Ins Nachbarland geschaut

Westfield Donauzentrum
Westfield Donauzentrum © ACSP

Handel und Immobilien
Perspektiven

Roman Schwarzenecker

Seit 1988 erfasst das Beratungsunternehmen Standort + Markt in Zusammenarbeit mit dem ACSP (Austrian Council of Shopping Places) die Shopping Center in Österreich. Die gesamte Dokumen­tation umfasst für das Jahr 2021/22 nunmehr 244 Shopping Center.

Darunter finden sich 119 Shopping Malls (SM), 114 Retail Parks (RP), drei Factory Outlet Center (FOC), eine Sonderform (Vienna Airport Shopping) und vier Town Center (TC) sowie drei Department Stores (DS) auf knapp 4,2 Millionen Quadratmetern vermietbarer Fläche. Allein knapp 3,4 Millionen Quadratmeter entfallen dabei auf den Handel. Gemessen an der Bevölkerung stehen jedem Österreicher etwa 0,47 Quadratmeter an vermietbarer Fläche in Shopping Centern zur Verfügung. Für Zentren, die größer als 10.000 Quadratmeter sind, liegt dieser Wert bei 0,39 Quadratmetern. Beide Maßzahlen haben sich in den letzten Vergleichsjahren kaum verändert.

Für 2021 wurde der Umsatz auf über 12,3 Milliarden Euro geschätzt, was einem Minus von rund neun Prozent gegenüber dem Vorbeobachtungszeitraum entspricht. Während die Zahl der Shopping Malls und deren Flächen stagnierten und somit die Covid-Beeinträchtigungen beim stationären Shopping durchschlugen, kompensierten die Retail Parks die durch Lockdowns entstandenen Umsatzverluste durch eine Neueröffnung und mehrere oft größerer Erweiterungen. Zentren mit einem Kurzfristbedarfsanteil von über 50 Prozent konnten seit 2019 ein deutliches Umsatzplus verzeichnen, Zentren mit einem hohen Bekleidungsanteil und geringen Lebensmittelflächen verloren deutlich an Umsatz. Weiter verloren insbesondere Shopping Malls an Umsatz, während die Retail Parks denselben mehr als halten konnten.

Der Marktanteil der Shopping Center, bezogen auf das Kaufkraftpotenzial beziehungsweise die gesamten Konsumausgaben der Österreicher, lag vor zwei Jahren noch bei 24 Prozent. Damals war bereits ein leichter Negativtrend abzulesen, welcher vor allem im Online-Handel seinen Schuldigen fand. Geschlossene Shops und Lockdowns trugen zur weiteren Schwächung des Handels bei, und so verringerte sich der Wert des Marktanteils auf unter 22 Prozent.

Seit der Jahrtausendwende hat sich die Fläche in Shopping Centern mehr als verdoppelt. Boten jene Einkaufsdestinationen damals gut zwei Millionen Quadratmeter Shoppingvergnügen an, so sprechen wir heute von über vier Millionen. Vor allem Fachmarktzentren – beziehungsweise im. im Fachjargon Retail Parks – wurden in dieser Periode immer beliebter. Der Anteil an der Gesamtfläche betrug damals 23 Prozent, mittlerweile entfallen bereits über 28 Prozent der Gesamt-GLA (gross leasable area) an FMZs. Noch zu Beginn der Corona-Pandemie hätte man noch kaum an Flächenzuwächse bei Shopping Centern gedacht, es hat sie dennoch gegeben, und das fast ausschließlich bei Fachmarktzentren. Während Shopping Malls eher stagnierten, gab es bei den FMZs tatsächlich auch eine Neueröffnung beziehungsweise signifikante Erweiterungen.

Dieser Trend wird bei der Betrachtung der reinen Anzahl dieser Einkaufsmöglichkeiten noch deutlicher untermauert. Während die Steigerungsrate an Shopping Malls in den letzten beiden Dekaden überschaubar war, so ist diese Größe bei FMZs geradezu explodiert. Natürlich sind diese in ihrer Bauart oft weniger aufwändig und schneller errichtet als Einkaufszentren, dennoch scheint der Plafond der Letztgenannten erreicht zu sein, welcher sich hauptsächlich mit raumordnerischen Restriktionen und einer gewissen Markt-Sättigung erklären lässt.

Betrachtet man die Entwicklung der beiden Zentrenstypen nicht bloß hinsichtlich ihrer Neueröffnungen, sondern dehnt den Blickwinkel auch auf Erweiterungen bestehender Zentren aus, so kann man auch hier die Auswirkungen der Pandemie während der letzten beiden Jahre ablesen. Bei Shopping Malls konnten wir in den Corona-Jahren nur wenige Erweiterungen verzeichnen, nennenswert wären hier zum Beispiel der Komplett-Umbau der Arkade Taubenmarkt zur Linzerie oder die Um- und Ausbauten in den süd- und nordseitigen Teilen des Inntalcenters in Telfs. Bei Retail Parks hat es durchaus umfangreichere Bewegung gegeben. Vor allem noch 2020 konnten trotz aller Widrigkeiten einige Erweiterungspläne in Fachmarktzentren umgesetzt werden, zum Beispiel Taborland in Steyr oder die Arena Mattersburg. Im Jahr 2021 wurde dieser Schwung dann doch erheblich gebremst.

