Initiative »Das Leben gehört ins Zentrum«

Das Leben gehört ins Zentrum
Mai 2021: Protestaktion der Initiative »Das Leben gehört ins Zentrum« vor dem Bundeskanzleramt © Parwez Mohabat

Handel und Immobilien
Fair Future

Robert Spönemann

Im Februar dieses Jahres haben sich zahlreiche deutsche Einzelhändler in einer Initiative zusammengeschlossen, um auf die prekäre Lage des Handels infolge der Corona-Krise aufmerksam zu machen. Gezielte Aktionen und Kampagnen sorgten für breite Aufmerksamkeit – und erreichten die Entscheidungsträger in der Politik. Die kürzlich beschlossene Finanzhilfe für den deutschen Einzelhandel mit einer Obergrenze von 52 Millionen Euro je Unternehmen ist ein erster Etappensieg. Aber es geht weiter …

Seit gut einem Jahr hält die Corona-Pandemie Deutschland in Atem. Weite Teile der Wirtschaft konnten sich nach einem kurzen Einbruch schnell erholen. Manche gingen gar als Gewinner aus der Pandemie hervor. Der Einzelhandel hingegen war insgesamt über ein halbes Jahr lang geschlossen – eine Herausforderung historischen Ausmaßes für die Branche.

Die Initiative »Das Leben gehört ins Zentrum«, ein Zusammenschluss großer deutscher Einzelhändler, hat seit Februar 2021 Kräfte gebündelt und sich für die Zukunft der Innenstädte stark gemacht. Mit kreativen Aktionen konnte die Initiative auf die aktuell prekäre Situation des stationären Einzelhandels aufmerksam machen und das Thema erfolgreich auf die politische Agenda hieven. Nun scheint Licht am Ende des Tunnels: Die Inzidenzen sinken, die Impfquoten steigen, Geschäfte und Cafés dürfen wieder öffnen – kurzum: Das Leben kommt zurück ins Zentrum. Zeit, ein Zwischenfazit der Initiative zu ziehen.

Bereits vor der Pandemie stand der stationäre Einzelhandel erheblich unter Druck. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung beschleunigt. Wirtschaftlich gesunde stationäre Einzelhändler mussten ihre Läden monatelang schließen. Denn: Trotz des geringen Infektionsgeschehens im Einzelhandel gab es keine klaren Öffnungsperspektiven. Derweil florierte das Geschäft der eCommerce-Plattformen wie nie zuvor.

»Das Bild unserer Innenstädte wird sich drastisch verändern. Der stationäre Handel braucht alternative Öffnungskonzepte für eine sichere, kon­trollierte und verantwortungsvolle Perspektive.«
Heinrich Deichmann, Vorsitzender des Verwaltungsrats, Deichmann

Die Zukunft des Einzelhandels beginnt jetzt

Um das Bewusstsein für die verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den stationären Einzelhandel gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik zu stärken, haben sich im Februar 2021 mehr als 60 Unternehmen im Rahmen der Initiative »Das Leben gehört ins Zentrum« verbündet – darunter unter anderem Thalia, Breuninger, DEICHMANN, S.Oliver, Ernsting’s family, ECE, KiK, Douglas und TAKKO.

Das Ziel der Initiative: Sowohl der Politik auf Bundes- und Landesebene als auch den Medien die dramatische Lage der geschlossenen Händler zu verdeutlichen. Keine einfache Aufgabe. In regelmäßigen Runden wurden Öffnungskonzepte abgestimmt, eine gemeinsame Kommunikationsstrategie definiert und eine Vielzahl kreativer Kampagnen-Elemente geplant – vor Ort ebenso wie online. Und das mit Erfolg: »Das Leben gehört ins Zentrum« erreichte über TV und Radio Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer beziehungsweise Hörerinnen und Hörer. Noch viel größer war die über Zeitungen, Nachrichtenportale und Social Media erzielte Reichweite durch die zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Initiative: Etwa die aufsehenerregende Lichtaktion »Die Stadt lebt«, mit der Einzelhändler die wachsende Herausforderung der Verödung der Innenstädte und des Leerstands mit rot beleuchteten Schaufenstern thematisierten. Spektakulär war auch die Platzierung eines Motivwagens im Karnevalsstil des bekannten Künstlers Jacques Tilly vor dem Bundeskanzleramt, die im Mai für viel Aufmerksamkeit sorgte. Einige CEOs der Mitglieder der Initiative waren vor Ort, ebenso Vertreter ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch die Aktion wurde noch einmal vor Augen geführt, wie viele tausend Arbeitsplätze am deutschen Einzelhandel hängen. Auch im digitalen Raum war die Initiative mit einer groß angelegten Social-Media-Kampagne stark vertreten: Händler haben dort ihre Statements zur Rettung des Handels und der Innenstädte wiederholt platziert und über Monate die große Reichweite ihrer Social-Media-Accounts genutzt. Prominente Unterstützer wie die Schauspielerin Annette Frier machten auf die Initiative aufmerksam.

