Gen Z mischt die Cities auf

Die Gen Z hat andere Werte und Ansprüche und gibt jetzt das Tempo der Stadtgestaltung vor. © Depositphotos / Artur Verkhovetskiy

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Susanne Müller

Das Betriebssystem Stadt wird neu aufgestellt, sagt Zukunftsforscher Andreas Reiter, Keynote-Speaker beim Handelsimmobilienkongress in Berlin. Der Gründer des ZTB Zukunftsbüros in Wien gibt Inspiration und Anregung für die Städte von morgen. Was jetzt schon wichtig ist und immer mehr an Bedeutung gewinnt, sind die Ansprüche der jungen Generation.

Zukunftsforscher Andreas Reiter erläutert: „Im Evolutionsprozess der Cities müssen wir zum einen den äußeren Rahmen – also die Stadtentwicklung – betrachten. Größter Treiber ist hier die Twin Transition, also das Zusammendenken von Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Noch exakter beschreiben diesen Wandel die so genannten drei D: Digitalisierung, Dekarbonisierung, demografischer Wandel“. Aber auch der innere Bereich der Cities sei vom Wandel ist betroffen. „Spätestens seit Corona sind beispielsweise Home Office und Smart Work auf dem Vormarsch. Die Menschen fahren heute nicht mehr um Punkt acht oder neun Uhr zum Arbeiten in die Stadt und bleiben dort bis zum Abend. Mittlerweile sind die Ströme fragmentierter.“

Switch zur Smart City

Zurzeit erfolge der Switch von der statischen Innenstadt hin zur Smart City mit Blick auf eine effektive Kreislaufwirtschaft. „Digitalisierung bringt Kleinteiligkeit mit sich“, so Andreas Reiter. „Der Trend geht zur 15-Minuten-Stadt, in der Fußläufigkeit oder  die schnelle Erreichbarkeit aller Ziele per Rad oder ÖPNV eine große Rollen spielen, oder auch hin zu urbanen Dörfern mit gelebter Nachbarschaft, ökologischer Zukunftsfähigkeit und durchdachter Architektur.“ Letztendlich diene Stadtumbau der Lebensqualität der Bewohner:  „Und deshalb brauchen wir ein neues Quartiersdenken.“

Gen Z hat anderes Verständnis

Dass Stadtplaner und Entwickler umdenken müssen, ist hauptsächlich dem geänderten Konsumverhalten der Verbraucher geschuldet. „Die Gen Z hat ein völlig anderes Verständnis als ältere Bevölkerungsschichten, und dieses bleibt ein Leben lang bestehen“, legt Andreas Reiter dar. „Die wenigsten jungen Leute kommen ausschließlich zum Shoppen in die City, legen zudem großen Wert auf Nachhaltigkeit. Von daher müssen sich Planer Gedanken machen, wie sie diesen Anforderungen gerecht werden können.“

Nachbarschaft enorm wichtig

Klassische Shopping Center und Einkaufsstraßen sind auf dem Rückzug – das seit 60 Jahren bekannte Modell zieht nicht mehr. Vor allem der E-Commerce hat diese Entwicklung ausgelöst und treibt sie stetig voran. „Alle städtischen Akteure leben im selben Ökosystem, das erfordert eine neue kollaborative Haltung“, stellt Reiter klar. „Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass jeder Planer oder Betreiber für sich selbst entwirft und handelt. Denn die Nachbarschaft ist für den Wert einer jeden Stadtimmobilie enorm wichtig und sollte unbedingt einbezogen werden. Gemeinsam etwas Neues zu entwickeln, lautet das Gebot der Stunde. Gelungene Transformation funktioniert nur, wenn Stadtgesellschaft und Verwaltung zusammenwirken.“ Dies sei ein evolutionärer Prozess ohne Anfangs- und Endpunkt.

Multicodierte Konzepte angesagt

Für Handelsimmobilien gilt: „Sie müssen auf die neuen Werte setzen, sollten sich beispielsweise an Hochfrequenz­orten oder Knotenpunkten wie Bahnhöfen ansiedeln, wo das möglich ist. Ladesäulen für E-Bikes, Pickup-Stationen, innovative Shops darum herum mit Reparaturwerkstätten und ähnlichen Formaten – derartige Elemente kommen den jungen, urbanen Bürgern entgegen. Neu gebaute Einkaufszentren verfügen fast alle über Hotels oder begehbare Grünflächen. Das Luxussegment punktet mit Concept Stores. Kurzum: Multicodierte Konzepte sind angesagt.“

Kleinere und mittelgroße Städte um die 30.000 Einwohner tun sich mit der Transformation übrigens leichter als die Metropolen – eben weil sie sich nicht in deren Sog befinden. „Sie sind Attraktoren für die gesamte Umgebung“, so Andreas Reiter. „Doch jeder Standort ist halt anders, daher kann niemand ein Patentrezept liefern.“

Siegeszug des Refurbishments

Verantwortliche sind gut beraten, die Bedürfnisse der Zielgruppen zu eruieren und ihre Pläne entsprechend anzupassen. „Der Einzelhandel ist zukünftig nicht mehr nur ein Ort zum Kaufen“, beschreibt Andreas Reiter. „IKEA macht’s vor: Dort lassen sich bald auch Dinge reparieren. Refurbish-Shops sind sehr gefragt. Vor zehn Jahren haben Konsumenten sofort neue Waren gekauft, wenn etwas beschädigt war. Doch das Wertschöpfungsmodell ist inzwischen stark im Kommen. Das Verschmelzen solcher jungen Werte mit herkömmlichem Handel ist enorm wichtig, um in Zukunft erfolgreich zu performen. Zudem üben Betreiber und Retailer, die diese Aspekte berücksichtigen, einen positiven Impact auf die Gesellschaft aus. Achtsamkeit und Nachhaltigkeit steht Unternehmen gut zu Gesicht.“

Susanne Müller