Herzblut für Shopping Places

People first
Der Mensch in seiner Vielfalt sollte im Fokus der Entwicklung von Shopping Places stehen. © PPD Consulting / unsplash.com

Handel und Immobilien
Passion

Susanne Müller

Shopping Places einfach nur aufzuhübschen und für die Optik gefällig herzurichten, bringt nicht den erwünschten Erfolg, wenn kein Herzblut einfließt. Frank Pöstges-Pragal, Inhaber von PPD-Consulting, setzt den Hebel woanders an: direkt am Puls der Menschen. City-Belebung mit Seele – und zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer für profunde Insights.

Frank Pöstges-Pragal konstatiert: „Die Ursprungsfrage ist doch: Für wen sind Innenstädte und Shopping-Destinations konzipiert? Natürlich für Menschen, die dort verweilen, genießen, einkaufen und eine gute Zeit haben möchten.“ So weit, so gut – die berühmte Shopping-Experience ist heutzutage ein inflationär gebrauchter Begriff. Das hat auch jeder Branchenakteur mittlerweile verstanden. Und dennoch wird oft ein wichtiger Faktor übersehen, der eigentlich so nahe liegen sollte.

Identität ist wie DNA

Frank Pöstges-Pragal setzt auf Identität – gerade in unsicheren Zeiten sei sie für Menschen existenziell wichtig, „wie ein DNA-Code, den sie in sich tragen“, meint der Experte. „Innenstädte sind kulturelles Gemeingut. Dort sollten alle Zielgruppen abgebildet werden, als Grundrauschen an Maßnahmen für sämtliche Alterssparten. Zu viel Einheitsbrei wird niemandem gerecht – und daher ist die Orientierung an Besucherwünschen so wichtig. Für Ältere mehr Aufenthaltsqualität, für die jüngere Zielgruppe jede Menge Möglichkeiten zum Entdecken und Ausprobieren. Aber immer individuell ausgerichtet. Verantwortliche sind gut beraten, sich die Soziodemografie genau anzuschauen.“

Einfach mal gut zuhören

Für die konkrete Umsetzung ist ein bisschen Laufarbeit erforderlich. Er selbst hat seinerzeit als Geschäftsführer des Centro und Head of Marketing bei Unibail-Rodamco-Westfield mit Vorliebe Feldforschung betrieben. „Ich bin in die Läden gegangen und habe mit Kunden geredet – oder sehr gern auch Taxifahrer befragt. Die hatten immer einen guten Blick aufs Geschehen. Auch Bürger in den FuZos habe ich persönlich angesprochen. Wer sich mal eine Stunde hinsetzt und zuhört, bekommt viele Schwingungen mit. Die Manager bei URW waren angehalten, sich im Center oder bei Wettbewerbern zu bewegen und sich unters Volk zu mischen. Eine sehr gute Schule.“

Funktionalität vs. Fun

Shopping Places haben sich natürlich stark gewandelt. Frank Pöstges-Pragal: „In den 80-er Jahren war Handel noch sehr funktional gedacht. Die Leute gingen damals in die Stadt, weil sie bestimmte Dinge brauchten. Abgetragene Kleidung musste ersetzt werden. Emotionalität spielte dabei keinerlei Rolle, Einkaufen war pragmatisch angesetzt.“ Erst in den 1990-ern und in den Nullerjahren erwachte die Erlebnisgesellschaft. Unterhaltung, Shows, Konzerte, Live-Events aller Art dominieren seitdem das Bild. „Die Eventisierung läuft seit ungefähr zwanzig Jahren und prägt inzwischen den Zeitgeist. Frühere Denkmuster funktionieren nicht mehr. Alle wollen jetzt gemeinschaftliche Erlebnisse und Fun in ihrer Freizeit haben.“

