»... für der Erfolg sind die Anwohner selbst verantwortlich«

Moritz Laufer
Moritz Laufer © Stefan Gatzke

Interview
Menschen

Susanne Osadnik

Moritz Laufer, Teamleiter Research der Cube Real Estate, der auch für den An- sowie Verkauf von Immobilien zuständig ist, über idealtypische Voraussetzungen für eine Quartiersentwicklung, den Wunsch vieler Städter nach mehr Miteinander der Generationen und darüber, dass Urban Gardening nicht jedermanns Geschmack ist
 

Herr Laufer, warum hat Cube Real Estate eine eigene Umfrage zur Quartiersentwicklung in Auftrag gegeben? Inzwischen gibt es doch schon zahlreiche ähnliche Erhebungen.
Moritz Laufer: Für uns war wichtig zu erfahren, welche Angebote eines Quartiers besonders geschätzt und angenommen werden. Der allgemeine Trend der »Verdorfung der Stadt« zeigt zwar schon den Weg, in welche Richtung sich Städte künftig entwickeln werden. Da geht es um Vielfalt und Raum für die unterschiedlichen Lebensphasen und Arbeitsweisen. Und es wird auch schon an quartiersbezogenen Lösungen für Synergien in den Bereichen Energieversorgung, Mobilität und Digitalisierung gearbeitet. Aber wir wissen noch zu wenig, wie die Menschen diese Angebote gewichten. Was ist für wen aus welchen Gründen wichtig oder weniger wichtig. Solche Informationen benötigen wir aber, und zwar so objektiv und wissenschaftlich wie möglich erhoben, um nicht am Bedarf vorbei zu bauen.

Die Menschen wollen gute Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr, schnell erreichbare Nahversorgungsangebote und möglichst viel Grün in der Stadt. Kann man das auch in sogenannten sozialen Brennpunkten umsetzen?
In erster Linie sind dort Politik und Stadtplanung gefragt. Das fängt schon damit an, ob die Ortspolitik die Ansiedlung von unterschiedlichen Nutzungen erlaubt, um zum Beispiel in reinen Wohnvierteln gemischte Nutzung und damit Wohnen und Arbeiten an einem Ort möglich zu machen. Generell ist das denkbar und es würde sicher die gesamte Struktur solcher Stadtteile verändern und damit auch zur sozialen Entspannung beitragen.

Eigentlich war das Leben im Quartier, das man früher mal Kiez genannt hat, das Normale. Ist der neue Trend nur ein Zurück-zu-den-Wurzeln?
In gewisser Weise schon. Eine Zeitlang hatte man die Quartiere aus dem Blick verloren. Es gab die reinen Wohnviertel, die reinen Bürostandorte. Das hatte einen ganz simplen Hintergrund: So konnte man baurechtliche Probleme vermeiden, die sonst automatisch mit gemischten Viertel einhergehen. Da hat man es sich vielleicht zu einfach gemacht. Inzwischen hat man aber erkannt, dass die Durchmischung der Stadtteile besser für alle Stadtbewohner ist. Die Gesellschaft hat sich enorm verändert und will einfach keine reinen Schlafstädte mehr und auch nicht in leblosen Bürokomplexen am Rande der Stadt arbeiten. Es hat seine Zeit gebraucht, bis aus dieser Erkenntnis auch Handeln wurde. Aber jetzt wird versucht, Urbanität durch Dichte zu erreichen. Schnelle kurze Wege zwischen Arbeit und Freizeitgestaltung, zwischen Schule und Familienleben sind den meisten Städtern heutzutage wichtig.

Welche Rolle spielt die Größe einer Stadt, um diese neuen Lebens- und Arbeitskonzepte umzusetzen?
Grundsätzlich müssen Städte eine gewisse Größe haben, um Quartierskonzepte zu etablieren. Damit gilt die grobe Richtung: 200.000 Einwohner plus. Weitere Voraussetzungen sind stetiger Zuzug und große Arbeitgeber in der Stadt. Damit kommen auch Universitätsstädte in Betracht, die aufgrund ihrer besonderen Bevölkerungsstruktur attraktiv sind und in denen das Wohnungsangebot knapp ist. Kleinere Städte wie Recklinghausen oder Wermelskirchen kommen für unser Unternehmen nicht in Betracht.

