Handelsimmobilien retten

Neue Höfe Herne
Neue Höfe Herne: Die Landmarken AG gibt dort ein gelungenes Beispiel für Umnutzung. © Landmarken AG

Handel und Immobilien
Resilienz

Susanne Müller

Shopping Center, Waren- und Geschäftshäuser: Klassische Handelsimmobilien stehen durch die Digitalisierung und den wachsenden Online-Handel unter extremem Druck. Hinzu kommen die steigenden ESG-Anforderungen. Ist Transformation die Lösung, um die Gebäude zu retten, bevor der Abrissbagger anwalzt? Union Investment und bulwiengesa haben vor diesem Hintergrund in einer gemeinsamen Studie das Thema beleuchtet.

Nahezu alle Assetklassen haben demzufolge Potenzial zur Umwandlung. Der Begriff Transaktionsimmobilien meint eine umfassende funktionale und bauliche Umgestaltung, die es ermöglicht, ein Objekt– als Alternative zu Abriss und Neubau – für eine oder häufig auch mehrere neue Nutzungsarten zu erschließen. Mixed-Use lautet die Parole.

Prägnante Beispiele von Transformationsimmobilien in Deutschland sind vor allem Warenhäuser. Zu diesen Gebäudekategorien gibt es bereits eine Vielzahl von Veröffentlichungen und umgesetzten Projekten. Unter dem Oberbegriff der Transformationsimmobilie findet sich eine bemerkenswert heterogene Gruppe von Bestandsimmobilien – vom ehemaligen Warenhaus über eine denkmalgeschützte Klinik bis hin zum ehemaligen Bürogebäude, das nun als Hotel mit Gastronomie- und Freizeitbausteinen genutzt wird. Prägnante Beispiele von Transformationsimmobilien in Deutschland sind vor allem Warenhäuser. Zu diesen Gebäudekategorien gibt es bereits eine Vielzahl von Veröffentlichungen und umgesetzten Projekten.

Anpassung an den Markt

Ihnen allen ist gemein, dass eine Anpassung an den Markt durch eine mehr oder weniger fundamentale Änderung der Nutzung, häufig durch Erweiterung des Nutzungsspektrums zur Mixed-Use-Immobilie, erfolgt ist. Und zweitens, dass in der Abwägung gegenüber Abriss und Neubau ein grundlegender Umbau und gegebenenfalls eine Erweiterung der Bestandsimmobilie gewählt wurde. Im Gegensatz zu den aktuell ebenfalls vielbesprochenen Quartieren ist der Fokus dabei kleinteiliger und liegt in der Regel auf dem Grundstück mit einem oder wenigen Gebäuden anstatt auf mehreren Grundstücken und einer Vielzahl von Gebäuden.

Planen mit den Megatrends

Zwölf Megatrends prägen zurzeit die Handlungsprozesse im Umgang mit der Transformationsimmobilie: Gender Shift, Gesundheit, Globalisierung, Konnektivität, Individualisierung, Mobilität, New Work, Neo-Ökologie, Sicherheit, Urbanisierung, Silver Society und Wissenskultur. Kurzum: Das Klientel will fein ausgeklügelt werden. Vom Fitness-Trend über Co-Working-Spaces bis hin zu  Nachhaltigkeitseffekten müssen Planer ihre Projekte gründlich durchdenken.

Dreidimensionale Taktik

Vor diesem Hintergrund kann dann die bauliche Transformation erfolgen. Umfeld und Standort spielen dabei ebenfalls eine Rolle: Beispielsweise lässt sich die architektonische Prägung der Umgebung für eine neue Nutzung als historisch-emotionales Branding nutzen. Last but not least das Steakholdmanagement: Eine Kommunikationsstrategie sollte frühzeitig erfolgen. Diese dreidimensionale Taktik kann  laut Studie bei einer Transformation als Alternative zu Abriss und Neubau zum Erfolg führen.

Meiste Transformationen in A-Städten

Viel wird schon getan. 209 der insgesamt aktuell 408 Transformationsimmobilien finden sich in den sieben A-Städten, die damit im Städtevergleich klar dominieren. Aufgeteilt nach dem Status „fertiggestellt“ vs. „in Bau“ sind 305 Transformationsimmobilien bereits im Kasten und 103 in der Fertigung. Der Anteil der aktuell in Bau befindlichen Objekte beträgt über alle Städtekategorien hinweg rund 25 Prozent. Die dominierenden Nutzungsarten sind übrigens Wohnen und Büro mit 30 beziehungsweise 27 Prozent der gesamten Nutzflächen. Aufgeteilt nach den Stadtkategorien ist erkennbar, dass aufgrund der Vielzahl an Transformationsimmobilien auch bei der Flächenverteilung die A-Städte mit insgesamt rund 1,78 Millionen Euro Nutzfläche herausstechen. Damit stehen sie für 56 Prozent aller in Transformationsimmobilien errichteten Flächen.

