Grundversorgung sichergestellt

Land- und Forstwirtschaft
Land- und Forstwirtschaft ist unverzichtbar für mehr Nachhaltigkeit. © Syntetic Dreams - stock.adobe.com

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Substanz

Susanne Müller

Wer im gut sortierten Supermarkt Äpfel vom Bauern kauft oder frische Rindersteaks aus der Nachbarschaft, hat meist keinen blassen Schimmer, welchen Aufwand die Landwirtschaft betreibt, um unsere Grundversorgung sicherzustellen. Damit steht die Agrarbranche für Substanz wie kaum eine andere. Ein Gespräch mit Gerald Dohme vom Deutschen Bauernverband (DBV) über moderne Bewirtschaftung und Klimaschutz.

Die Vereinigung agiert nach dem Leitbild „Ernährung sichern, Artenvielfalt erhalten, Klima schützen“ – und das ist für deutsche Landwirte keineswegs ein Lippenbekenntnis, sondern vielmehr Herzensangelegenheit. Dafür investieren sie in ihre Höfe – wo immer möglich – hohe Summen oder nutzen findige Sharing-Modelle. Und dennoch sehen sie sich oft mit unrealistischen Erwartungen seitens der Verbraucher konfrontiert. Die urbane Gesellschaft, meint Gerald Dohme, fordere zwar lautstark Nachhaltigkeit, führe selbst aber oft ein eher unnatürliches Leben mit wenig Bezug zu Wald und Feld. Die Landwirtschaft werde daher missbraucht, um das eigene Gewissen zu beruhigen.

Fokus auf Regionales richten

Befragungen in Supermärkten hätten ergeben, dass Kunden zwar Wert auf Klimaschutz und Tierwohl legen, am Ende aber doch der Preis zähle und die Leute unterm Strich nicht bereit seien, dafür mehr Geld auszugeben. „Nehmt euch selbst einmal ernst und handelt entsprechend“, appelliert Dohme. „Wer regionale und saisonale Produkte bevorzugt und an Weihnachten auf die importierten Erdbeeren zum Vanilleeis verzichtet, schützt definitiv die Umwelt.“ Oder das Thema Frühkartoffeln: „Wir hatten zuletzt einen großen Streit mit dem Handel, da die Erdäpfel oftmals zu Saisonbeginn aus Ägypten importiert werden und unsere regionalen Erzeuger im Handel das Nachsehen haben.“ Umdenken, sollte also die Devise heißen: „Das Gute an regionaler Produktion ist ja nicht zuletzt, dass die Waren nicht durch die halbe Welt transportiert werden müssen.“

Mehr Wertschätzung gewünscht

„Als Versorger leisten wir einen erheblichen Beitrag zur Ernährungssicherheit und zur Verlässlichkeit auf hochwertige Rohstoffe wie Zucker, Getreide und Milchprodukte. Was wir uns wünschen, ist, dass sich diese Fakten in der Gesellschaft verankern, verknüpft mit der entsprechenden Wertschätzung  und -schöpfung“, betont Gerald Dohme. Und er ist sicher: „Den meisten Menschen ist überhaupt nicht klar, was wir Land- und Forstwirte in Form modernster Technik überhaupt machen. Der Deutsche Bauernverband vertritt dabei alle Ebenen – nicht nur unsere Betriebe, sondern den gesamten ländlichen Raum in dem Bewusstsein, dass Landwirtschaft auch dem Erhalt der Kulturlandschaften dient.“ Und er nennt ein Bespiel für die Zusammenhänge: „Wo Milchbauern keine Almen mehr bewirtschaften, da gibt’s auch bald keinen Tourismus mehr!“

Wetterkapriolen nehmen zu

Dass die Land- und Forstwirtschaft voll auf der Höhe der Zeit ist, zeigt sich daran, dass sie sich als Manager des Klimawandels versteht. „Wetterkapriolen gab’s schon immer, doch in den letzten Dürrejahren ist regional flächendeckend die Wasserversorgung der Pflanzen zum Erliegen gekommen. Erhebliche Ernteeinbußen waren die Folge. Dies führt auch zu Veränderungen in der Struktur der Kulturen, und zwar europaweit. Mit moderner Technik und entsprechenden Anbaumethoden versuchen wir daher, das Klima weiter zu schützen, und wir arbeiten daran, den Boden noch besser zu verstehen.“

Allerneueste Techniken

Verblüffend, mit welchen Mitteln Land- und Forstwirte heutzutage arbeiten, um den Humusgehalt im Erdreich zu erhöhen. „Monitoring und auch Satellitenbilder helfen uns, unter Berücksichtigung von Wetter- und Windeinflüssen den optimalen Zeitpunkt für die Aussaat zu bestimmen und unsere Feldbestände bis zur Ernte optimal zu pflegen“, berichtet Gerald Dohme. „Dabei gibt es auch keinen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Wirtschaftsweisen wie organisch, biologisch oder integriert.“

Von wegen dumme Bauern!