Lösungen zur Belebung

Experience hat Frank Pöstges-Pragal in den 1990-er Jahren im Centro Oberhausen live vor Ort gesammelt. „Dieses Shopping Center war Vorreiter in Deutschland. Das Centro hatte einfach alles – Konzertarena, Gastronomiemeile, Freizeitpark, Musical-Theater und einen international bekannten Weihnachtsmarkt. Es hat den Weg für viele Malls geebnet.“ Doch Shopping Places, die einst so strahlend im Aufwind waren, sind heute oftmals traurige Szenerie: Viele tote Fußgängerzonen und unbelebte Center werten die Städte ab. „Und genau dort sollten wir ansetzen. Lösungen müssen her, Aktivitäten, die zur Belebung beitragen. Mein Credo ist: Beginnen wir bei den Menschen. Hören wir ihnen zu – ihren Problemen, Sehnsüchten, Herausforderungen. Was macht sie glücklich? Diese Fragen sollten sich Stadtplaner und Retail-Verantwortliche stellen. Das Ohr dicht an den Besuchern haben und viel tiefer in deren Bedürfnisse eintauchen.“

Gemeinschaftsgefühl stärken

Jeder Standort brauche eine individuelle Positionierung, ist Frank Pöstges-Pragal überzeugt. „Nicht jede Stadt oder jeder Shopping Place ist gleich – Augenmerk sollten die Macher auf Brauchtum und Traditionen gleichermaßen wie auf Trends und regionale Strömungen legen. In jedem Fall muss die Positionierung konsequent auf die Klientel ausgerichtet sein. Im Süden der Republik steht vielleicht Freizeit inmitten der Berge im Fokus. Und in Berlin die Urbanität. Wichtig ist, lokale und regionale Unterschiede abzubilden, denn diese bedeuten ein Stück weit Identität für die Menschen.“ Seine Ideen sprudeln nur so. „Einfallslose Aktionen mit Luftballons und Glücksrad sind doch out, die reichen heutzutage einfach nicht mehr. Kunden sind durch die Digitalisierung sehr aufgeklärt und hungern nach Action, kuratierter Ästhetik und Erlebnissen. Das Gemeinschaftsgefühl lässt sich viel eher stärken durch Lesestunden, Kreativworkshops, einen Kurs, in dem in der Fußgängerzone erworbene Jeans gratis veredelt werden, Lauf- und Bike-Treffs. Malls sollten mit Leben und Gemeinschaftserlebnissen gefüllt werden, denn gerade danach suchen die Menschen und entwickeln so eine persönliche Beziehung zu ihrem Shopping Place.“

Good for Community

Und die Liste geht noch weiter. Er erzählt von coolen Aktionen wie Shuttlebussen für Abi-Feten, damit die Youngsters gut zur Location und nach Hause kommen. Oder von Charity- und ESG-Programmen gemeinsam mit der Kommune. „So etwas elektrisiert, stärkt die Bindung und ist nahe an der Lebenswirklichkeit der Menschen. Center-Eigentümer wie Betreiber, Immobilienbesitzer von Geschäftshäusern oder City-Managementgesellschaften haben eine gewisse Verantwortung für die Stadtgemeinschaft, das gehört zum guten Ton und natürlich zum Erhalt der Asset Values. Inzwischen ist erwiesen, dass Kunden eine Kaufentscheidung nicht rational, sondern aus dem Bauch heraus – also emotional gesteuert – treffen, ein angenehmer Nebeneffekt sozialer Aktivitäten und Community-Events. Menschen sind dankbar, wenn man etwas für sie tut.“ Das alles sollte jedoch kein Kalkül sein, sondern authentische, gelebte Nachbarschaft, die eine Symbiose zwischen den Betreibern und der Bevölkerung erzeugt.

