Immobilienstimmung dreht weiter ins Negative

Die Weltwirtschaft stottert, und es gibt kaum Lichtblicke: RICS hat den globalen Immobilienmarkt unter die Lupe genommen. © RICS

Aktuelles

Die Ergebnisse des RICS Global Commercial Property Monitor (GCPM) für das dritte Quartal 2022 zeigen, dass angesichts des zunehmend unsicheren makroökonomischen Umfelds die Immobilienstimmung weiter ins Negative dreht. Wenn überhaupt, ist demnach überraschend, dass die Veränderung nicht noch deutlicher ausfiel.

So rutschte der Global Commercial Property Sentiment Index (CPSI) von -6 im zweiten Quartal auf aktuell -11 ab. Dies ist der negativste Wert seit dem ersten Quartal 2021, liegt aber immer noch deutlich über dem Tiefstwert, der während des Pandemie-Höhepunkts in Q2 mit -46 verzeichnet wurde. Interessanterweise ist das etwas negativere Feedback auf globaler Ebene sowohl auf der Mieter- als auch auf der Investorenseite des Marktes zu beobachten, wobei der Occupier Sentiment Index (OSI) von -5 auf -10 und der Investment Sentiment Index (ISI) von -6 auf -12 sank.

Naher Osten sticht hervor

Auf regionaler Ebene sticht der Nahe Osten bei der Einschätzung der Teilnehmer hervor. Der CPSI stieg hier sogar weiter in den positiven Bereich (+7 bis +10), angeführt von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Ergebnisse für Nord-, Mittel- und Südamerika zeigen einen Rückgang von +1 auf -14, während der europäische CPSI von -4 auf -13 fiel. Von den größeren Märkten in Europa war der CPSI in Deutschland am negativsten (-28 gegenüber -20 zuvor). In Großbritannien ist zudem eine Trendwende von +6 auf -16 zu verzeichnen. In der APAC-Region zeigen sich erhebliche Unterschiede auf Länderebene. Der CPSI-Gesamtwert von -20 spiegelt weitgehend die Verschlechterung des Bildes in China (-40) wider, und auch Australien verzeichnete einen Rückgang gegenüber dem zweiten Quartal (+1 auf -5). Die Ergebnisse für Singapur und Indien bleiben jedoch beide im positiven Bereich, und zwar sogar etwas mehr als im zweiten Quartal.

Nachfrage nach Industrieflächen solide

Der globale Gesamtindikator, der die Entwicklung der Mieternachfrage, gemessen als Nettosaldo, erfasst, zeigt, dass das Interesse an Industrieflächen weiterhin zunimmt, wenn auch im Vergleich zur jüngsten Vergangenheit in relativ bescheidenem Tempo. Der Wert für Nord- und Südamerika ist besonders robust (Nettosaldo +32 Prozent), was zeigt, dass die Nachfrage nach gut gelegenen Vertriebsflächen angesichts des veränderten Verbraucherverhaltens nach wie vor erheblich ist. Das Feedback für Europa bleibt ebenfalls solide positiv (+24 Prozent gegenüber +35 Prozent in Q2), ebenso wie im Nahen Osten (+27 Prozent). Im Gegensatz dazu haben die Zahlen für die APAC-Region ins Negative gedreht. Allerdings wird dies erneut stark von den Rückmeldungen aus China beeinflusst (Nettosaldo -45 Prozent), während die Nachfrage nach Industrieflächen in den meisten anderen Ländern der Region weiterhin steigt.

Büroflächen werden reduziert

In der aktuellen RICS-Umfrage wurden zusätzliche Fragen zur Büronutzung und zum Investitionsverhalten im Office-Sektor gestellt. Demnach rechnen nur 20 Prozent der Teilnehmer nicht mit einer Verringerung der Büroflächen im kommenden Jahr, wobei etwa 50 Prozent davon ausgehen, dass wahrscheinlich bis zu zehn Prozent des bestehenden Bestandes abgebaut wird. Auf die Frage, wie die Investitionsströme in den Sektor in den nächsten zwölf Monaten durch hybrides Arbeiten beeinflusst werden könnten, geht eine Mehrheit von 45 Prozent von leicht negativen Auswirkungen aus.