Sämtliche Narrative vom „dümmlichen“ Bauern in Latzhose und Strohhut, befeuert durch einschlägige TV-Formate, treffen also längst nicht mehr zu – falls derartige Klischees überhaupt jemals ihre Berechtigung hatten. „Unsere modernen Betriebe sind äußerst nachhaltig. Die Höfe werden über Generationen in ordentlichem Zustand den Nachfolgern übergeben oder möglichst noch verbessert“, stellt Gerald Dohme klar.

Clevere Sharing-Modelle

Können sich kleinere Höfe hohe Investitionen überhaupt leisten? „Dafür gibt es moderne Formen der Zusammenarbeit. Sicher besitzen die meisten Betriebe moderne Maschinen für den Ackerbau, die einzelbetrieblich finanziert sind, auch um entsprechend flexibel zu sein. Doch es gibt auch unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit zwischen den Betrieben, zum Beispiel in Maschinengemeinschaften, und der Landwirt hat zudem die Möglichkeit, auf Lohnunternehmen oder  Maschinenringe zurückzugreifen, die Arbeitsgerät verleihen. Dreschen zum Beispiel wird oft ausgelagert.“

GSP-Technik zum Aussäen

Wie innovativ die Prozesse mittlerweile ablaufen, ist erstaunlich. So existiert die Möglichkeit, den Stickstoffgehalt von Pflanzen anhand der Blattfarbe zu ermitteln – eben an den unterschiedlichen Grüntönen. „Da kommen allerneueste GPS-Technik und Präzisionslandwirtschaft ins Spiel“, erläutert Gerald Dohme. „Bei Einzelpflanzensaaten, zum Beispiel Zuckerrüben, kann der Standort jeder einzelnen Pflanze per GPS gespeichert werden. Und mehr noch: Dieses Verfahren erleichtert später die Unkrautbekämpfung, da ja gespeichert ist, wo sich genau die Rüben befinden – alles, was dort nicht hingehört, wird in den nächsten Arbeitsschritten mechanisch entfernt, die Handhacke somit größtenteils ersetzt. Die Abläufe funktionieren auch unbemannt und mit Solarbeitrieb.“ Echte Hochtechnologie sei das: „Smart Farming ist in dieser Hinsicht dem Automotive-Sektor weit überlegen.“

Landwirte sind Unternehmer

Gerald Dohme hofft auf ein besseres Verständnis. „Die anklagende Sicht auf den Berufstand in einigen Teilen der Gesellschaft ist unerträglich. So werden die Bauern mitunter sogar als Umweltverschmutzer und Tierquäler apostrophiert. Landwirtskinder müssen in der Schule Mobbing ertragen. Diese Narrative und Bilder müssen dringend raus aus den Köpfen! Der moderne Landwirt ist ein versierter Unternehmer in unterschiedlich großen Betriebsdimensionen.“ Er selbst betreibt einen kleinen Land- und Forstwirtschaftsbetrieb im Nebenerwerb, von seinen Großeltern übernommen. „Selbst Hand anzulegen, zuzuschauen, wie auf dem Acker alles wächst und gedeiht, die Natur zu verstehen und Impulse in der Praxis zu geben – das ist meine Leidenschaft“, so Gerald Dohme, der seit neuestem davon träumt, Sonnenblumen für die Ölgewinnung anzubauen. „Auch im Wald leisten wir einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Aber nur, wenn wir das Holz auch nutzen, um Möbel und Dachstühle zu bauen. Dann binden wir CO2 langfristig. Vor dem Hintergrund der wachsenden Herausforderungen für die Menschheit und die Welt, in der wir leben, sind die Land- und Forstwirtschaft der wesentliche Teil der Lösung.“

Susanne Müller