Haptik hilft dem stationären Handel über schwere Zeiten

Aengevelt Research sieht für den stationären Einzelhandel eine Wende. © Pixabay / Michael Gaida

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Nach Analysen von Aengevelt Research haben Inflation, gestiegene Zinsen und gesamtwirtschaftliche Unsicherheiten dazu geführt, dass die Zahl der Transaktionen auf breiter Front gesunken ist. Dabei ist die Lage wohl besser als die Stimmung. In Bezug auf den gesamten Einzelhandel sieht Aengevelt Research deutliche Erholungstendenzen. Und für den in der Vergangenheit stark gebeutelten stationären Einzelhandel gibt es hinsichtlich eines jahrzehntelangen Trends erstmals sogar eine Wende.

Nach dem Ende der Corona-Lockdowns kam es im ersten Halbjahr 2022 nicht nur zu einer Normalisierung, sondern sogar zu Nachholeffekten im stationären Einzelhandel – bevor die Energiepreisexplosion für neue Unsicherheiten und Kaufzurückhaltung sorgte. Allerdings schafften auch die Dezemberhilfe, die Energiepreisbremsen und die Preisrückgänge für Erdgas und Erdöl an den Weltmärkten Entlastungen. Das Gesamtjahr 2022 verlief für den stationären Einzelhandel in Deutschland besser als erwartet: Ein Nettoumsatz von 546,9 Milliarden Euro wurde erreicht, was einem nominalen Plus von 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und einem realen Zuwachs von immerhin noch 0,9 Prozent entspricht. Das ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil der stationäre Einzelhandel damit zum ersten Mal gegenüber dem Online-Handel Boden gutmachen konnte. Der stationäre Einzelhandel mit seinem besonderen Einkaufserlebnis, mit seinen sensorischen Möglichkeiten, Waren zu sehen, zu fühlen, zu hören, zu riechen und zu schmecken, bleibt damit attraktiv.

Parameter besser als ihr Ruf

Das Konsumklima, das im Herbst aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiepreissteigerungen so massiv eingebrochen war, erholt sich seitdem kontinuierlich und nähert sich wieder dem Normalisierungspfad. Sowohl der Konsumklimaindex der GfK als auch das Konsumbarometer des HDE stürzten im Laufe des Jahres 2022 ab, um im Oktober Negativrekorde zu erreichen. Seitdem ist die Stimmung der Konsumenten aber nach beiden Indizes wieder kontinuierlich besser geworden, auch wenn sie noch ein Stück von den Normalwerten entfernt sind. Das Konsumklima spiegelt die Sorge der Verbraucher wider, sich aufgrund der Energiepreissteigerungen mit Ausgaben zurückhalten zu müssen. Tatsächlich sind aber die objektiven Wirtschaftsdaten besser, als es die Stimmung vermuten lässt. Die saisonbereinigte Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt weiter kontinuierlich an, vollkommen unbeeindruckt von Ukrainekrieg und Inflation, und erreicht von Monat zu Monat neue Allzeit-Rekordwerte. Die Arbeitslosenquote liegt nach wie vor auf niedrigem Niveau – im März 2023 mit 5,6 Prozent geringfügig über den Vormonaten (5,5 Prozent).

Nachholeffekte erwartet

Selbstnutzende Eigentümer und Mieter, deren Wohnungen mit Gas beheizt werden, können im Frühjahr 2023 mit Rückzahlungen rechnen. Nach Ermittlungen des Energiedienstleisters ISTA ist der Gasverbrauch im Winter 2022/23 gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent zurückgegangen, wobei zehn Prozent auf die milde Witterung und sieben Prozent auf sparsames Nutzerverhalten zurückzuführen sind. Die Brennstoffkosten für Gas sind sogar gesunken. Lediglich bei denjenigen, die mit Öl heizen, sind hohe Nachzahlungen – im Durchschnitt eine Steigerung von 41 Prozent gegenüber dem Vorjahr – zu erwarten. Die Kraftstoffpreise, die viel schneller auf Änderungen der Weltmarktpreise reagieren, sind bereits deutlich früher zurückgegangen, was sich ebenfalls auf das für den Konsum verfügbare Einkommen auswirkt. Da viele Verbraucher auf die Energiepreissteigerungen reagiert haben, indem sie insbesondere bei Gütern des täglichen Bedarfs auf preisgünstigere Eigenmarken und Discounter-Produkte umgestiegen sind und indem sie Anschaffungen zugunsten einer gestiegenen Sparquote zurückgestellt haben, ist mit Nachholeffekten zu rechnen, insbesondere bei denjenigen, die Heizkostenrückzahlungen erhalten. Für einen weiteren Kaufkraft-Push sorgen die Tarifabschlüsse unter anderem für die rund 2,6 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. So erhalten die Beschäftigten zum Beispiel ab Juni 2023 in mehreren Chargen steuer- und abgabefrei 3000 Euro sowie ab März 2024 eine Gehaltssteigerung um mindestens 340 Euro brutto. Bei der Deutschen Bahn zeichnen sich ähnliche Gehaltssteigerungen ab, andere Branchen werden folgen.

Modernisierungskurs fortsetzen

„Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Erholung des privaten Konsums stimmen zunehmend wieder. Damit kann auch der stationäre Einzelhandel steigende Umsätze erwarten. Das sind gute Nachrichten für die Handelsimmobilien und die Innenstädte, die wieder belebter werden“, fasst Lars Rehbein von Aengevelt Research zusammen. Gleichwohl verweist Aengevelt Research darauf, dass die Einzelhandelsstandorte ihren Modernisierungskurs weiter fortsetzen müssen, um auf Dauer gegenüber dem Online-Handel konkurrenzfähig zu bleiben. Dazu gehören für innerstädtische Immobilien unter anderem Mixed-Use-Konzepte mit Mischungen aus Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastronomie, Freizeit und Wohnen, Erlebniseinkaufskonzepte, flexible Konzepte wie Pop-Up-Stores, um auf kurzfristige Trends reagieren zu können, sowie für Einzelhändler selbst den Auf- und Ausbau des Multi-Channel-Vertriebs.