Beim Geld zu kurz gedacht

Was Frank Pöstges-Pragal wirklich irritiert, ist die monetäre Zurückhaltung bei den Eigentümern von Shopping Centern und anderen Handelsimmobilien. „Viele Unternehmen investieren Unsummen in Revitalisierungen, lassen aber den menschlichen Aspekt des ständigen Bespielens von Orten völlig außer Acht. Zunächst einmal ist Kreativität kostenlos. Man kann auch mit einer guten Idee, die nicht viel Geld verschlingt, sehr viel bewegen. Dieses habe ich selber viele Male durchlebt. Auszuloten, was das strategisch Richtige für den jeweiligen Standort ist, bedeutet zwar harte Arbeit und Produktivität, belastet aber die Kasse nicht. Dennoch sollten die Immobilieneigentümer größere Budgets für gut durchdachte Maßnahmen zur Belebung und Bespielung der Shopping Places einplanen. Was nützt eine attraktive Gebäudehülle, wenn sie nicht lebendig ist? Ein Beispiel: Erfolgsunternehmen wie Apple entwickeln nicht nur schöne Produkte. Sie füllen diese über Apps mit Vitalität und guten Inhalten. Denn nur so bleiben sie vollends begehrt und werden täglich ‚besucht‘ und genutzt. Immobilieneigentümer und Asset Management müssen mental dazu bereit sein, mehr Mittel für die operative Belebung der Handelsplätze zur Verfügung zu stellen. Ich persönlich halte dies für alternativlos, wenn man eine Verödung der Innenstädte, des stationären Handels und einer Vernichtung von Immobilienwerten insgesamt verhindern möchte.“

Professionelle Marktforschung

Frank Pöstges-Pragal ist der Ansicht, dass Entwickler und Betreiber nicht um professionelle Marktforschungsdaten herumkommen. „Davon hängt das Schicksal vieler Innenstädte und Shopping Places ab. In Modernisierungen der Gebäude fließen Milliarden Euro – warum wird aber ausgerechnet an sinnvollen Studien gespart? Tiefgreifende Infos werden zur Positionierung dringend gebraucht.“ Die Möglichkeiten für fundierte Konsumanalysen seien mittlerweile exzellent. „In Zeiten der Digitalisierung gibt’s fantastische Technologien, um Bewegungsdaten zu ermitteln. Sehr effizient sind auch Fokusgruppenstudien, die per geschultem Moderator Tiefeninterviews durchführen und herausfinden, was Menschen bewegt. Das nenne ich qualitative Marktforschung!“ Und aus den Erkenntnissen, führt er weiter aus, lasse sich schließlich ein sicht- und wahrnehmbares Kundenversprechen ableiten, das zu hundert Prozent auf den Standort passt und relevant für die Besucher ist.

Partner des Menschen

„Orte müssen ständig bespielt werden“, ist er überzeugt. Oft endet die Performance bei Umbauten, doch so einfach läuft das heutzutage nicht mehr. „Center sollten Partner des Menschen sein. Viele Leute haben Angst vor der Globalisierung und verlieren in der Folge die Orientierung. Sie suchen dann nach lokalen Fixpunkten. Wenn sich in dieser Situation ein Center als Community-Partner präsentiert, ist das eine Riesen-Chance.“

Gemeinsame Wissensplattform schaffen

Für den German Council of Shopping Places hat Frank Pöstges-Pragal einen interessanten Vorschlag. „Ich plädiere für eine Art Kundenparlament, das sich mit den Wünschen der Endverbraucher auseinandersetzt und hierüber wichtige Insights sammelt. Marktforschung ist teuer, aber wenn wir mit vereinten Kräften Wissen demokratisieren, wäre vielen Branchenakteuren geholfen.“

Susanne Müller

 

PPD Consulting: Der Name steht für „People – Places – Destinations“. Gründer und Inhaber Frank Pöstges-Pragal entwickelt Strategien und Maßnahmen zur Revitalisierung von Shopping Centern und Innenstädten. Zuvor war er als Gesamtgeschäftsführer Betreibergesellschaft & Projektentwicklungsgesellschaft, Event Manager und Director Marketing & Sponsorships im Centro Oberhausen und als Head of Marketing & Commercialization bei Unibail-Rodamco-Westfield tätig. Eine weitere berufliche Station war Geschäftsführer Center-Management bei der IPH Gruppe. Zudem war er Mitglied des International Council of Shopping Centers (ICSC) in New York und dort für das European Advisory und Marketing  Board zuständig.