Feste Terminzusagen sind aufgrund der Materialsituation derzeit riskant

Baustelle
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Handel und Immobilien
Fair Future

Christine Weyand

Seit Monaten beklagen Bauunternehmen anziehende Preise für Baustoffe und den Mangel an Material. Immer häufiger kommt es zu Verzögerungen bei Lieferungen. Manchmal können dringend benötigte Baustoffe gar nicht mehr bestellt werden. Und nichts deutet darauf hin, dass sich die Situation in absehbarer Zeit verbessert. Branchenvertreter fürchten infolgedessen Stillstand auf den Baustellen und Unternehmensinsolvenzen. Wie Bauherren und Unternehmen jetzt vorbeugen können …

Seit dem vierten Quartal 2020 sind die Preise für Baustoffe stark angezogen. Medienberichten zufolge verteuerte sich allein der Preis für Holz um 15 bis 20 Prozent, der Preis für Mineralölerzeugnisse steigerte sich um 15 Prozent, für Dieselkraftstoffe um 20 Prozent. EPS-Dämmstoffe für Fassaden kosten sogar rund 25 Prozent mehr, als dies noch im Dezember der Fall war. Betonstahl ist seit September nochmals um 30 Prozent teurer geworden.

Zahlreiche Bauunternehmen beklagen zudem Lieferengpässe bis hin zu Lieferstopps von Baumaterialien. Viele Baustoffe und Materialien können teilweise nicht einmal mehr bestellt werden. Baustopps und Bauunterbrechungen sind als Folge davon nicht mehr auszuschließen. Auch feste Terminzusagen sind aufgrund der Materialsituation derzeit riskant. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Mit einer Stabilisierung der Lage ist wohl kurzfristig nicht zu rechnen. Branchenvertreter fürchten gar eine Pleitewelle bei Baubetrieben, bis hin zum Stillstand auf den Baustellen.

Preiserhöhungen können nicht an Bauherren weitergegeben werden

Bei bereits abgeschlossenen Verträgen können Preiserhöhungen in der Regel nicht von den Bauunternehmen an die Bauherren weitergegeben werden. Denn bei der vertraglich vereinbarten Vergütung für die beauftragten Bauleistungen handelt es sich grundsätzlich für die Dauer der Vertragslaufzeit um einen Festpreis, der sich nicht erhöht. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Pauschalpreis-, einen Einheitspreis- oder einen Stundenlohnvertrag handelt. Der vertraglich vereinbarte Preis kann sich damit lediglich bei zusätzlichen oder geänderten Leistungen oder einer geänderten Bauzeit ändern.

Bereits in der Vergangenheit wurde im Rahmen von erheblichen Materialkostensteigerungen etwa bei Stahl- und Kupferpreisen diskutiert, ob gravierende Kostenerhöhungen nicht zu Vertragspreisanpassungen wegen »Störung der Geschäftsgrundlage« (§ 313 BGB) führen müssten. In der obergerichtlichen Rechtsprechung (so z.B. OLG Hamburg Urt. v. 28.12.2005 – 14 U 124/05) wurde jedoch eine Preisanpassung unter anderem mit der Begründung abgelehnt, die Auftragnehmer hätten sich vorausschauend eindecken oder Preisgleitklauseln vereinbaren können.

Vertragspreis als kalkulatorisches Risiko

Grundsätzlich sind die Vertragspreise daher als kalkulatorisches Risiko des Bauunternehmers anzusehen, sodass es schwierig ist, nach Vertragsschluss eintretende Preissteigerungen an den Bauherrn weiterzugeben. Ohne hinzutretende, besondere Umstände können daher auch Preiserhöhungen in diesem Bereich nicht zu einem Anspruch auf Anpassung der Vergütung des Auftragnehmers führen (so OLG Hamburg Urt. v. 28.12.2005 – 14 U 124/05).

Eine Preisanpassung auf Basis des § 313 BGB kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Bauunternehmer seine Preiskalkulation vor Vertragsabschluss hinsichtlich der jeweils relevanten Materialbeschaffung zur Geschäftsgrundlage gemacht hat. Die Anforderungen dafür sind jedoch hoch. Selbst eine offengelegte Kalkulation (zum Beispiel im Rahmen eines Pauschalvertrags) wird nicht automatisch zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage.

