Kampen ist mal wieder Spitze

Kampen
Der »Leuchtturm Kampen« auf dem Geestkern der Insel Sylt © Klaro195i – commons.wikimedia.org

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Shopping Places* Redaktion

Auf Sylt und Föhr wohnen wenige Menschen auf viel Fläche. Im hessischen Raunheim und im brandenburgischen Bliesdorf ist der Pro-Kopf-Verbrauch am niedrigsten. Und in den Metropolen müssen sich die Menschen einschränken, weil einfach nicht mehr genügend Platz ist. Der Wirtschafts- und Immobiliendatenanbieter empirica regio GmbH hat den Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch aller deutschen Gemeinden ab 400 Einwohnern ermittelt. Die Daten sollen helfen, nicht am Bedarf »vorbeizubauen«

 

Der Wirtschafts- und Immobiliendatenanbieter empirica regio GmbH hat den Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch aller deutschen Gemeinden ab 400 Einwohnern ermittelt. Dafür wurden knapp 9.000 Gemeinden und 107 kreisfreie Städte analysiert. Im Ergebnis wird vor allem in beliebten Ferienorten viel Wohnfläche pro Einwohner verbraucht, aber auch in den ländlichen Regionen steht den Menschen besonders viel Wohnfläche zur Verfügung. In den deutschen Metropolen rücken die Menschen dagegen näher zusammen und leben auf weniger Wohnfläche.

Ferienwohnungen und US-Stützpunkte erhöhen den statistischen Flächenverbrauch

Insbesondere auf den deutschen Nordseeinseln Sylt und Föhr wohnen den Daten zufolge wenige Menschen auf viel Fläche. Kampen auf Sylt zieht dabei an der Spitze mit 264 Quadratmetern pro Einwohner einsam seine Kreise. Es folgen Nieblum auf Föhr sowie Wennigstedt-Braderup, ebenfalls Sylt, mit 120,9 respektive 108 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf.

Viele Gemeinden mit einem besonders hohen, statistischen Flächenverbrauch liegen zudem im Umfeld von ausländischen Militärbasen, denn aufgrund des NATO-Truppenstatus sind die Soldaten und ihre Familienangehörigen von der Meldepflicht befreit. Das betrifft insbesondere viele Gemeinden in Rheinland-Pfalz im Umfeld der Stützpunkte Ramstein und Spangdahlem. Um beide Sondereffekte für die Auswertung zu bereinigen, wurden Gemeinden mit einem Anteil ab 5 Prozent Ferienwohnungen an allen Wohneinheiten (Basis: Zensus 2011) sowie alle Gemeinden im Umkreis von 20 Kilometer um Ramstein und Spangdahlem außer die Städte Kaiserslautern und Trier herausgefiltert.

Bliesdorf und Raunheim sind die sparsamsten Gemeinden

Die übrigen Gemeinden mit dem höchsten Wohnflächenverbrauch pro Kopf sind dann Beuren (Eifel) (75,2 m²/Kopf) und Bremm (74,6 m²/Kopf) in Rheinland-Pfalz sowie Aventoft (73,6 m²/Kopf) in Schleswig-Holstein. Die typische Gemeinde mit einem sehr hohen Wohnflächenverbrauch von mehr als 65 m² pro Kopf hat meistens bis zu 1.200 Einwohner, befindet sich im ländlich geprägten Raum und verlor in den vergangenen fünf Jahren an Bevölkerung. Vieler dieser Gemeinden hatten zudem im Zensus 2011 einen Leerstand von 5 bis 10 Prozent. »Dass gerade beliebte Ferienorte einen hohen Wohnflächenverbrauch aufweisen, überrascht nicht. Die hohe Zahl an Ferienwohnungen, die nicht als Erstwohnsitz fungieren, verzerrt diese Darstellung. Auch wenn es hier noch andere Sondereffekte wie den NATO-Truppenstatus gibt, so zeigt die Analyse, dass insbesondere in den ländlichen, eher peripheren Räumen der Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche besonders hoch ist«, erklärt Jan Grade, Geschäftsführer der empirica regio.

Besonders wenig Wohnraum pro Einwohner wird hingegen in den Gemeinden Raunheim in Hessen und Bliesdorf in Brandenburg (34,3 m²/Kopf) verbraucht. Schlusslichter in der Auswertung sind die niedersächsischen Gemeinden Friedland und Osterheide (28,4 bzw. 12,5 m²/Kopf). In diesen Gemeinden stehen größere Gemeinschaftsunterkünfte, wodurch die Statistik wiederum verzerrt wird.

