht Prozent höhere Mieten, 20 Prozent weniger Betriebskosten, zehn Prozent höhere Vermietungsquoten und ebenso viel mehr Publikumsverkehr sowie höhere Verweildauer bei grünen Objekten. Fachmarktzentren der Zukunft seien im Betrieb klimaneutral, flexibel bei den Flächen und energieautark, machte er Mut, für langfristige Perspektiven in Nachhaltigkeit zu investieren.
Juristische Finessen
Zum Planungsrecht referierte Rechtsanwalt Dr. Jan Hennig (GSK Stockmann) und stellte gleich klar, dass dieses „in Beton gegossen“ sei: „Wir haben bei der Regierung versucht, daran zu klopfen – doch im Prinzip arbeiten wir ja mit dem Bestand, da es nur wenige Neubauprojekte gibt“. Für die nächste Regierung brauche es dennoch eine neue Agenda – andererseits habe das starre Baurecht die Werthaltigkeit der Investments gesichert. Um Nach- und Umnutzungen sowie Erweiterung durchsetzen zu können, nannte er verschiedene Finessen aus dem juristischen Handwerkskasten. Darunter einen Planungsrecht-Check, zusammen mit Kommunen und Gutachtern. Ferner die Bauleitplanung und schließlich die Änderung des Baugesetzbuches – „da hoffen wir auf Bewegung“. Hennig legte den Finger in die Wunde: „Regularien sind weit weg von der Lebenswirklichkeit, Bürokratie schränkt die Flexibilität ein.“ Und er hoffe auf den Einsatz des GCSP gemeinsam mit dem ZIA, am Umbruch mitzuwirken.
Schrecken der EU-Regulierung
So mancher Konferenzteilnehmer zeigte sich erschreckt ob der Konsequenzen, die aufgrund der neuen EU-Gebäuderichtlinien drohen – kurz EPBD. Deutlich machte sie Thomas Menzel (Kaufland). „Alle Handelsimmobilien werden unmittelbar betroffen sein“, so sein Weckruf. Die 2021 in einem Erstentwurf vorgelegten Beschlüsse aus Brüssel sind bis zum 30. Mai 2026 auf nationaler Ebene zu gestalten. Habecks Heizungsgesetz habe einen breiten öffentlichen Diskurs nach sich gezogen – „die EU-Sanierungspflicht findet weit weniger Echo, da die Vorgaben Nicht-Wohngebäude betreffen, sind jedoch viel weitreichender“. Faktisch reguliert die EU Parameter wie E-Mobilität, Photovoltaik, Energieeffizienz, Dekarbonisierung, technische Gebäudesysteme, Datenaustausch und einiges mehr. Die Dimension hängte er unter anderem am Beispiel Ladestationen auf: „Bei mehr als 20 Kfz-Stellplätzen sind Betreiber verpflichtet, bis 2027 zehn Prozent mit Ladestationen zu versehen. In Deutschland müssen also 193.000 Ladepunkte entstehen – umzusetzen in etwa einem Jahr. Das entspricht der Energieleistung von fünf Atomkraftwerken.“ Auch eine neue Regierung sei verpflichtet, sich damit auseinanderzusetzen: „Ob jedoch der Markt das Tempo halten kann, ist fraglich. Deshalb empfehle ich Betreibern dringend, frühzeitig ins Thema einzusteigen.“
Austausch ist wichtig
Wie Fachmarktzentren ihren Wert erhalten und sich zukunftsfähig aufstellen können, wusste Matthias Essmann (MEC). Er nannte sechs Säulen der Wertstabilität als Faustformel, namentlich Jahresmiete, Branchen- und Mietermix, Lage, technischer Zustand, zeitgemäßes Erscheinungsbild sowie Mietvertragslaufzeiten. Die MEC setzt dabei auf die Drei-K-Formel: Kommunikation, Konzept, Kontinuität. Erstere Säule bedeutet, sich mit Managern, Mietern, Dienstleistern und Kommunen auszutauschen. Wichtig sei ferner, eine Objekt-Strategie inklusive Nachvermietungskonzept für die Folgejahre auszuarbeiten. Ob ein Ankermieter auch noch morgen ein Magnet sei und welche Optimierungspotenziale vorlägen, sei zu beobachten. „Schon kleinere Maßnahmen helfen in der Summe, um den Wert eines Centers stabil zu halten“, so Essmann. Seine Faustformel zum Erfolg: Bestandsmieter halten und neue akquirieren, Kleinflächen zusammenlegen, intensiver Austausch mit Kommunen und Behörden.