Bauherren können angesichts dieser Situation aber keinesfalls erleichtert aufatmen. Denn die Bauunternehmen werden auf den Preismarkt entsprechend reagieren müssen. So stellen derartige Preissprünge die Unternehmen vor erhebliche Probleme, da sie jede Kalkulation zu einem unberechenbaren Risiko werden lassen.

Preisgleitklauseln zur Absicherung

Dementsprechend werden Bauherren bei zukünftig abzuschließenden Verträgen damit rechnen müssen, dass sich Bauunternehmen vermehrt mit Preisgleitklauseln gegen Preisschwankungen auf dem Rohstoffmarkt abzusichern versuchen, sofern nicht alternativ entsprechende Risikoaufschläge auf die Preise akzeptiert werden.

Bei einer solchen Preisgleitklausel handelt es sich um eine vertragliche Regelung, wonach der Bauherr bei der Erhöhung bestimmter definierter Kostenarten zu einem bestimmten Anteil an der Preissteigerung beteiligt wird. Denkbar sind hier sowohl Material-Preisgleitklauseln als auch Lohngleitklauseln oder Preisgleitklauseln nur für bestimmte Materialien wie Holz, Metalle oder Bitumen.

»Höhere Gewalt« bei nicht lieferbarem Material?

Bei bereits abgeschlossenen Verträgen könnte im Hinblick auf die bestehenden Lieferengpässe zudem das Problem entstehen, dass der Materialmangel den Bauablauf verzögert. Zwar liegen auch Beschaffung, Lieferung und Einbau der Materialien grundsätzlich im Risikobereich des Auftragnehmers. Dementsprechend hätte der Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch für verzögerungsbedingt entstandene Kosten. Sowohl der VOB/B Werkvertrag als auch der BGB Werkvertrag setzen für einen solchen Anspruch jedoch eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. An einer solchen fehlt es etwa, wenn die fehlende Beschaffung des Materials auf »höhere Gewalt« zurückzuführen ist. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 c) VOB/B werden bei einem VOB/B Vertrag zudem die Ausführungsfristen verlängert.

Von »höherer Gewalt« wird man jedoch nur dann ausgehen können, wenn das jeweilige Material tatsächlich nicht lieferbar ist. Die Materialknappheit darf also nicht auf eine mangelhafte Planung oder unzureichende Bestellung zurückzuführen sein. Außerdem dürften die fehlenden Materialien auch nicht zu einem höheren Preis – was dem Auftragnehmer aufgrund seiner Risikozuweisung zumutbar wäre – zu beschaffen sein. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung fallen selbst exorbitante Preissteigerungen in die Risikosphäre des Auftragnehmers.

Rechtzeitige Beschaffung liquider Mittel

Bei zukünftig abzuschließenden Verträgen werden Bauherren auch hier mit entsprechenden vertraglichen Abreden rechnen müssen, nach denen der Bauherr zumindest teilweise an diesem Risiko beteiligt wird. Die könnte durch eine entsprechende Definition im Vertrag, was unter »höherer Gewalt« zu verstehen sein soll, geschehen.

Neben der den dargestellten juristischen Möglichkeiten können Bauherrn und Bauunternehmen aber auch anderweitig Vorsorge betreiben. Hier kommt insbesondere die rechtzeitige Beschaffung von liquiden Mitteln in Betracht. Ebenso wären eine Auseinandersetzung mit Themen wie Steigerung von Gewinnmargen durch einen digitalen Ausschreibungsprozess (Stichwort »BIM«) Potenziale, die in Betracht gezogen werden sollten.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die obigen Ausführungen lediglich eine Zusammenfassung der möglichen rechtlichen Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten darstellen. Eine individuelle Beratung für den jeweiligen Einzelfall ist daher empfehlenswert, um auf die Entwicklungen des Baustoffmarkts angemessen reagieren zu können.


Ein Gastbeitrag von
Christine Weyand,
Salary Partner, Taylor Wessing,
Frankfurt/Main