Facility in harten Zeiten

Michael Moritz
Michael Moritz © WISAG

Interview
Werte

Susanne Müller

Die Facility-Branche steht unter Druck. Fachkräftemangel und Corona-Auflagen haben ihre Spuren hinterlassen. Wie die WISAG als eines der größten deutschen Unternehmen der Branche den Engpass bewältigt, beantwortet Michael Moritz, Geschäftsführer der WISAG Facility Service Holding GmbH.

Wie begegnen Sie dem Problem des allgemeinen Mangels an Fachkräften und Nachwuchs in der Facility-Management-Branche?
Michael Moritz: Wir sehen uns im Facility Management (FM) nicht nur einem Fachkräftemangel, sondern allgemein einem Arbeitskräftemangel gegenüber. Um diesem zu begegnen, gehen wir als WISAG schon seit vielen Jahren parallele Wege – von einer fundierten Ausbildung über die gezielte Förderung unserer Mitarbeitenden bis hin zur Neurekrutierung. Wir arbeiten schon lange daran, junge Leute für eine Ausbildung in unserem Unternehmen zu gewinnen und sie für die vielfältigen Perspektiven, die ein FM-Unternehmen bietet, zu begeistern. Bisher ist es uns immer gelungen, Jahr für Jahr unsere Ausbildungsquote zu erhöhen. Das wollen wir auch weiterhin schaffen. Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit und Well-being sind ausschlaggebende Entscheidungskriterien für neue Arbeitskräfte. FM ist maßgeblich an der Schaffung dieser Werte beteiligt. Das gilt im Besonderen auch für die WISAG. Wir sind ein werteorientiertes Unternehmen mit viel Raum für persönliche Entwicklung. Zudem sind soziale Verantwortung und nachhaltige Unternehmensführung bei uns als Familienunternehmen gewissermaßen in der Genetik verankert.

Schon immer ebnen wir unsere Mitarbeitenden mit eigenen Förderprogrammen den Weg. Das Angebot einer hochwertigen Ausbildung, auch für die Führungskräfte, haben wir jetzt nochmals erheblich verstärkt. Zum Beispiel mit dem Neubau eines eigenen Schulungszentrums – und einer damit verbundenen erheblichen Kapazitätserweiterung. Um neues Personal zu finden, haben wir 2019 mit der WISAG Job & Karriere eine eigene Gesellschaft gegründet, die für unser gesamtes Unternehmen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sucht und Jobsuchende für die WISAG begeistern will. Unsere Mitarbeitenden sind es schließlich, die im FM den Betrieb systemrelevanter Einrichtungen für Gesundheit, Pflege, Bildung und Logistik aufrechterhalten – auch in einer Ausnahmesituation wie der Corona-Pandemie.

Was uns aber nach wie vor hemmt, ist das noch immer ausbaufähige Image der Branche. Seit Jahren beobachten wir zwar eine Verbesserung – unter anderem auch durch die Aktivitäten der Initiative der Möglichmacher – aber ich kann nicht oft genug darauf hinweisen, welch attraktive beruflichen Perspektiven und Karrieremöglichkeiten die FM-Branche doch bietet.

Vor welchen Herausforderungen haben Sie wegen Corona gestanden, und wie ist die Situation jetzt?
Michael Moritz: Es war eine klassische Herausforderung: trotz Restriktionen und erhöhter Personalausfälle beim Kunden unsere Leistungen sicherzustellen. Um diese Aufgabe zu meistern, haben wir gemeinsam mit unseren Kunden neue, der jeweiligen Situation angepasste Betriebskonzepte entwickelt und sofort umgesetzt. Die Rahmenbedingungen änderten sich schnell. Das erforderte flexible, atmende Leistungsanpassungen und einen Dienstleister, der diese unabhängig von fest vereinbarten Verträgen ad hoc umsetzt. Eine große Rolle haben dabei unsere engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gespielt, die vor Ort bei unseren Kunden unter anderem reinigten, Sicherheitsleistungen oder technische Dienstleistungen erbrachten – während ihre Dienstpläne ständig angepasst werden mussten und viele Menschen in Quarantäne oder im Homeoffice waren. Dass es uns gelungen ist, ihre Motivation in diesen Zeiten aufrecht zu erhalten, ist sicher auch auf unsere gute Unternehmenskultur und die Nähe zu unseren Mitarbeitenden zurückzuführen.

Zusätzlich standen wir vor logistischen Herausforderungen. So mussten wir jederzeit ausreichende Mengen an Hygieneausstattung und -artikeln vorhalten – sowohl für unsere Kunden als auch für unsere rund 31.000 Mitarbeitenden. Generell haben in der Pandemie Hygiene- und Gesundheitsstandards enorm an Bedeutung gewonnen. Künftig wird ihr Einfluss als Wirtschaftsfaktor noch zunehmen.

Beginnend in der Krise ist der Bedarf an flexiblen Lösungen gewachsen, und Leistungsfähigkeit wird gerade auch in schwierigen Zeiten stark anerkannt. Das hat zu einer engeren Verzahnung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geführt. Die Verlässlichkeit des Dienstleisters und die Qualität der Dienstleistung sind zum Glück wieder wichtiger geworden. Immer mehr Kunden suchen daher strategische Partnerschaften, um die Herausforderungen der Zukunft mit einem verlässlichen FM-Partner zu meistern. Dieser Effekt wird durch den Fachkräftemangel noch verstärkt. Ob ein Dienstleister über ausreichendes und qualifiziertes Personal verfügt, wird bei Auftragsvergaben künftig ein wesentliches Entscheidungskriterium für Kunden sein. Und natürlich setzen wir als Dienstleister unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lieber in bewährten Partnerschaften als in kurzlaufenden Jahresverträgen ein.

Welche Rolle spielen in Ihrem Unternehmen digitale Konzepte und KI?
Michael Moritz: Digitale Konzepte bieten uns in drei Bereichen Möglichkeiten: Automatisierung, digitale Produkte und Services für unsere Kunden sowie deren Mieter sowie digitale Geschäftsmodelle als strategischer Wachstumspfad für unser Unternehmen. Digitalisierung kann nicht nur innerhalb unseres Unternehmens, sondern auch an der Schnittstelle zum Kunden die Transparenz und Effizienz von Prozessen erhöhen. Digitale Produkte haben wir daher als integralen Bestandteil unserer Weiterentwicklung verankert. Die Möglichkeiten sind vielfältig – nicht nur in der Krise.

Während der Corona-Pandemie war es uns dank digitaler Lösungen beispielsweise möglich, eine Personenzählung mit Sensorik für Shops durchzuführen oder den Energieverbrauch durch Optimierung im Anlagenbetrieb und smarte Thermostate zu verbessern. Auch generell bieten digitale Services neue Möglichkeiten, beispielsweise haben wir mit der Smart Food Station eine flexible Verpflegungslösung für den Cateringbetrieb entwickelt. Mit KI beschäftigen wir uns seit 2018 intensiv: Ellie, unsere intelligente Serviceplattform, unterstützt unsere Kunden ebenso wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im operativen Betrieb. Oder ein anderes Beispiel: Smarte Thermostate lernen, wann Büros genutzt werden, und heizen nur dann. Mittels KI optimieren wir die Energieeffizienz im Betrieb von Gebäuden. Dadurch kann Digitalisierung nicht nur kostenreduzierend wirken, sondern auch positiv auf wichtige Zukunftsthemen einzahlen: auf Nachhaltigkeit und den Schutz unserer Umwelt.

Das Interview führte
Susanne Müller