Ein Blick ins Innere

Über 8700 Shops zählen Österreichs Shopping Center mit Jahreswechsel, eine Zahl, die so bereits vor der Corona-Pandemie in etwa zu Buche stand und damit ebenfalls den Fast-Stillstand der letzten beiden Jahre bezeugen kann. Mit 691 Leerständen hat sich auch diese Anzahl zum letzten Beobachtungszeitraum de facto nicht verändert, auch die Leerstandsquote, bezogen auf die Anzahl der leer stehenden Shopeinheiten im Verhältnis zur Gesamt-Shopanzahl, mit österreichweit 7,9 Prozent und der Leerflächenanteil von 4,2 Prozent sind im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten stabil geblieben. Wirft man einen Blick auf die Entwicklung der Leerstände in den letzten Jahren, sieht man, dass es entgegen erster Hiobsartiger Prophezeiungen gelungen ist, diese moderat zu halten.

Ausblick – Wird es für Shopping Center enger?

Unserer Ansicht nach wird es in Österreich zu einem Herauskristallisieren von Versorgungszentren und Shopping- und Entertainmentzentren kommen. Die Versorgungszentren weisen einen hohen Kurzfristbedarfs- sowie einen hohen Diskontanteil auf. Die Verweildauer in diesen Zentren wird auf den Einkauf beschränkt. Bei den Shopping- und Entertainmentzentren sollten neben den Shops andere Angebotspunkte, wie Gastronomie, Entertainment, Dienstleistungen, aber auch Bildungseinrichtungen oder Ärztezentren etc. dafür sorgen, die Verweildauer im Zentrum zu erhöhen. Es könnte sein, dass die bis dato Hauptfunktion Shopping an Wichtigkeit verlieren wird und alternative Angebote für den Kunden interessanter werden. Bestimmt werden aber auch in den kommenden Jahren Shopping Center eine wichtige Marktposition inne haben, auch wenn der Konkurrent E-Commerce noch weiter zulegen wird.

Frequenz, Turn-in-Rate und Conversion Rate, die Trilogie zum Umsatzerfolg. Nur, die Frequenz stand in den letzten beiden Jahren gehörig auf dem Prüfstand, und die Zukunft kann auch nur eines bieten: Ungewissheit. Wie geht es weiter mit Shopping Centern in Österreich? Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie und wie viel wir zukünftig einkaufen werden. Das „wie“ richtet sich primär an das Thema stationärer Einkauf vs. E-Commerce, das „wie viel“ benötigt ergänzend dazu die Beschäftigung mit den Themen Preisentwicklung in unterschiedlichen Konsumausgabengruppen der privaten Haushalte und Veränderung des Einkaufsverhaltens, etwa durch steigende Preise oder durch eine steigende Sparneigung der Konsumenten aufgrund unterschiedlicher Zukunftsängste.

Gute alte Handelswelt

Wie schön und einfach war die Welt ohne E-Commerce. Der Handel hat die Vorauswahl des Angebots getroffen, die richtige Menge vor Ort platziert, über den Preis informiert, über Produkte beraten und bedient. Die Konsumgüter wurden so nahe als erforderlich zu den Konsumenten gebracht: Güter des täglichen Bedarfs möglichst nahe zum Wohn- und Arbeitsort, Shoppinggüter durften auch etwas weiter entfernt liegen – shoppen geht man ja schließlich nicht alle Tage. Dafür sollte das Shoppen dann aber auch wirklich zelebriert werden können, breite Auswahl unter einem Dach war gefragt, um ein One-Stop-Shopping zu ermöglichen. Das Konzept Shopping Center, hier insbesondere der Agglomerationstyp Shopping Mall, war bis vor zehn Jahren die diesbezüglich einzige Wahl und schien auf einer sehr gut abgesicherten Position zu stehen.

Torpedo E-Commerce

Nun torpediert E-Commerce insbesondere das Shopping-Segment und damit gleichzeitig vor allem Shopping Malls. Dies deswegen, weil in großen Malls häufig jene Mieter situiert sind, die zwischenzeitlich verstärkt im E-Commerce tätig sind. Wir orten hier ein „Henne-Ei-Problem“: Just jene Mieter, die frequenztechnisch betrachtet durch E-Commerce-Aktivitäten an ihrem eigenen Ast sägen, beklagen sich über eine zu niedrige Frequenz in den Malls. Angesichts der Frequenzzahlen werden günstigere Mieten und eine Deckelung der Betriebskosten verlangt.

Malls in Zwangslage?