Projektentwicklung zeigt Ende billigen Geldes

Der Anteil der Befragten, der eine Verschlechterung der Kreditkonditionen feststellte, stieg auf 56 Prozent. Dies überrascht laut RICS wenig, angesichts der Maßnahmen vieler Zentralbanken in den letzten Monaten. Besonders in Europa war die Verschlechterung am stärksten ausgeprägt, wo rund drei Viertel der Befragten diese Ansicht vertraten. Besonders auffällig waren die Ergebnisse aus Deutschland mit 91 Prozent. In Nord- und Südamerika lag der vergleichbare Anteil bei zwei Drittel, während der Anteil in APAC und im Nahen Osten deutlich niedriger (40 und 30 Prozent) ausfiel. Einmal mehr ist Indien ein Ausreißer mit nur 15 Prozent. Das Ende der Ära des billigen Geldes zeigt sich zunehmend bei den Projektentwicklungen. So ist der Nettosaldo für den Gesamtindikator mit -19 Prozent das schwächste Ergebnis - mit Ausnahme des Pandemie-Höhepunkts - seit 2010, als die Branche noch mit den Folgen der globalen Finanzkrise zu kämpfen hatte. Die schwächsten Ergebnisse zeigen sich in den Niederlanden und in Deutschland. Im Gegensatz dazu belegen die Ergebnisse ein starkes Entwicklungswachstum in Saudi-Arabien (Nettosaldo +64 Prozent), den VAE (+48 Prozent) und Indien (+47 Prozent).

Bewertungsrisiken steigen

Weltweit betrachtet etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer ihren lokalen Immobilienmarkt als teuer oder zu teuer, was eine Zunahme von Bewertungsrisiken bedeutet. Die Märkte am oberen Ende der Skala sind unter anderem Japan und die Schweiz (88 Prozent), Österreich, Katar (86 Prozent) und Deutschland (84 Prozent). Im Gegensatz dazu stehen Indien (27 Prozent) und einige kleinere APAC-Märkte, darunter Malaysia und Thailand. Angesichts des jüngsten Drucks auf den chinesischen Markt ist es bemerkenswert, dass nur knapp 50 Prozent sagen, dass der Markt als billig bezeichnet werden kann.

Die Ergebnisse für das dritte Quartal in Europa spiegeln die Marktbedingungen angesichts steigender Zinsen und eines stotternden Wirtschaftswachstums wider. Dementsprechend sind die Investitions- und Nutzernachfrage zurückgegangen, was dazu führt, dass die Erwartungen für die Miet- und Kapitalwertentwicklung in den kommenden zwölf Monaten über alle Assetklassen hinweg ins Negative dreht.

Verschlechterung der Kreditkonditionen

Auf gesamteuropäischer Ebene fiel der ISI auf -18 (Q2: -6), was das schlechteste Ergebnis für diese Kennzahl seit 2020 darstellt. Zugleich sank der OSI auf -9 von zuvor -1. Ein Blick auf die einzelnen Länder zeigt, dass der aggregierte Commercial Property Sentiment Index (CPSI) jetzt in 13 der 19 erfassten Märkte im negativen Bereich ist. Innerhalb dieser besonders in Deutschland, Ungarn, der Schweiz, Österreich, Belgien und Dänemark. Entgegen diesem Trend zeigen sich Portugal, Griechenland, Zypern und Polen mit positiven CPSI-Werten. Die negative Stimmung in der Mehrzahl der Märkte geht mit einer Verschlechterung der Kreditkonditionen und einer sinkenden Anlegernachfrage einher. Darüber hinaus stellt das Nettosaldo von -79 Prozent für Kreditkonditionen den schwächsten Wert seit seiner Einführung im Jahr 2014 dar. Aufgeschlüsselt nach Sektoren, nannten die Befragten einen starken Rückgang der Investitionsnachfrage nach Einzelhandelsimmobilien sowie einen Rückgang nach Büroimmobilien. Darüber hinaus zeigt sich eine Stagnation im Industriesektor, der in den letzten Jahren die beste Leistung gezeigt hat.

Kapitalerwartungen gehen deutlich zurück

Ein Nettosaldo von -26 Prozent erwartet einen Rückgang der Bürowerte für die kommenden zwölf Monate (Q2: -8 Prozent), während der Nettosaldo für den Einzelhandel insgesamt auf -46 Prozent gesunken ist. Auch der Nettosaldo für Industrieimmobilien sank von +17 im zweiten Quartal auf –drei Prozent. Besonders negative Zwölfmonatserwartungen für Büro- und Einzelhandelskapitalwerte weist Deutschland auf. Hier wird auch ein Sinken bei Industriewerten erwartet. Eine ähnlich negative Einschätzung ist in Dänemark, Ungarn, Spanien und der Schweiz zu beobachten. Im Gegensatz dazu sehen die Befragten in Portugal und Griechenland für das kommende Jahr ein Ansteigen der Kapitalwerte über alle Assetklassen hinweg, angetrieben von einer nach wie vor soliden Nachfrage der Investoren.

