Füllhorn an Impulsen

Powerday Fachmarkzentren
Eine Gruppe von Teilnehmer des ersten Powerday mit dem Schwerpunkt Fachmarkzentren bei dem in Gruppen aufgeteilten Rundgang im Gutenberg Center. © GCSP

Insight
Substanz

Susanne Müller

Unter der Disco-Kugel und inmitten schriller Graffity-Wände waren die ersten Powerdays des German Council of Shopping Places (GCSP) in der Kulisse des ehemaligen Karstadt-Gebäudes – zurzeit Heimat des Concept-Stores lulu – in Mainz fast schon kultverdächtig. Zwei Tage lang gab‘s jede Menge Impulse rund um Fachmarktimmobilien und andere Handels-Assets.

Die ungewöhnliche Umgebung mit Rohbau-Charme vermittelte definitiv den Geist von Aufbruch. Rund 140 Teilnehmer fanden sich an beiden Tagen am Rhein zusammen, um ans Eingemachte zu gehen. Konzentriert, aber auch von viel Gelächter begleitet, lauschte das Auditorium den zahlreichen cleveren und teils sehr witzigen Fachvorträgen.

Chancen für Fachmarktzentren

Day One war der Fachmarktimmobilien-Konferenz vorbehalten, moderiert von Susanne Gehle, Geschäftsführerin Kaufland Immobilien Deutschland, und Christian Schröder, Managing Director MEC METRO-ECE Centermanagement. Den ersten Impuls des Tages gab Jörg Krechky (Savills). „Überschüssige Flächen müssen anders genutzt werden, Fachmarktzentren verlagern sich an die Peripherie“, sagte er. Der Markt sei auf einem Zinsplateau angekommen, und es brauche noch Zeit, bis sich die Preise angepasst hätten. Für 2024 prophezeite Krechky eine etwas bessere Lage, bei sinkender Inflation und positiver Zinsstabilität. Shopping Center zum Beispiel dürften auf bessere Frequenzen und Umsatzsteigerung hoffen – wenige Chancen sieht er allerdings für Core-Investoren, da sich Anlieger zurzeit sehr konservativ gäben. „75 Prozent der Flächen müssen in den nächsten Jahren angepackt werden, darunter auch fachmarktorientierte Objekte“, gab er dem Auditorium mit. „Reine Nahversorgung reicht in Zukunft nicht mehr aus – und dort liegen Chancen für Fachmarkt-Spezialisten. Stadtteilzentren werden in Zukunft Everybody‘s Darling.“

Spannendes Modell für Praxen

„Moderne Gesundheit für Alle“ lautete das Thema von Fabian Blank (Eterno Health). Der Gesundheitssektor wachse auch in Krisen stabil, allerdings mangele es an jungen Ärzten, die eine Praxis gründen möchten. Das Dienstleistungs-Modell von Eterno zeichnet sich durch Geräte-Sharing, Co-Working sowie modulare Systeme auf digitaler Ebene aus. Quasi All-in-one-Service für Mediziner, die sich so weder ums Management noch um Facility oder anderen Arbeitsaufwand kümmern müssen. In Mixed-Use-Objekten sicher ein interessantes Projekt.

Panel um Veränderungstreiber

Im ersten Panel des Tages mit Stefan Kaiser (DECATHLON), Manuela Gräber (PEPCO), Christian Schneider (REWE) sowie Fabian Blank ging es um Veränderungsdruck und -willen. Erkenntnisse aus dieser Runde: Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind extreme Game-Changer. Ob das der Nachhaltigkeitsmanager wie bei DECATHLON oder die Realisierung von Green Buildings wie bei REWE ist: Innovative Konzepte seien notwendig, zum Glück dächten Entwickler aber extrem positiv.

Neues zu Due Dilligence

Rechtsanwalt Joachim Kämpf (ECE) widmete sich der Verantwortung der Eigentümer und nannte gleich eine ganze Anzahl an Hürden wie Energierecht, wertbildende Faktoren, Lieferkettensorgfaltsgesetz und Photovoltaik. Auch das GEG für Heizungsanlagen sei schwere Koste, vor allem bei Bestandsimmobilien. Einheitliche Standards, Erleichterungen wie elektronische Signaturen bei Mietverträgen, staatliche Hilfen für Eigentümer bei Gasengpässen beispielsweise könnten die Lage entschärfen. Den Betreibern und Entwicklern empfahl er eine Risikobewertung 2.0 aus Expertenhand.

