Gelungene FuZos

Andreas Knie
Professor Dr. Andreas Knie. © David Ausserhofer

Interview
Resilienz

Susanne Müller

Städte tun sich oft schwer, autofreie Flanier­meilen zu installieren. Woran das liegt, erklärt Verkehrsforscher Professor Dr. Andreas Knie von der Technischen Universität Berlin. Und er weiß auch, wohin die Entwicklung geht.

Warum gibt es immer wieder Probleme mit verkehrsberuhigten Straßen – wie Klagen, Proteste oder abschlägige Gerichtsurteile?
Professor Dr. Andreas Knie: Schwierigkeiten treten zwar nicht überall auf, aber man hört in der Tat häufig davon. Denn die Straßenverkehrsordnung sieht autofreie Verkehrszüge eigentlich nicht vor. Möchte eine Kommune eine solche Zone einrichten, steht ihr ein langwieriger Prozess bevor, denn sie muss die Notwendigkeit ausweisen und begründen. Das heißt, sie muss entweder einen Unfallschwerpunkt nachweisen oder dem Straßenverkehr in einem aufwändigen Verfahren Flächen entziehen. Daraus können dann auch abschlägige Gerichtsurteile resultieren.


Trägt eine verkehrsberuhigte Zone zu Belebung der City und höheren Umsätzen bei anliegenden Geschäften bei, oder sinkt die Attraktivität, wenn Autos verbannt und Parkmöglichkeiten beseitigt werden?
Vor dem Hintergrund der neuen Bestelloptionen des Online-Handels zählen für stationäre Händler mittlerweile andere Werte. Ausgehen, Erlebnis-Shopping, eine schöne Umgebung sind die Attraktionen, die Menschen heutzutage in die Stadt locken. Doch der Einzelhandel hat oft unterschiedliche Interessen und zieht nicht an einem Strang. Die einen wünschen sich mehr Aufenthaltsqualität, andere Händler hätten die Parkplätze für Mitarbeiter am liebsten direkt vor der Haustür. Es ist aber nachgewiesen, dass bei weniger Autoverkehr in den Städte die Umsätze steigen – so lautet die Faustformel. Untersuchungen beispielsweise in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz haben das bestätigt. In Randlagen hingegen, wo keine Urbanität herrscht, machen Fußgängerzonen wenig Sinn.


Welche Faktoren sollten Entwickler bei der Planung berücksichtigen?
Dass sie die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung beachten müssen, wissen die Planer. Allerdings sollten sie größer denken und von vorneherein großflächige Gebiete ausweisen. Zudem ist es wichtig, auf Vielfalt zu achten. Ein harmonisches Konzept für Fußgänger und Radfahrer gewährleistet den Erfolg einer autofreien Zone. Clever ist, langsam fahrenden Kfz die Zufahrt zu gewähren: Wenn zum Beispiel ein Kunde etwas Schweres einkauft, sollte er die Möglichkeit haben, das Produkt problemlos in den Kofferraum laden zu können. Und auch der Lieferverkehr muss selbstverständlich Zufahrtsmöglichkeiten haben.


Gibt es gelungene Praxisbeispiele?
Oh ja, doch der Großteil liegt im europäischen Ausland. Antwerpen, Brüssel, Gent, Wien, Kopenhagen oder Amsterdam beispielsweise haben verkehrsberuhigte Innenstadtbereiche hervorragend umgesetzt. Deutschland hingegen hinkt hinterher – weil wir im Grunde unseres Herzens alle Auto-Lobbyisten sind und bei jedem Fahrradbügel Angst haben, die Autoindustrie zu gefährden. Das ist jedoch unberechtigt, denn der tun autofreie Zonen nicht weh. Im Gegenteil – die Umsätze steigen, die Wirtschaft wird angekurbelt, und das bringt auch der Autoindustrie Gewinne.


Geht die Entwicklung vor dem Hintergrund der Energiewende nicht eher ins Gegenteil – dass Autos aus den Innenstädten verbannt werden?
Natürlich herrscht mittlerweile viel mehr Dynamik. Mit einem Autoreduktionsprogramm wurden zweifelsohne schon Wahlen gewonnen. Denn Pkw sollen ja nicht komplett abgeschafft werden – nur weniger eingesetzt. Städte wie Tübingen und Freiburg zeigen, dass es funktioniert.


Wie sieht in punkto Mobilität die Stadt der Zukunft aus?
Unsere Metropolen werden sich zu Ein-Stunden-Städten entwickeln, in denen alle Aspekte des Lebens – Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Vergnügen – zusammenfließen und nah beieinander liegen. Sämtliche Ziele sind dann binnen kurzer Zeit per Rad, zu Fuß, mit Bus oder U-Bahn erreichbar. Autos werden nur noch für längere Touren benötigt.

Das Interview führte
Susanne Müller