Finanzierung in unsicheren Zeiten

Georg Irgmaier
Georg Irgmaier, Abteilungsleiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung bei der BayernLB © BayernLB

Interview
Perspektiven

Susanne Müller

Viele Projektentwickler und Investoren stehen finanziell zurzeit auf wackligen Füßen: Baumate­rialien und Kredite sind teuer, Banken schauen ganz genau hin. Ein Interview zu den Perspektiven der Geldpolitik mit Georg Irgmaier, Abteilungsleiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung bei der BayernLB.

Welche Rahmenbedingungen sind in Zukunft für die Finanzierung von Projekten ausschlaggebend?
Georg Irgmaier: Ganz allgemein gesprochen braucht es noch mehr denn je eine gute bis sehr gute Projektqualität und einen starken Projektentwickler. Dazu gehört unabhängig von der Assetklasse die entsprechende Lage- und Objektqualität. Am besten eine schon gute Vorvermietung und eine sehr gute Einschätzung der noch offenen Vermietung. Das fertige Projekt muss ein gutes Investmentprodukt werden, wozu – mittlerweile schon weitgehend Standard – auch eine positive ESG-Einschätzung gehört. Herausforderungen stellen im aktuellen Umfeld die hohen Baukosten und die auf der anderen Seite aufgrund der gestiegenen Zinsen gesunkenen Exit-Faktoren für die Entwickler dar. So mancher Grundstückseinstand ist da mittlerweile zu teuer geworden. In diesem Umfeld legen wir Wert auf bewährte starke Projektentwickler mit hoher Managementqualität und finanziellem Rückhalt.


Welche Unternehmen oder Entwickler sind zukünftig überhaupt noch in der Lage, teure Kredite zu bedienen?
Grundsätzlich sollte der Zins – und eine angemessene Tilgung – bei Finanzierungen von gewerblichen Bestandsimmobilien aus den Objekteinnahmen nachhaltig bedienbar sein. In einer Projektphase sind Finanzierungskosten Teil der Gesamtkalkulation und in Relation zu anderen Kostengruppen ein vergleichsweise kleinerer Kostenbestandteil. Die gestiegenen Baukosten haben eine deutlich größere Wirkung als die gestiegenen Zinsen. Unterdeckungen zwischen Mieteinnahmen und Kapitaldienst sollten in der Regel nur vorübergehend aus anderen Mitteln geleistet werden müssen. Grundsätzlich sollte zusätzliches Eigenkapital der Ausgleichsfaktor sein, um eine Wirtschaftlichkeit aus dem Objekt heraus zu gewährleisten.

Finanzieren sie nur innerhalb von Deutschland oder auch außerhalb?
Generell finanzieren wir im Gewerbeimmobilienbereich auch außerhalb Deutschlands mit Schwerpunkt Westeuropa und den USA. Wir haben Niederlassungen in London, Paris, Mailand und New York.


Würden Sie ausländischen Investoren hierzulande Projekte finanzieren?
Der Schwerpunkt liegt ganz klar bei inländischen Projektentwicklern, vereinzelt haben wir aber auch international tätige starke Entwickler finanziert, mit guten Kenntnissen und Infrastruktur für den deutschen Markt.

Wie gehen Sie damit um, wenn Immobilien im Shopping-Center-Bereich zum Verkauf stehen?
Das ist zunächst eine Frage für potenzielle Inverstoren. Wenn sie auf uns wegen einer eventuellen Finanzierung zugehen, werden wir uns das anschauen und insbesondere auf verschiedene Qualitätskriterien, zum Beispiel Performance des Centers, Management- und Betreiberqualität und Zukunftsfähigkeit, achten. Daneben kommt es aber natürlich auch auf die Finanzierungsstruktur und auch auf die ESG-Positionierung an.

Was muss passieren, damit sich die Geldpolitik wieder stabilisiert?
Solange sich der Inflationstrend bei den Verbraucherpreisen fortsetzt, wird die EZB zu weiteren Zinsanhebungen greifen. In Europa ist über den Winter noch mit enormem Preisdruck infolge der Energiekrise und einer Inflationsrate von über 10% zu rechnen. Grundbedingung für eine Zinspause ist ein Wendepunkt bei der Preisdynamik, also der Beginn eines nachhaltigen Abwärtstrends der Inflation. Damit ist erst im ersten Halbjahr 2023 zu rechnen, auch aufgrund staatlicher Eingriffe in den Energiemarkt und der vielfältigen staatlichen Unterstützungen. Bis dahin könnte die EZB den Einlagesatz auf 3% anheben. Das Wirtschaftswachstum spielt für die Notenbanker in diesem Umfeld nur eine Nebenrolle – die Preisstabilität hat Priorität. Selbst unter diesen Prämissen wird es aber wohl wenigstens bis zum zweiten Halbjahr 2024 dauern, bevor das Inflationsziel von 2% in greifbare Nähe rückt.

Lässt sich eine Prognose bezüglich der Zinsentwicklung für die nächsten zwei Jahre treffen?
Wichtiger Einflussfaktor für die Entwicklung der Zinskurven ist zuallererst die Geldpolitik der EZB. Auch wenn nach der sich 2023 zunächst noch fortsetzenden geldpolitischen Straffung eine erste Zinssenkung der EZB Ende 2024 realistisch erscheint, werden die Leitzinsen im Euro-Raum auf absehbare Zeit auf spürbar höherem Niveau liegen als in der vergangenen Dekade. Außerdem wird die Liquiditätspolitik die EZB langsam restriktiver, indem diese ab 2023 wohl behutsam in den Bilanzabbau einsteigt. Die Inflationsdynamik wiederum nimmt nur langsam ab und die Inflation bleibt auch 2024 noch deutlich über dem EZB-Inflationsziel von 2%. Die gesamte Zinskurve wird daher nach dem kräftigen Anstieg 2022 wohl noch länger auf höherem Niveau bleiben. Die Kapitalmarktzinsen dürften allerdings vor allem bei längeren Laufzeiten zunächst von der erwarteten Rezession und im weiteren Zeitablauf von der rückläufigen Inflationsdynamik gedämpft werden. Daher erwarten wir in den kommenden Jahren auch keine stark steigenden Zinsen mehr wie im Jahr 2022. Auf jeden Fall sollte man sich aber auf weiterhin hohe Schwankungen einstellen.

Susanne Müller