Der gemeinsame Einsatz zahlt sich aus

Flankiert wurden diese Maßnahmen durch den Dialog mit politischen Entscheidern auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, an die sich die Initiative in offenen Briefen in der Bild am Sonntag und in persönlichen Gesprächen mit ihren Anliegen wandte.

Eines ist bereits jetzt klar: Das koordinierte Engagement der Händler hat sich ausgezahlt. Nach Monaten intensiver Arbeit ist die herausfordernde Lage des Einzelhandels in der Corona-Krise – und ihre langfristigen Auswirkungen für deutsche Innenstädte – endlich im Bewusstsein der Öffentlichkeit und der politischen Entscheider angekommen.

Eine gute Nachricht für den Einzelhandel kam kürzlich aus Berlin: Bundeswirtschafts- sowie Bundesfinanzministerium und das Kanzleramt haben eine Finanzhilfe für den deutschen Einzelhandel mit einer Obergrenze von 52 Millionen Euro je Unternehmen freigegeben – eine Summe, mit der vor wenigen Wochen kaum jemand gerechnet hatte. Viele Einzelhändler können jetzt für die monatelangen Schließungen entschädigt werden und in die Zukunft ihres Geschäfts investieren. Ein großer Meilenstein für die Branche.

Nachhaltige Konzepte für Handel und Innenstädte sind ein Muss

Doch nicht nur das: Binnen weniger Monate hat sich die Initiative »Das Leben gehört ins Zentrum« als  starke Stimme etabliert. Entstanden ist ein schlagkräftiges eingespieltes Team, das in der Lage ist, auch in Zukunft wesentlich zur langfristigen Sicherung der Interessen des stationären Non-Food-Einzelhandels beizutragen.

Diese Expertise wird auch künftig gefragt sein. Denn die Diskussionen über die Gestaltung der Innenstädte der Zukunft dürften nach der Pandemie weiter in den Mittelpunkt rücken. Gemeinsam mit der Politik, kommunalen Spitzen- sowie Handelsverbänden gilt es jetzt, einen Zukunftsplan für eine langfristige Absicherung des stationären Einzelhandels zu erarbeiten.

»Die zentrale Aufgabe für nach der Krise wird sein: Wie kriegen wir die Innenstädte wieder mit Leben gefüllt.«
Prof. Achim Wambach, ZEW-Präsident

Eine nachhaltige (Wieder-)Belebung der Innenstädte ist kein Selbstläufer. Maßnahmen wie Zuschüsse für Investitionen in attraktive Ladengeschäfte und für den Ausbau des Online-Angebots der stationären Händler könnten den Handel langfristig stärken.

Auch innovative Konzepte für das Leerstandsmanagement und die Verbindung von Gastronomie, Einzelhandel, Kultur und Wohnen sind gefragt. Den großen Einzelhändlern und Shopping-Center-Betreibern mit ihrer Expertise und ihrer langjährigen Erfahrung kommt dabei eine besondere Rolle zu, weil sie in der Regel den besten Überblick darüber haben, welche Ansätze besonders erfolgversprechend sind – auch und gerade im internationalen Vergleich.

»Wir wollen gehört und bei den Entscheidungen mit eingebunden werden. Nur so lassen sich realitätsnahe Lösungen finden, die helfen, die prekäre Lage des Einzelhandels wirklich zu verbessern.«
Michael Busch, CEO Thalia

Und es muss darum gehen, sicherzustellen, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Es wäre verkehrt, darauf zu vertrauen, dass die Pandemie nun bewältigt ist. Vielmehr gilt es jetzt, eine Strategie zu entwickeln, um bei einer möglichen vierten Corona-Welle eine erneute Schließung des Einzelhandels verhindern zu können.

»Wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben. Das heißt für mich auch, wieder eine Balance zwischen Gesundheitsschutz und Wirtschaftsinteressen herzustellen.« Claus-Dietrich Lahrs, CEO S.Oliver


Ein Gastbeitrag von
Robert Spönemann,
Finsbury Glover Hering,
Initiative »Das Leben gehört ins Zentrum«