»Immobilienwirtschaft und Kommunen sind gefordert«

Henrike Waldburg
Henrike Waldburg © Urban ZIntel

Interview
Vision

Susanne Osadnik

Henrike Waldburg, Leiterin Investment Management Global bei Union Investment. Die Transformation von Bestandsgebäuden wird künftig das Top-Thema sein wird, so eine Marktstudie von Union Investment und bulwiengesa


Frau Waldburg, die Immobilienwirtschaft steht in den kommenden Jahren vor der anspruchsvollen Aufgabe, möglichst viele Gebäude klimaneutral zu bauen oder umzugestalten. Welche Rolle spielen dabei sogenannte Transformationsimmobilien?
Henrike Waldburg: Unsere Marktstudie, die wir gemeinsam mit bulwiengesa durchgeführt haben, lässt den Schluss zu, dass Transformationsimmobilien künftig eine große Rolle bei der Erreichung von Klimaschutzzielen und angesichts wachsender ESG-Anforderungen spielen werden. Bei Transformationsimmobilien handelt es sich um Gewerbeliegenschaften mit Nutzungsmischung, die häufig revitalisiert oder umgenutzt wurden und in guten innerstädtischen Lagen zu finden sind. Insbesondere die Innenstädte unterliegen ja zurzeit einem Transformationsprozess, der schon vor der Corona-Pandemie begonnen hat, sich jetzt aber beschleunigt. Es zeigt sich immer mehr, dass die Monokultur von Einzelhandel und Büro nicht mehr zukunftsfähig ist: Tagsüber belebt, nachts verwaist. Dieses städtebauliche und immobilienwirtschaftliche Leitmotiv der vergangenen Jahrzehnte gerät  zunehmend unter Druck. Immobilienwirtschaft und Kommunen sind gleichermaßen gefragt, Strategien zu entwickeln, Strukturen und Nutzungskonzepte zu etablieren, die auch künftig flexibel auf Veränderungen des Marktes reagieren können. Die verantwortungsbewusste Transformation von nicht mehr marktgerechten Immobilien kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Bislang galt: Abriss und Neubau sind preisgünstiger als aufwändige Sanierung …
Das ist richtig – was die Retrospektive anbelangt. Transformation ist gegenüber Abriss und Neubau bislang meist nicht die kostengünstigere Variante – gleichwohl liegen die Vorteile schon jetzt klar auf dem Tisch. Eine zentrale Erkenntnis unserer Studie: Durch neue gesetzliche Regelungen steigt die wirtschaftliche Attraktivität der Transformation von Immobilien gegenüber Abriss und Neubau zunehmend. Bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise muss neben dem Energieverbrauch während des Lebenszyklus' der Immobilie auch die sogenannte graue Energie berücksichtigt werden, die bei der Erstellung verbraucht wird. Durch die Monetarisierung des Verbrauchs an grauer Energie nach Inkrafttreten der EU-Taxonomie werden sich die Kosten für den Neubau indirekt weiter erhöhen.

In den Innenstädten stehen zurzeit auch viele Handelsimmobilien im Fokus der Neuorientierung, weil sich der stationäre Handel mehr und mehr neu erfinden muss. Sind Handelsimmobilien geeignete Objekte für Transformationen?
Interessanterweise und obwohl es in dem Bereich gute Beispiele aus der Umnutzung von alten Warenhäusern gibt, ist das in der Praxis wohl nicht so. Unsere Studie zeigt anhand einer Analyse der RIWIS-Datenbank von bulwiengesa, dass – anders als die aktuelle Diskussion um die Zukunft des stationären Einzelhandels vielleicht vermuten ließe – Industrieimmobilien und Büros, die nicht mehr den Ansprüchen des Marktes entsprechen, in Summe häufiger eine Transformation erfahren als Handelsimmobilien. Rund die Hälfte der analysierten Transformationsimmobilien wird im Ergebnis als Mixed Use umgesetzt. Dabei sind Handel und Gastronomie nach wie vor die wichtigsten Bausteine mit 28 Prozent Anteil am Nutzungsmix. Ebenfalls wichtig sind Büronutzungen und Wohnen.

Gibt die Größe einer Stadt den Ausschlag bei der Sinnhaftigkeit und Häufigkeit von Transformationen?
Transformationen erfolgen nicht nur in den großen A-Städten, wichtige Projektentwicklungen gibt es auch in B- und C-Städten. Die A-Städte stechen aber mit insgesamt rund 1,78 Millionen Quadratmetern Nutzfläche in transformierten Immobilien heraus. Damit stehen die A-Städte für 56 Prozent aller in Transformationsimmobilien errichteten Flächen.

Innerstädtische Flächen neu zu entwickeln oder umzugestalten, ist ein komplexer Prozess. Wann verspricht dieser erfolgreich zu sein?
In der Tat ist die Transformation von Immobilien eine herausfordernde und komplexe Aufgabe. Dafür ist zunächst einmal ein hohes Maß an Erfahrung und fachlicher Kompetenz auf Seiten der Projektentwickler erforderlich. Die Chancen für eine erfolgreiche Transformation sind darüber hinaus dann am besten, wenn eine intensive Einbeziehung des städtischen Umfeldes und der Stakeholder durchgeführt wird. Gibt es ein Zusammenspiel all dieser Kräfte, dann eröffnet die Transformation von Immobilien neue Möglichkeiten, sich intelligent ergänzende Nutzungen und Nutzergruppen zu erschließen und wertvolle Beiträge zur Vitalität und Attraktivität von einzelnen Gebäuden, von Quartieren und ganzen Städten zu leisten.


Das Interview führte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion
Shopping Places* Magazine

Informationen und Bestellungen der Studie unter: ui-link.de/transformationsstudie