Am Ende der Liste mit niedrigen Wohnflächen pro Kopf stehen viele Mittel- und Großstädte. Dabei fällt auf, dass neben Stuttgart (37,6 m²/Kopf) vier Städte aus dem Rhein-Main-Gebiet besonders niedrige Werte haben: Dietzenbach (37,5 m²/Kopf), Frankfurt am Main (37,4 m²/Kopf), Rüsselsheim am Main (37,3 m²/Kopf) und Offenbach am Main (35,0 m²/Kopf). Generell müssen Menschen in angespannten Wohnungsmarktregionen und den großen Metropolen auf weniger Wohnfläche pro Kopf zusammenrücken. In ländlichen Regionen nach EU-Definition (Degree of Urbanisation) liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Wohnflächen mit 51,4 m² am höchsten. In den Städten liegt er dagegen bei durchschnittlich 40,9 m². Dazwischen liegen sogenannte kleinere Städte und Vororte mit 47 m² pro Kopf. Gleichzeitig stieg die Wohnfläche pro Kopf zwischen 2015 und 2020 am stärksten in den ländlichen Räumen (+3,7%) und am geringsten in den Kernstädten (Großstädten) (+1,5%). »Gerade ländliche Regionen haben noch genügend Bauland und -platz, um neuen Wohnraum zu schaffen. Dort dominieren Einfamilienhäuser mit einem großen Flächenverbrauch pro Kopf. In peripheren Räumen führen aber auch zunehmende Alterung, der Wegzug der jungen Menschen und damit steigende Leerstände zu einer erhöhten Pro-Kopf-Wohnfläche«, erklärt Jan Grade.

Top-Städte haben den Flächenverbrauch ausgereizt

In den Top-Städten hingegen zeigt sich die Entwicklung des Wohnflächenverbrauchs als beständig. Berlin und Köln verzeichnen keinen Zuwachs. Pro Einwohner stehen dort seit Jahren jeweils 38,9 Quadratmeter zur Verfügung. Frankfurt am Main, München, Hamburg, Düsseldorf und Stuttgart konnten ein überschaubares Wachstum des Wohnflächenverbrauchs pro Kopf verzeichnen: Insgesamt haben die Einwohner dort zwei Prozent mehr Platz als noch 2015. In Düsseldorf ist die verbrauchte Wohnfläche pro Kopf mit 41,6 Quadratmetern von den Top-7-Städten am höchsten.

Hamburg (39,4) München (38,6), Berlin und Köln (38,9) sowie Stuttgart (37,6) folgen dahinter. Am wenigsten Platz haben Frankfurter. Sie müssen sich mit 37,4 Quadratmetern pro Kopf begnügen. »Es scheint, als sei der Flächenverbrauch in den Großstädten geradezu einzementiert. Selbstverständlich ist gerade in den Großstädten Platz Mangelware. Hohe Preise und ein angespannter Miet- oder Eigentumsmarkt führen entweder zum Kauf oder der Anmietung einer kleineren Wohnung oder zur Verbreitung von platzsparenden Wohnkonzepten wie Wohngemeinschaften«, erklärt Jan Grade. »Typischerweise bewegen sich Universitätsstädte allgemein in ähnlichen Flächenverbrauchsdimensionen, wie es die Metropolen tun.«

So verbrauchen etwa Leipzig, Hannover, Marburg und Gießen nur unwesentlich mehr Wohnraum pro Kopf als die Top-7-Metropolen. »Für Investoren und Bauträger lässt sich aus den durchschnittlichen Flächenverbrauchsdaten ein Rückschluss auf die besonders nachgefragten Objekte vor Ort ziehen. So kann vermieden werden, am durchschnittlichen Verbrauch vor Ort »vorbeizubauen«, sagt Grade. »Wichtig ist es aber, die Verbrauchsdaten mit Fertigstellungs-, Angebots- und Nachfragedaten zu koppeln, denn ein niedriger oder hoher Flächenverbrauch gibt keine Auskunft darüber, ob Fläche benötigt oder im Überfluss vorhanden ist.«


