Fokus auf Nachhaltigkeit

Jagdfeld Gruppe
Nachhaltigkeit zählt zu den Unternehmenszielen der Jagdfeld Gruppe. © Jagdfeld Gruppe

Handel und Immobilien
Resilienz

Cengiz Herrmann

Schaue ich auf die zwölf Jahre zurück, in denen ich verschiedene Funktionen für das Familienunternehmen Jagdfeld Gruppe innehatte, spielte nachhaltiges Handeln, soziales Engagement und verantwortungsvolle Unternehmensführung von jeher eine bedeutende Rolle in den sechs Unternehmensbereichen.

Sei es in der Sparte Bio-Landwirtschaft, beim geschichtsträchtigen Wiederaufbau der „Weißen Stadt am Meer“ in Heiligendamm (Seaside Properties) oder den zahlreichen Energieeinsparungsmaßnahmen in den von uns betreuten Gebäuden (Jagdfeld Real Estate) – übrigens noch lange vor dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem European Green Deal. Soziales Engagement ist ohnehin ein Eckpfeiler der Jagdfeld Gruppe in allen sechs Unternehmensbereichen. Dass die Europäische Union exakt sechs Umweltziele in ihrer Taxonomie formuliert – also dem Regelwerk, welches definiert, was nachhaltig ist –, kann da kein Zufall sein.

In 2018 formulierten, dokumentierten und veröffentlichten wir aus Gründen der Transparenz in- und extern unsere Selbstverpflichtung und Policies in Sachen Compliance, Wohlverhalten, Interessenskonflikte, DS-GVO, Nachhaltigkeitskodex und vieles mehr. Also alles das, was man heute unter dem „G“ von ESG subsumiert.

Nachhaltige Gebäude steigen im Wert

Als wir mit der DI Asset Management GmbH Ende 2020 begannen, uns mit Blick auf die der EU Sustainable Finance Disclosure Regulation (Offenlegungsverordnung) mit Artikel 8 und 9 der Verordnung formal auseinandersetzen, trat neben der Transparenz das Thema Nachhaltigkeit der Gebäude in den Vordergrund und vor allem ihre Messbarkeit. Denn mit Blick auf Staaten wie zum Beispiel Großbritannien, die über die zentrale und digitale Erhebung von Gebäudedaten bereits Kriterien der Zulässigkeit der Vermietung formulierten, wenn Gebäude hohe Energieverbräuche und einen hohen CO2-Ausstoß aufweisen, war schnell klar, dass besonders nachhaltige – heute hieße es taxonomie-konforme – Immobilien im Wert steigen werden und fungibel bleiben. Und umgekehrt, dass bei nicht-konformen Objekten zukünftig Wertabschläge kalkuliert werden müssen. ESG und die Energieeffizienz von Gebäuden sind so das zentrale Thema für alle Unternehmen, die Immobilien halten oder entwickeln wollen.

ESG ist eine Kernaufgabe der Immobilienunternehmen der Jagdfeld Real Estate, die die Investitionen der vielen Anleger in den verschiedenen Fonds vertreten und vor Wertverlusten schützen müssen.

Kodex fortgeschrieben

Aber wie das Thema ESG erfassen, und was bedeutet die Taxonomie mit ihren sechs Umweltzielen für uns zukünftig noch? Die erste Maßnahme war die Bestimmung eines zentralen Ansprechpartners und ESG-Managers und die Definition einer Zielsetzung. Im nächsten Schritt wurde in der Führungskräfterunde das Thema ESG umfassend präsentiert und erörtert sowie das gemeinsame Ziel festgelegt. Dieses richtet sich heute an den Zielen der EU und den Klimaneutralitäts- und CO2-Einsparungszielen Deutschlands aus, wobei jeder Unternehmensteil gemäß seinen Möglichkeiten den Anteil am Gesamtziel der Jagdfeld Gruppe erwirtschaftet. Unser Nachhaltigkeitskodex wurde fortgeschrieben, und es galt alle Mitarbeitenden einzubeziehen und „Werbung“ für das Thema ESG zu machen. Denn klar war auch: In den allermeisten Fällen sind diejenigen, die zukünftig die Daten erfassen, pragmatische Ideen entwickeln und Informationen bereitstellen, unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die in und an den Immobilien arbeiten. Wir bieten hierzu mittlerweile sachgebietsspezifische ESG-Schulungen auf einer hauseigenen, webbasierten Trainingsplattform an.

Ganzheitliche Strategie

Da wir Gebäude selbst entwickeln und managen, müssen wir ESG-Maßnahmen entlang des gesamten Lebenszyklus´ planen. Wir verfolgen daher eine ganzheitliche Nachhaltigkeits-Strategie von außen nach innen und schaffen so die Grundlagen für ESG-konformes Agieren. Zudem ist ein erfolgreiches ESG-Management datengetrieben. Die Jagdfeld Real Estate ist schon vor Corona in die Cloud gegangen und hat als weitere „Software as a Service-Lösung“ (SaaS) Quantrefy eingebunden, um wichtige ESG-Indikatoren in Sachen Taxonomie und ESG Circle of Real Estate (Ecore) schnell und unkompliziert nachverfolgen sowie sinnvolle Maßnahmen ableiten zu können.