Manche Eigentümer mittlerer und größerer Malls stecken möglicherweise bald schon in einer Zwangslage, die in dieser Form vor rund zehn Jahren nicht wirklich absehbar war: Die Frequenzen stagnieren beziehungsweise entwickeln sich rückläufig, gleichzeitig schwinden die Einnahmen. Aufgrund der erforderlichen laufenden Weiterentwicklung von Shopping Malls eine heikle Angelegenheit: Eine höhere Attraktivität ist erforderlich, um Kunden zu halten, dazu muss aber investiert werden.

Vorwärtsgang mit Freizeitflächen und Gastro?

Droht hier eine Sackgasse, oder gibt es erfolgversprechende Ansätze zur Stabilisierung der Lage? Insbesondere große Shopping Malls, wie etwa das Supernova in Rudnik (Ljubljana, Slowenien), das Aleja in Ljubljana oder das Nivy in Bratislava versuchen, mit mehr oder weniger umfangreichen Freizeitkomponenten und einer besonders attraktiven Gastronomielandschaft Boden wettzumachen1. Auch das G3 in Gerasdorf bei Wien wird gerade in diese Richtung weitentwickelt. Wir können diesem Trend grundsätzlich einiges abgewinnen, gleichzeitig tun sich dabei aber doch schwerwiegende Fragen auf: Ist diese Fläche in der Vermietung rentabel genug? Möglicherweise noch viel gravierender die Frage: Können die bestehenden Shopmieter, etwa im Modebereich, die zusätzlich generierte Frequenz auch tatsächlich nutzen? Verschlechtert sich deren Turn-in-Rate wie auch Conversion Rate aufgrund der oben beschriebenen Konsum-Parameter weiter, verpuffen die – hinsichtlich der Rentabilität wohl ohnedies nicht „einfachen“ – Investitionen in Freizeit und Gastronomie.

Retail Park, des Investors Liebling

Die Retail Parks entkoppeln sich dieser Situation doch etwas stärker: Sie sind die modernen Nahversorger, haben ihren Shopflächen-Anteil im „unsensiblen“ Kurzfristbedarfssektor in den letzten zehn Jahren stark ausgebaut, weisen tendenziell preisaggressivere Angebotsformen auf, die vom E-Commerce weniger stark betroffen sind und werden von den Shopmietern wegen ihrer vergleichsweise günstigen Standortkosten sehr geschätzt.

Sorgen gerechtfertigt?

Aber möglicherweise machen wir uns – in Bezug auf E-Commerce und die weitere Rechtfertigung von Shopping Malls im stationären Flächengeschehen – heute unnötige Sorgen: Zalando schlittere im ersten Quartal 2022 wieder in die roten Zahlen, bei Amazon läuft das Handelsgeschäft aufgrund der massiv gestiegen Kosten – im Gegensatz zum wahren Umsatzbringer, dem „Cloud“-Geschäft, – in jüngster Zeit offenkundig etwas schleppend. Auch Dr. Christoph Teller, Vorstand des IHaM der Johannes Kepler Universität, geht in einer Analyse davon aus, dass die Kurve der Online-Shopper nun abflacht.

Während sich die Situation am E-Commerce Sektor sich möglichweise etwas entschärft, tauchen nun andere bedrohliche Wolken am Shopping-Center-Betreiber Himmel auf:

  • Energiekrise – (müßige) Diskussion über Weihnachtsbeleuchtung
  • Starke Preissteigerung (Güter, Verkehr, Wohnen, Energie)
    • dadurch explodierende Betriebskosten
    • dadurch Indexierung der Mietverträge
    • zu erwartende hohe Kollektivvertragsforderungen
  • Ukraine-Krise, russische Sanktionen (Luxussegment)
  • Lieferkettenausfälle
  • Fachkräfte und genereller Mitarbeitermangel
  • Vermehrte Unsicherheit beim Konsumenten

Man sieht, die Zeiten (und Aussichten) auch für Österreichs Shopping Center waren schon einmal rosiger, und an Herausforderungen wird es in nächster Zukunft nicht mangeln diese multiplen Krisen zu bewältigen.

Bestellbar ist die Dokumentation unter www.standort-markt.at/publikationen/category/shopping-center/

Ein Gastbeitrag von
Roman Schwarzenecker
ACSP – Austrian Council of Shopping Places

 

1) Apropos Gastronomie: Interessant und überraschend zu beobachten ist die konstante Entwicklung im Bereich der Gastronomie. In den letzten Jahren hörte man oft den Stehsatz „gastronomy is the new retail“. Oftmals wurde davon gesprochen, dass die Gastronomie die Entwicklung der Shopping Center vorantreibe und dass bis zu 25 Prozent der Flächen auf diese Bedarfsgruppe zukünftig entfallen werden. Diese Prognose ist aber auf der Fläche sichtlich nicht angekommen. Die Flächenanteile blieben in den letzten Jahren unverändert bei fünf Prozent und sind nur im Dezimalbereich nach oben gegangen. Wenngleich wir nicht mit einem derartigen Boom an Gastronomieflächen gerechnet hätten, sind wir aber selbst über die Stagnation überrascht.