Schritt Eins: die Bestandsanalyse

Entwickler, die eine Transaktion anstreben sollten zunächst eine umfassende Bestandanalyse durchführen- und das sehr zeitig. Angesagt ist, die bauliche Situation vor Ort und entsprechende Planunterlagen und Dokumentationen zu analysieren und zu verstehen und mögliche Show-Stopper zu identifizieren. Dazu zählen die Situation des Baugrunds, die Baumaterialien und mögliche Gebäudeschadstoffe, Gebäudestatik und Traglasten, Grundrisse, Deckenhöhen, Versorgung mit Tageslicht, Haustechnik, Brandschutz und Fluchtwege, Zuwegung und Stellplätze, Denkmalschutz sowie  angrenzende Gebäude.

Schritt Zwei: das Nutzungskonzept

Das Nutzungskonzept sollte möglichst flexibel und drittverwendbar ausgerichtet sein, sodass auch andere Nutzungen ohne größere Umbauten untergebracht werden können. Eine Markt- und Standortanalyse zur Identifikation des  Bedarfs und der Zielgruppen ist unerlässlich. Mehrere Varianten in Bezug auf potenziell errichtbare Flächen sollten geprüft werden. Erkennen und Abwägung von Zielkonflikten, die Schaffung partizipativer Räume für die Nutzer und an der Schnittstelle zum Stadtraum, Einbindung auch immobilienwirtschaftlich ertragsschwacher Nutzungen wie  Kunst und Kultur sowie modulare Bauweise, die zukünftige Anpassungen ermöglicht, sollten Entwickler im Blick behalten.

Schritt Drei: Baukosten, Baurecht, ESG

Bei der Baukostenkalkulation ist ein Puffer wichtig – rund 20 Prozent mehr sollten Entwickler für Unvorhergesehenes einkalkulieren. Wichtig ist auch, mögliche Förderinstrumente zu identifizieren. Beim Baurecht gilt die Prämisse „Mutig sein“. Das bedeutet konkret, bei Politik und Ämtern entsprechende Anpassungen und Änderungswünsche zu formulieren und einzufordern. Und ganz wichtig heutzutage; eine Zertifizierung im Sinne von ESG anzufordern. Denn bei Investoren gewinnen diese stark an Bedeutung.

Best-Practice-Beispiele

Ein Beispiel für gelungene Umnutzung sind unter anderem die Neuen Höfe Herne, ein ehemaliges Warenhaus, das die Landmarken AG in eine multifunktionale Immobilie mit einer Mischnutzung aus Büro, Einzelhandel, Gastronomie, Fitness und Dienstleistung umwandelt. Oder Galeria Kaufhof in Worms: Unter Regie von ehret+klein entsteht dort ein Mix aus Wohnen, Gewerbe, Einzelhandel und Kultur. Oder auch Kintyre: Das Unternehmen realisiert im Berliner Ringcenter einen Drittelmix aus flexiblen Prime-Office-Flächen, Arealen  für Gesundheit und Fitness, Nahversorgung, Gastronomie und personenbezogenen Dienstleistungen.

Hauptziele der Transformation

In einer Folgebefragung benannte das Gros der Befragten ein zukunftsfähiges Nutzungskonzept als Hauptziel für eine Transformation innerstädtischer Bestandsobjekte in A- und B-Städten. Ein großer Teil der Immobilien weist nach dem Umbau ein Mixed-Use-Konzept auf. Ertragssicherheit und Wert der Immobilie folgten mit etwas Abstand: Hieran zeigt sich, dass der wirtschaftliche Aspekt einer Transformation absolut zentral ist. Weitere Ziele sind die Reduzierung von CO2-Emissionen für den gesamten weiteren Lebenszyklus der Transformationsimmobilie sowie das Bestreben, einen Beitrag zur städtebaulichen oder architektonischen Umgebung zu leisten. „Einbettung in die lokale Community“ und „Impulse aus der Nachbarschaft aufnehmen und umsetzen“ wurden ebenso angeführt, rangierten aber eher im unteren Bereich. „Baukosten minimal halten“ und „möglichst schnelle Umsetzung“ sind beide jeweils im Mittelfeld angesiedelt. Ebenfalls auf dem Schirm hatten die Befragten die Ziele „Bestandsmieter in die transformierte Immobilie zu überführen“ und „Im Erdgeschoss bewusst frequenzstarke Nutzer ansiedeln“. Letzteres lag überraschend nur an zwölfter Stelle: Aus städtebaulicher und funktionaler Sicht übernimmt das Erdgeschoss eine wichtige Scharnierfunktion zwischen dem öffentlich zugänglichen Raum und den Obergeschosslagen ein und bietet speziell für Transformationsimmobilien eigentlich eine Chance, zu einem zukunftsfähigen Nutzungskonzept einen wesentlichen Beitrag zu leisten.

Susanne Müller