Konzentration auf das Wesentliche

Apropos sinnvolle Maßnahmen. 2018 hat die EU mit ihrem „Action Plan: Financing sustainable growth“ drei Kernziele formuliert. Das wesentliche Ziel ist die Umlenkung von Kapitalflüssen in nachhaltige Investitionen. Gern fragen unsere Auftraggeber nach konkreten Vorschlägen, welche nachhaltigen Möglichkeiten es für ihre Gebäude gibt und wie wir diese heben können. Indes wird schnell klar, dass die hierfür notwendigen Investitionskosten den Anlegern wenig reizvoll erscheinen. Daher wird jede mögliche ESG-Maßnahme einer Wesentlichkeitsanalyse unterzogen. Wir ermitteln so zuerst die relevanten Themen, ordnen sie ein, formulieren diese und machen die Ergebnisse so messbar. Die ESG-Strategie auf Objektebene ist dabei so einfach wie wirkungsvoll: sich auf das Wesentliche konzentrieren und das Mess- und Machbare zuerst angehen. Plattform-Lösungen wie Quantrefy helfen uns, die strukturierte Erfassung von ESG-relevanten Gebäude- und Verbrauchsinformationen, das ESG-Reporting sowie die Ableitung von Maßnahmen zum Beispiel zur Energieeinsparung zu beschleunigen.

Gemeinschaftliche Herausforderung

ESG ist unseres Erachtens eine gesellschaftliche und gemeinschaftliche Herausforderung. Unsere Mitarbeitenden engagieren sich vielfältig. Als Mitglied des ESG-Ausschusses des German Council of Shopping Places habe ich den Entwurf des ESG-Fragebogen zur Mitgliederbefragung eingebracht, um zu ermitteln, welche Unterstützungsleistung sich die Mitglieder des GCSP von ihrem Verband wünschen. Eine andere Initiative betrifft unsere finanzielle und aktive Unterstützung des Lehrstuhls Facility Management des Karlsruher Institut für Technologie beim Forschungsprojekt „Entwicklung einer Standardisierung des Smart Readiness Indicators“.

Engagement der Mitarbeiter

In der Jagdfeld Gruppe engagieren sich darüber hinaus jeden Tag aufs Neue unsere Kolleginnen und Kollegen auf allen Ebenen und ergreifen die Initiative. In allen Unternehmensteilen gibt es mittlerweile einen Sustainability Project Lead. So hatte eine Kollegin aus dem Marketing zum Beispiel eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie für das Parkhotel Quellenhofs entwickelt. Eine von vielen Ergebnissen ist beispielsweise die Idee, Zimmerkarten aus nachhaltiger Holzwirtschaft einzusetzen. Zudem retten wir im Hotel mit „Too Good To Go“ überschüssige Lebensmittel vor dem Wegwerfen. Über die „Too Good To Go-App“ finden die User unsere Angebote in Form von „Magic Bags“ – der Inhalt hängt unmittelbar mit dem täglichen Lebensmittelverbrauch im Hotel zusammen.

Flexibilität und Zeit erforderlich

CO2-Einsparung ist eine verständliche Forderung der Politik an die Finanzindustrie und somit auch an die Immobilienwirtschaft. Der von ihr gewollte schnelle Ausstieg aus Kohle, Gas und Atomenergie bedeutet aber eine zusätzliche Belastung für die Leistung derer, die die Nachhaltigkeitsinitiativen bezahlen sollen. Aktuell entsteht eine doppelte Belastung durch den Abbau des fossilen Energiesektors bei gleichzeitigem Aufbau eines regenerativen Energiesektors. Was nutzt ein Ausstieg aus der Atomenergie, heimischer Kohle oder durch sauberes Fracking gewonnenes Erdgas, um dann Bedarfslücken mit Strom aus veralteten Atommeilern in Ost- und Westeuropa zu füllen und schmutzig gewonnenes Gas zu importieren? 60 bis 70 Prozent des Energiebedarfs werden aus Kohle, Gas und (noch) Kernenergie bereitgestellt, wenn kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Aber weht bei uns kein Wind, ist das in großen Teilen Europas auch der Fall. Auch die dafür notwendigen Stromtrassen für den Wind- und Solarenergieaustausch quer durch Europa gibt es noch nicht. Deren Finanzierung ist ebenfalls noch ungeklärt. Auf dem Weg zum Ziel bedarf es vieler kleiner Schritte eines jeden, aber auch genügend Flexibilität und Zeit für diejenigen, die die Forderungen der Politik im großen Stil umsetzen sollen.


Ein Gastbeitrag von
Cengiz Herrmann
Executive Director Business Development & Innovation / General Manager
Jagdfeld Gruppe