Mainz auf einem guten Weg

Manuela Matz, Wirtschaftsdezernentin der Stadt Mainz, beleuchtete die Rolle von Fachmärkten bei der Stadtentwicklung. Interne Lagen seien das Zukunftsmodell für den sehr erfolgreichen Betriebstypen. Trotz der guten wirtschaftlichen Bedingungen in und um Mainz sei es dennoch eine Herausforderung, die Leute in die Läden zu locken. Immer mehr Dienstleister zögen in der Folge in Einzelhandelslagen. Laut einer Online-Umfrage seien Fachmarktprodukte einer bestimmten Größe bei Kunden sehr gewünscht. Letztendlich bringe Fun Shopping die Menschen in die City – und da sei Mainz mit zahlreichen Aktionen, aktiver Wirtschaftspolitik wie Innenstadtmonitoring oder auch der Vernetzung der Akteure auf einem sehr guten Weg.

FMZ wandern in Citylagen ab

Konkret und praxisnah drehte sich ein weiteres Panel um die Fachmärkte der Zukunft. Neben Manuela Matz mit dabei: Thilo Wagner (VALUES Real Estate), der in der Bahn festsaß und per Technik live zugeschaltet wurde, sowie Olaf Petersen (cima), der kurzfristig für Thomas Kuhlmann (Hahn Gruppe) eingesprungen war. Der Standort von Fachmarktzentren müsse genau betrachtet werden, Trend sei, dass sich die Assetklasse zunehmend in Innenstädten ansiedle, eingebettet in große Agglomerationen mit guter Verkehrsanbindung. Entwickler und Betreiber sollten über den Tellerrand schauen, die Dinge weiter denken und strategisch planen in Richtung Mixed-use, so die Empfehlung.

Pioniergeist plus Expertenwissen

Matthias Mosig (TÜV SÜD Adimovo) gab einen Einblick in die Digitalisierung und ihren Reifegrad. Digitales Planen, Bauen und Betreiben seien oft noch Pilotprojekte. „Die Kunden wollen zuerst den Mehrwert erkennen und dann erst investieren“, merkte er an und lotete die Schwerpunkte Bedarfsentwicklung, Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel aus. Reinigungsroboter, Augmented Reality, digitale Zwillinge, Monitoring oder auch das Know-how der älteren Generation würden mehr Augenmerk verdienen. Organisatorische Hemmnisse seien aufzulösen, um die Effizienz zu steigern. Sein Credo: neuen Pioniergeist mit erfahrenem Expertenwissen kombinieren.

Mühevolle Technology

Ein entsprechendes Panel, moderiert von Uwe Seidel (Dr. Lademann & Partner), mit Matthias Mosig, Markus Mack (Nuveen Real Estate) und Jimenez Zabala (WISAG), zeigte auf, dass Technology und KI nicht mehr wegzudenken sind aus den Prozessen. Maßnahmen wie das Einlesen von Dokumenten, die Steuerung von Energieeffizienz oder – wie bei der WISAG – die Beteiligung an einem namhaften Roboterhersteller laufen längst in Unternehmensprozesse ein. Doch die Prozesse seien auch mühevoll – „es geht zu langsam voran“, so der Tenor.

Die Fachmarktkonferenz mündete in einen Rundgang durchs umgebaute Gutenberg Center mit Ankermieter Kaufland – ein Paradebeispiel für ein florierendes, gut durchkonstruiertes Fachmarktzentrum. Beim abendlichen Dinner in der Weinstube des Favorite Hotels gab’s jede Menge Gesprächsstoff.

Viel Bewegung im Asset Management

Der zweite Tag – die Asset-Management-Konferenz – startete mit der Einführung durch Jimenez Zabala („Angst vor Veränderung beginnt im Kopf – aber auch der Mut“), Tim Mayer (The Retail Agency – „Die Location zeigt eindrucksvoll den Übergang alten Einzelhandels in den New Retail“) sowie Kathrin Andres (ambas – „Wir befinden uns in einem Live-Transformations-Zentrum“).

Trends im Einzelhandel

Sandra Ludwig (JLL) betonte in ihrem Marktüberblick, dass Fachmarktprodukte und Nahversorgung zurzeit die Nase vorn haben und dass sich im Einzelhandel auf emotionaler sowie digitaler Ebene viel bewegt. Das Einzelhandelswachstum bis 2027 in Deutschland verordnete sie bei immerhin 1,7 Prozent: „Die Städte sind voll, auch aufgrund des wiederkehrenden Tourismus, der Umsatz steigt inflationsgetrieben – doch die Käufe gehen zurück.“ Das Fashion-Segment boome wieder und laufe F&B als Spitzenreiter den Rang ab. Als Trends im Einzelhandel benannte die Expertin die Connection von on- und offline, soziale Erlebnisse, multifunktionale Flächen, Well-Being, Digitalisierung sowie eine Rückkehr zu lokalen Konzepten als neuer Patriotismus.

