Handelsimmobilien benötigen beständige Pflege

Aktuelles
Um den Einzelhandel der Zukunft – auch vor dem Hintergrund des starken Onlinehandels - ging’s in dieser Woche bei einer Präsentation von RÜCKERCONSULT.
Professor Dr. Thomas Beyerle, Managing Director von Catella Property Valuation GmbH, gab zunächst einen Marktüberblick. Die Volkswirtschaft befinde sich in Turbulenzen, das Negativwachstum sei aber trotzdem rückläufig. „Der Konsum zeigt sich robust“, stellte er fest. „Das bedeutet weder gut noch schlecht, sondern eben genau das. Verbraucher rechnen mehr für Lebensmittel ein und weniger für größere Ausgaben wie Möbel. Sie schränken sich ein, verzichten aber dennoch nicht auf Urlaub.“ Investitionen würden in die Zukunft geschoben: „Im Einzelhandel hat das noch mehr Sale-Aktionen zur Folge.“
Markt sucht nach Orientierung
Der Transaktionsmarkt Einzelhandel suche derzeit nach Orientierung, so Dr. Beyerle – bei den Volumina sei schon vor der Pandemie, um 2017, der Nullpunkt erreicht gewesen. „Die Assetklasse Retail ist immer noch stabil, hat aber unter dem Online-Shopping zu leiden.“ In punkto Shopping Center beispielsweise sieht er den Jahreswert in 2024 unter das Vier-Milliarden-Euro-Volumen rutschen.
Der Kapitalmarkt warte auf Neueinpreisung der Zinsentwicklung, sagte Dr. Bayerle. „Monetäre Mittel sind verfügbar, doch Investoren neigen derzeit eher zum Abwarten.“ Durch den gehemmten Transaktionsmarkt steigen wiederum die Renditen. Bei den Mieten sei in den innerstädtischen Top-Lagen ein leichter Anstieg zu verzeichnen, so der Experte. Im hochpreisigen Segment habe der stationäre Einzelhandel Vorteile gegenüber dem E-Commerce. Er gibt sich überzeugt: „Ganz neue Einzelhandelslandschaften werden sich entwickeln, die im Vergleich auch attraktiver sind. Mixed-use-Konzepte sprudeln aktuell geradezu über.“
Verlagerung in die Vororte
Catella hat festgestellt, dass das Homeoffive Einfluss auf die Einzelhandelsumsätze hat. Dr. Beyerle: „Die Menschen verweilen vermehrt in den Vororten und klopfen entsprechend das dortige Angebot ab, statt in den großen Lagen wie beispielsweise der Frankfurter Zeil zu shoppen.“ Den Shopping Centern stehen in den kommenden Jahren wohl weitere Veränderungen ins Haus, im Sinne von einem Plus an Gastro- und Eventflächen. Als Ausblick fürs zweite Halbjahr 2023 zieht Dr. Beyerle folgende Bilanz: „Die Rendite geht rauf, Kaufpreis, Mieten und Neubauaktivitäten sinken.“
Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment bei Hauck Aufhäuser Lampe, arbeitete einige Trends heraus. Sein Unternehmen legt den Fokus auf Lebensmitteleinzelhandels-Fonds, da diese Assetklasse etliche Vorteile bietet. So stellen derartige Objekte die Grundversorgung sicher – binnen etwa zehn Minuten erreicht nahezu jeder einen entsprechenden Markt. Der Onlinehandel rangiere in diesem Segment eher untergeordnet, stattdessen verfügten die Mieter über exzellente Bonitäten und seien sehr expansiv unterwegs. Hinzu kommen ein starkes Umsatzwachstum, langfristige Mietverträge sowie Standortsicherheit durch restriktives Baurecht. Last but not least sind Lebensmittler unabhängig von der Konjunktur und systemrelevant.
Bestehende Flächen optimieren
Handel sei im Wandel begriffen, so Patrick Brinker: „Das Trading-up der Discounter ist ein großes Thema. Aufenthaltsqualität und Einkaufserlebnis werden immer wichtiger. Zudem wächst der Außer-Haus-Markt. Auf dem Vormarsch sind ferner kleinteilige Flächen, gerne an Verkehrsknotenpunkten.“ Hauck Aufhäuser Lampe bevorzugt die Expansion auf bestehenden Flächen dem Neubau, um laufende Mietverträge zu optimieren und ESG-Projekte umzusetzen. „Letzteres ist kein Selbstzweck, sondern bringt echten Mehrwert“, betont Brinker. „Dabei geht’s unter anderem um Dachdämmung, PV-Anlagen und E-Ladesäulen. Zum Schluss wird im BIM-Modell alles digitalisiert, jedes Bauteil mit eigenem QR-Code versehen.“
Ins gleiche Horn blies auch Falk Herrmann, Geschäftsführer bei Retaylor, einem Joint Venture von HIH Real Estate und Kaleido Immobilien. „Einzelhandelsimmobilien benötigen beständige Pflege“, machte er deutlich. „Der Sektor hat sich extrem dynamisch entwickelt und dauerhaft verändert. Daher ist stetige Anpassung der Konzeptionen erforderlich.“ Der Druck habe sich die E-Commerce und ESG-Anforderungen massiv erhöht, daher sei eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Objekt sowie dessen Nutzern vonnöten, um Leerstände und nicht tragbare Gebäudezustände zu vermeiden. „Wir müssen frühzeitig reagieren, und zwar bevor die Immobilie zum Problem wird“, mahnte er.