Gibt es idealtypische Voraussetzungen für eine Quartiersentwicklung?
Ideale Bedingungen herrschen immer dann, wenn man ein wenig genutztes Areal in innerstädtischer beziehungsweise zentraler Lage findet, dessen historischen Kern oder zumindest dessen ursprünglichen Charakter man mithilfe der Projektentwicklung wiederbeleben kann. Solche Voraussetzungen haben wir beispielsweise in Leverkusen-Opladen, wo ein brach liegendes Bahnausbesserungswerk revitalisiert wurde. Dort befindet sich nun unter anderem unser Unternehmenssitz und durch unsere Quartiersentwicklung Cube Factory 577 wird da nun Wohnen, Arbeiten und Gastronomie vereint.  

Welche Rolle spielt der Einzelhandel bei der Entwicklung neuer Quartiere?
Gewerblicher Einzelhandel bedeutet in erster Linie: Supermärkte, Dienstleister wie Friseure und Gastronomie. Textilketten werden sich durch den stetig wachsenden Online-Handel schwertun, sich in Quartieren niederzulassen. Aber möglich sind kleine Manufakturen mit lokalen Produktionen. Die kleine Käserei um die Ecke oder auch die Patisserie mit selbst gemachter Schokolade haben durchaus Zukunftspotenzial. Dem individuellen Einzelhandel bleibt genug Raum für Erfolgsgeschichten. Man denke nur an die kleinen Brauereien mit ihrem Craft-Bier, die es inzwischen in vielen Städten gibt.

Laut Ihrer Umfrage sprechen sich 93 Prozent der Befragten für Mehrgenerationenwohnen aus. Wie stellen Sie sich als Projektentwickler auf diesen Wunsch ein?
Die hohen Zustimmungswerte haben auch uns überrascht. Grundsätzlich haben wir das aber schon länger im Blick. In Köln-Kalk entwickeln wir zurzeit in der Kasernenstraße zu fast gleichen Teilen reguläre Geschosswohnungen, kompakte Wohnungen und Seniorenwohnungen – alles unter einem Dach. Neben den 163 Wohneinheiten umfasst das Quartier auch kleine Gewerbeflächen, unter anderem für einen Kiosk und eine Kindertagesstätte. Die Idee ist dabei auch, mithilfe einer Quartiers-App das Miteinander zu fördern. Darüber kann man um Nachbarschaftshilfe bitten oder zum Sommerfest einladen. Es gibt auch Gemeinschaftsräume, die man für alle möglichen Aktivitäten nutzen kann.

Woher wussten Sie, was die neuen Bewohner möchten und was nicht?
Wir haben sie gefragt. Beispielsweise wollten wir Urban Gardening ermöglichen. Für uns überraschend war die Resonanz auf diese Idee eher verhalten. Deshalb haben wir davon Abstand genommen. Was wir aber sicher sagen können: Das Mehrgenerationenwohnen verbinden die Mieter 60 plus mit der Chance auf Hilfestellung und Unterstützung genauso wie die jüngeren Bewohner – das sind eben nur andere Dinge. Wer 30 Jahre alt und beruflich viel unterwegs ist, hofft darauf, jemanden zu finden, der die Katze betreut, wenn er auf Dienstreise ist. Der Senior nebenan freut sich im Gegenzug, wenn der Jüngere ihm die Wasserkiste aus dem Keller holt. Manchmal funktioniert das Miteinander wirklich gut; manchmal werden die Erwartungen der Bewohner aber wieder gedämpft, weil sich das Ganze in der Praxis doch anders als in der Theorie gestaltet. Alles hängt vom Engagement und dem Willen der Bewohner ab, etwas Besonderes aus ihrem Quartier zu machen. Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen, für der Erfolg sind die Anwohner selbst verantwortlich.


Das Interview führte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion
Shopping Places* Magazine