Auf europäischer Ebene sehen 70 Prozent der Befragten den Markt im Abschwung im Vergleich zu 52 Prozent im vorigen Quartal. Diese Meinung ist besonders ausgeprägt in Dänemark, Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Großbritannien, wo jeweils mehr als 80 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass sich ihr lokaler Markt im Abschwung befindet.

Trübe Stimmung in Deutschland

Der Commercial Property Sentiment Index für Deutschland fällt im dritten Quartal von -20 auf -28. Nur sieben Prozent der Befragten ordnen die Bundesrepublik auf dem Höhepunkt des Zyklus ein. Dies waren im Vorquartal noch 28 Prozent. Während im zweiten Quartal nur 71 Prozent angaben, dass der Zyklus in einer Abschwungphase sei, sind es jetzt 87 Prozent. Die Investorenstimmung erreicht einen Wert von -35 (Q2: -26) und befindet sich somit zum zweiten Mal in Folge im negativen Bereich. Sie liegt zudem zum zweiten Mal seit Q2 2014 unter dem Wert der Mieterstimmung, der weiterhin abfällt und einen Wert von -21 verzeichnet (Q2: -14).

Die Investorennachfrage über alle Assetklassen sinkt auf ein Nettosaldo von -50 Prozent (Q2: -35 Prozent). Bei Büroimmobilien sinkt der Nettosaldo weiter und verzeichnet einen Wert von -54 Prozent (Q2: -42 Prozent). Auch bei Industrieimmobilien sinkt der Wert von -einem auf -30 Prozent. Der bislang schon niedrige Wert von Einzelhandelsimmobilien verliert nur leicht und sinkt von -61 auf -65 Prozent. Deutschland als Immobilieninvestitionsstandort wird weiterhin als teuer (64 Prozent) und sehr teuer (20 Prozent) bewertet (Q2: 60 und. 31 Prozent). 13 Prozent stellen auf dem Markt faire Preise fest (Q2: neun Prozent). Deutschland steht damit im europäischen Vergleich der Länder, die ihren Standort als teuer oder sehr teuer ansehen (84 Prozent) auf Platz drei nach der Schweiz (88 Prozent) und Österreich (86 Prozent). 

Keine guten Aussichten

Die Kapitalwerterwartungen in den nächsten zwölf Monaten sinken bei nahezu allen Assetklassen. Dabei schneiden Industrieimmobilien am besten ab und verzeichnen dennoch einen Rückgang von -vier auf -28 Prozent. Bei Büroimmobilien fällt der Saldo von -39  auf aktuell -48 Prozent. Einzelhandelsimmobilien sind mit -73 Prozent weiter abgeschlagen (Q2: -70 Prozent). Die Einschätzung der Befragten zu den Mieten zeigen in den nächsten zwölf Monaten in Deutschland ähnliche Entwicklungen wie die Kapitalmarkterwartungen. 

Seit dem ersten Quartal dieses Jahres nahmen die deutschen Teilnehmer eine negative Veränderung bei den Kreditkonditionen wahr, so dass dort der Nettosaldo in Q1 bei -60 Prozent und in Q2 bei -92 Prozent lag. Dieser ist im dritten Quartal marginal auf -91 Prozent gestiegen. Dies spiegelt sich in Zahlen für den Beginn von Projektentwicklungen wider. Hier sank der Nettosaldo von -45  auf aktuell -58 Prozent über alles Assetklassen hinweg. Im Bürobereich ging der Saldo von -42 auf -57 Prozent zurück, bei Industrieimmobilien wird ein aktueller Wert von -48 Prozent (Q2: -31 Prozent) verzeichnet.

Markt verharrt im Stillstand

Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland: „Der Stillstand ist in fast allen Immobilienmärkten angekommen, und positive Aussichten sind rar. Die Investoren üben sich in Zurückhaltung und warten aufgrund der Unsicherheiten ab oder suchen alternative Anlageoptionen. Auch die Nutzer haben einen Gang zurückgeschaltet und sind wieder pessimistischer geworden. Die Diskussion um die Zukunft des Office ist nach wie vor im Gange, und weltweit werden Flächenreduzierungen und Repositionierungen bestehender Flächen diskutiert. Es ist längst klar, das hybride Arbeiten wird Spuren hinterlassen. Die Weltwirtschaft stottert, und es gibt kaum Lichtblicke. Dabei gibt es so viel zu tun, rund um die Bekämpfung des Klimawandels und die Verbesserung der sozialen Themen. Viele Absichtserklärungen und wenig Kapitalausstattung, wie auch COP27 gezeigt hat. Das sind keine guten Aussichten für 2023.”