Green Lease als Wertsteigerung
„Green Lease ist sexy“ stellte Zulfukar Tosun (Torvik Gruen) klar und bezeichnete nachhaltige Mietverträge als Erfolgsfaktoren – der Demand der Mieter sei in diesem Punkt ohnehin hoch. Im Fokus stehen dabei die Themenfelder Environment – also Energie, Heizung, E-Ladesäulen und ähnliches, Social mit Barrierefreiheit, Community & Co. sowie Governance – sprich Datenaustausch. Eine Zertifizierung käme der Finanzierbarkeit des Objektes zugute, setzte Tosun einen konkreten Anreiz. Und er empfahl, mit den Mietern einen Nachhaltigkeitsdialog zu führen, anstatt sie mitverantwortlich zu machen: „Mit weniger, dafür aber zielgerichteten Klauseln im Mietvertrag lässt sich mehr erreichen. Wichtig ist die Übereinkunft der Ziele.“
Nachholbedarf bei Digitalisierung
Jens Schmidt (WISAG) widmete sich der Digitalisierung im Kontext von ESG-Kriterien und brachte die Ergebnisse des aktuellen WISAG-Nachhaltigkeitsradars mit. Treiber der veränderten Gebäudebewirtschaftung sind demnach veränderte Arbeitswelten, Klimaschutz und der Wunsch nach einer attraktiven Arbeitsumgebung. Der Reifegrad der Digitalisierung läge hierzulande im Mittelfeld – im Handelssegment sogar noch weniger ausgeprägt als branchenweit. „Digitalisierung steigert die Effizienz“, erläuterte er – zum Beispiel bei Prozessabläufen, in der Gebäudetechnik, bei CO2-Einsparungen, bei der Daten- und Reportingqualität. Und er wünschte sich eine bessere Verschmelzung von ESG und Digitalisierung.
Mixed-Use-Konzepte sind hip
Best-Practice-Beispiele zur Umnutzung von Fachmarktzentren brachte Alexander Boelhauve (Nuveen Real Estate) mit – obwohl die Assetklasse als stabil gilt. Dennoch könnten Betreiber ungenutzte Potenziale wie überdimensionierte Parkflächen oder Leerstände in Obergeschossen besser einsetzen. Als Möglichkeiten nannte er unter anderem die Aufstockung des Centers in Leichtbauweise, alternative Einzelhandelskonzepte, zum Beispiel zusammen mit Gastronomie, die Integration von Senior Living oder studentischem Wohnen. „Aus Einzelhandel wird Mixed-Use mit Charakter – so entsteht eine lebendige Mitte in der Stadt, die auch die nötigen Synergien schafft.“
Erst vorab informieren
Vom Fachmarktzentrum hin zum Stadtquartier – diesen Trend hat auch Rechtsanwalt Uwe Seidel (Dr. Lademann & Partner) ausgemacht. Ausreichend Fördermittel wie Tilgungszuschüsse und zinsgünstige Darlehen ständen zur Verfügung und könnten sich als echte Game-Changer erweisen. Und er zeigte drei raffinierte Modelle auf. Wenn das Baurecht eine wertsteigernde Weiterentwicklung nicht her gibt, sollte per Jurist ein Verträglichkeitsnachweis erstellt werden. Sei der Bebauungsplan unwirksam, sei eine Einstufung als zentraler Versorgungsbereich möglicherweise die Lösung. In einer typischen Nachvermietungssituation habe die Kommune Ermessensspielraum. Sein Rat: Bei solchen Verfahren frühzeitig einen Juristen einbinden, anstatt sich zuerst an die Kommune zu wenden.
Lebhafte Diskussionsrunde
Beim Panel „Kampf um die Kundschaft“ mit Alexander Boelhauve (Nuveen), Uwe Seidel (Dr. Lademann & Partner), Daniel Dalsasso (MEC) und moderiert von Jörg Wege (MEC) ging’s in die Diskussion. „Fachmarkzentren braucht jeder – jetzt geht’s darum, sie schön zu machen“, „Sie müssen näher an die Kunden heranrücken und ein Rundum-Paket schnüren“, „Wir müssen investieren und Mehrwerte generieren“, waren einige Erkenntnisse aus dieser Runde.
Academy Award verliehen
Zum Abschluss der Powerdays übergaben Christine Hager und Leif Krägenau den German Council Academy Award an Johanna Bretthauer für ihre Masterarbeit zum Thema „Innovative Konzepte zur Sicherung der Nahversorgung in ländlichen Räumen“. Eine Personalie gab’s auch noch: Im Competence Board des GCSP ersetzen nun Patrick Becker und Jörg Wege ihre scheidenden Kollegen Susanne Gehle und Christian Schröder.
Susanne Müller