Stranded Assets vermeiden

Patrik Lange (agradblue) erläuterte, wie sich Stranded Assets – also brach liegende Objekte ohne Verbesserungsmöglichkeiten – vermeiden lassen. Darunter kommerzielle Maßnahmen wie CO2-neutrale Energieversorgung und Green Contracts, aber auch technologische Entscheidungen im Sinne von Environment Asset Audits mit Energieberatern vor Ort. „Ab 2026 müssen auch die Mieter berichten – wer’s nicht macht, wird nicht überleben“, warnte er und verwies darauf, dass Fördermöglichkeiten zu wenig abgerufen würden.

Perspektive entscheidet

Henri Eisenkopf (Union Investment), Birger Ehrenberg (ENA-Experts) und Camille Dufleux (IntReal) kündigten im Panel spannende Zeiten auf dem Transaktionsmarkt an. Investoren seien im Wait-and-see-Modus und selektiv unterwegs – ein starker Fokus liege auf dem Einzelhandel, die Hälfte davon Nahversorger. Die Perspektive fürs jeweilige Objekt sei entscheidend für Behalt oder Verkauf. Trotz eigentlich stabiler Performance ständen die Bewertungen für Shopping Center stark unter Druck – da flössen 1:1 die Vermietungsergebnisse ein. ESG als Megatrend: „Bestraft wird derjenige, der nichts macht.“ In der Immobilienbrache herrsche zurzeit eine harte Auslese– „Stahlbad“ laut den Experten.

Erlebnis vs. Konsum

Mathias Ullrich (Liganova) referierte über Erlebnis-Hotspots und New Retail. „Welten zum Leben erwecken“, so sein Credo. Im Sinne von Concious Consumption seien die Kunden bereit, für Markenprodukte Geld auszugeben, sofern sie sich damit identifizieren könnten. Mittlerweile habe das Erlebnis der Rolex den Rang abgelaufen. Als Rise of modern Luxury eruiert er Selbstverwirklichung. Demzufolge müssten Retailer Schwerpunkte auf Kommunikation und Brand Storytelling setzen.

Best Practice to show

Peter Herrmann (Girlan) stellte per Slideshow eindrucksvoll die Entwicklung des LAGO am See in Konstanz dar – ein hybrides Center, das von internationalen Inspirationen beflügelt ist und mit vielfältiger Gastronomie, einem atmosphärischen Beleuchtungskonzept sowie künstlerischen Elementen punktet. Daniel Dalsasso (ECE) präsentierte als Center Manager des Stern Centers Lüdenscheid „I Like! Das Social Studio“ – ein Konzept, das mit zwölf spektakulären Foto-Spots Eventfläche für Social Media darstellt und bereits bei der Eröffnung 2000 Besucher innerhalb der ersten vier Stunden anzog.

Im abschließenden Panel enthüllte Tina Badrot (J. Molitor Immobilien) die Pläne für das Ex-Karstadt-Gebäude in Mainz – Ort der Tagung. Mehr dazu an anderer Stelle in diesem Magazin. Fabian Engelhorn (Engelhorn Gruppe) erklärte sein Konzept als zukünftiger Mieter der Immobilie. Auch dabei waren André Stromeyer (HBB) und Tim Koch (Tellerrad Consulting). Der Konsens: Markenerlebnisse zu schaffen, attraktive Vermischungen zu gestalten, gute Robotiklösungen gegen Engpässe zu eruieren und den Kunden vom Sofa ins Center zu holen, sind die anstehenden Aufgaben. Dem spannenden Tag schloss sich eine Mainz-Rallye an.

Verdient gewonnen

Teil des Events war die Verleihung des German Council Awards. Dieser für den Retail-Nachwuchs ausgerichtete Preis beschäftigte wegen zahlreicher Einsendungen eine hochkarätige Fachjury. Gewonnen haben Alana Kim Elsner mit Lina Spiewak (GC-NeXtGen und HBB) als Laudatorin für ihre Bachelorarbeit „Bedeutungsgewinn der kurzzeitigen Vermietung von Laden- und Mallflächen in einem Shopping Center“ sowie Christian Johann mit Laudator Leif Krägenau (Realkon) für seine Masterarbeit „Perspektiven von Shopping Centern in Not“.

Susanne Müller