Facility ist allgegenwärtig

Annelie Casper
Annelie Casper, stellvertretende Geschäftsführerin von gefma. © gefma

Interview
Resilienz

Susanne Müller

Harte Jahre liegen hinter sämtlichen Akteuren im Wirtschafts-, Handels- und Freizeitbereich, und ein Ende kann zurzeit niemand absehen. Überall involviert ist die Facility-Branche. Annelie Casper, stellvertretende Geschäftsführerin von gefma – Deutscher Verband für Facility Management, über Fortschritt, Nachhaltigkeit und die Technik der Zukunft.

Die Facility-Management-Branche ist sehr vielfältig aufgestellt. Welche Bereiche haben in den vergangenen Monaten zugelegt, und welche Zweige sind eingebrochen?
Annelie Casper: Das lässt sich schwer pauschalisieren. Wenn wir über Facility Management (FM) sprechen, dann sprechen wir über unseren Alltag, beruflich und privat. Wir sprechen über klimatisierte und nachhaltig beleuchtete Handelsstandorte, über Fußballstadien, die zum Erlebnisraum werden, moderne Bürohäuser und zeitgemäße Workspaces sowie perfekt funktionierende sowie ressourcenschonende industrielle Prozesse. Mehr als vier Millionen Menschen arbeiten in Deutschland im Facility Management. Damit beschäftigt die Branche viermal so viele Arbeitnehmer wie der Maschinenbau oder die Automobilindustrie. Facility Management ist komplexe Dienstleistung im Sekundärprozess. Das bedeutet, wir sind eine atmende Branche und entwickeln uns mit den Kerngeschäften unserer Kunden. Wir passen uns den Herausforderungen dieser Branchen an, um durch unsere Lösungen und Leistungen jederzeit perfekt funktionierende Primärprozesse in der Wirtschaft zu gewährleisten. Aufgrund der breiten Aufstellung können Sie sagen: Wenn die deutsche Wirtschaft voran geht, geht das FM proportional mit und hat einen wesentlichen Anteil an diesem Fortschritt. Wenn etwa Herausforderungen wie eine Pandemie unsere wirtschaftlichen Sektoren beeinflussen, unterstützt das Facility Management maßgeblich Lösungen, damit das Kerngeschäft unserer Kunden und das Leben und Arbeiten in Deutschland weiter funktionieren.


Wie läuft Facility Management zurzeit in der Retail-Landschaft?
Das Facility Management ist ein elementarer Teil von Handelsstandorten. Keiner dieser Orte ist ohne eine gut funktionierende Infrastruktur und Gebäudetechnik denkbar, für die das FM die Verantwortung übernimmt. Auch hier entwickeln wir uns synchron und dynamisch mit der Retail-Branche. Ein gutes Beispiel ist die Nachhaltigkeit. Sie stellt die Investoren und Verwalter von Handelsimmobilien vor enorme Herausforderungen. Das Facility Management ist hier ein weiteres Mal elementarer Teil der Lösung. Ich möchte sogar so weit gehen zu sagen: Wir haben den Schlüssel zur nachhaltigen Retail-Immobilie in der Hand. Warum? Weil bei uns die wesentlichen Daten eines Gebäudes im Betrieb zusammenlaufen und transparent werden, wie etwa Energieverbräuche oder der Ressourceneinsatz für die Instandhaltung der Infrastruktur und der Gebäudetechnik, Wasser- und Abfallmanagement, um nur einige Aspekte zu nennen. Hinter diesen Leistungen liegen Prozesse, auf die das Facility Management direkten Einfluss hat und die unsere Branche nachhaltig optimieren kann. Das geht natürlich nur im Schulterschluss mit allen Akteuren, vom Investor über den Asset- und Property-Manager bis zum Facility-Manager. Augenhöhe zwischen diesen Disziplinen ist der entscheidende Faktor, um Handelsstandorte nachhaltig erfolgreich zu machen.


Welche Rolle spielen CAFM-Systeme im Geschäftsalltag?
Wenn wir über CAFM sprechen, dann sprechen wir über die digitale Transparenz von FM-Prozessen und deren effiziente Steuerung. Solche Systeme sind die Grundlage moderner FM-Strategien und aus dem Alltag eines Facility Managers nicht wegzudenken. In ihnen bildet sich das Leben in einer Immobilie und damit das Facility Management in seiner ganzen Komplexität digital ab. CAFM macht den Immobilienbetrieb digital verständlich, zeigt Handlungsfelder und schafft wichtige Dokumentationen, etwa bei Energieverbräuchen. CAFM-Tools sind heute die wichtigsten Schlüsselinstrumente für den Wert von Immobilien. Sie sind der digitale Schraubenschlüssel für Werterhalt und Wertsteigerung. Denken wir da zum Beispiel an Predictive Maintenance, also die vorausschauende Wartung von gebäudetechnischen und produktionsrelevanten Anlagen. Dies ist heute sicherlich noch kein fester Bestandteil von CAFM-Systemen, kann aber in Zukunft einer werden. CAFM-Systeme sind ein entscheidender Faktor für die Langlebigkeit und Einsatzfähigkeit dieser Technik.


Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind große Themen dieser Zeit. Inwieweit trägt die Facility-Management-Branche dazu bei?
Das Facility Management ist wichtiger Teil fast aller wirtschaftlichen Prozesse in Deutschland. Wenn wir also über Nachhaltigkeit reden, egal in welcher Branche oder für welche Immobilienklasse, dann liegt ein wesentlicher Schlüssel dazu immer im Facility Management. Denken Sie etwa an das Umrüsten der Gebäudebeleuchtung auf energiesparende LED-Technik, das Monitoring von Energieverbräuchen oder auch das Optimieren von Pumpentechnik oder der Druckluftversorgung in industriellen Sekundärprozessen, für die das FM verantwortlich ist. Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte, um durch den Einsatz nachhaltiger Facility-Management-Lösungen für mehr Klimaschutz zu sorgen. Seit 2013 entwickelt gefma – Deutscher Verband für Facility Management praktisch anwendbare und messbare Standards für den nachhaltigen Gebäudebetrieb, die seit 2020 unter der Dachmarke SustainFM zusammengefasst werden. Dazu gehört die Zertifizierung von nachhaltig betriebenen Immobilien nach dem anerkannten Standard SustainFM (gefma160) ebenso wie CarbonFM, ein Tool für die Messung von CO2-Emissionen bei der Erbringung von Facility Services. Wichtig ist: Das Facility Management hat einen großen Einfluss auf die Nachhaltigkeit von Immobilien und Prozessen. Durch seine Integration in die Gesamtstrukturen ist es von ganz entscheidender Bedeutung, das FM als wichtiges Zahnrad im Räderwerk zu begreifen, ohne das die Nachhaltigkeit nicht in Schwung kommt.

Das Interview führte
Susanne Müller