Ein Beitrag der
Shopping Places* Redaktion

»An den Top-Standorten stagnieren die Mietpreise ...«

Prof. Dr. Thomas Beyerle, Managing Director, Catella Property Valuation GmbH, hat für das Shopping Places* Magazine die wichtigsten Erkenntnisse aus der empirica regio-Studie interpretiert


In Düsseldorf ist die verbrauchte Wohnfläche pro Kopf mit 41,6 Quadratmetern von den Top-7-Städten am höchsten. Hamburg (39,4) München (38,6), Berlin und Köln (38,9) sowie Stuttgart (37,6) folgen dahinter. Am wenigsten Platz haben Frankfurter. Sie müssen sich mit 37,4 Quadratmetern pro Kopf begnügen. Aber Leipzig, Hannover, Marburg und Gießen weisen nur unwesentlich mehr Wohnraum pro Kopf als die Top-7-Metropolen aus. Was bedeutet das für künftige Projektentwicklungen im Wohnungsbau?
Thomas Beyerle: Ehrlicherweise sollten – neben der simplen Darstellung eines Status-Quo-Rankings – die Zahlen immer auch im Kontext der historischen und spezifisch lokalen Entwicklung interpretiert werden. Dass die Frankfurter aktuell am wenigsten Platz haben, kann man als eine Konsequenz der vergangenen Jahre, sprich Hochpreisinseln und hoher Anteil an Einpersonenhaushalten, interpretieren. Hinzu kommt eine kleine Stadtfläche (248 km²) im Vergleich zu Berlin (892 km²) oder München (310 km²). Aber an dieser Stelle laufen diese Vergleiche ja ad absurdum. Ich sehe weniger den Unterschied, sondern eher eine zunehmende Nivellierung um einen Durchschnittswert, beziehungsweise die Streuung nimmt insgesamt ab. Jetzt wird es interessant, denn rational-ökonomisch sollte das doch gar nicht so sein. Stichwort »Ländlicher Raum (mehr Fläche) versus städtischer Raum« (weniger Fläche)«. Das heißt für mich, dass Deutschland gar nicht so heterogen ist, die Lebensumstände, Moden, Trends passen sich offensichtlich an, wie beispielsweise die zunehmende Anzahl an sogenannten Einpersonenhaushalten zeigt. Für Projektentwickler kann das dann nur heißen: weniger zielgruppenspezifisch bauen, – also etwa nur Ein-Zimmer-Apartments, die im Moment zwar gut angenommen werden – sondern eher 2-3-Zimmer-Wohnungen, die langfristig gesehen weniger Risiko bergen.

Je ländlicher, desto mehr Flächenverbrauch scheint auch nur bedingt zu gelten: Die Gemeinden mit dem höchsten Wohnflächenverbrauch pro Kopf sind Beuren (Eifel) (75,2 m²/Kopf) und Bremm (74,6 m²/Kopf) in Rheinland-Pfalz sowie Aventoft (73,6 m²/Kopf) in Schleswig-Holstein. In Raunheim in Hessen und Bliesdorf in Brandenburg (34,3 m²/Kopf) werden noch weniger verbraucht als in den Großstädten und Metropolen. Wie sind solche Zahlen zu erklären?
Auch hierbei macht es Sinn, hinter die »Rohdaten« zu blicken und verschiedene Faktoren wie beispielsweise die soziale Komponente (Singularisierung der Haushaltsstrukturen oder Sterberate) mit in Betracht zu ziehen. Der weiter anhaltende Trend der Urbanisierung führt in vielen ländlichen Regionen, die häufig durch Einfamilienhäuser geprägt sind, zu Abwanderungen der jüngeren Bevölkerungsgruppen, was abermals den Flächenverbrauch je Kopf nach oben treibt. Es bleibt also sehr verzerrt, denn

  • Eltern/Alleinstehende bleiben allein in großflächigen EFH (Verzerrung der Daten nach oben).
  • Ein weiterer Trend ist die zunehmende Anzahl an Einpersonenhaushalten (nicht zu verwechseln mit »Singles«) (Verzerrung der Daten nach unten).
  • Die Vergleichbarkeit des Flächenverbrauchs pro Kopf auf Gemeindeebene aufgrund der starken Diversität der Standorte/Regionen/Strukturen ist noch komplexer als beim Vergleich der Top-Standorte.
  • Hinzu kommt noch ein Blick auf die sozialpolitische Auslegung zu Wohnraum, Stichwort »Wohngeld«: Dort heißt es: »Angemessener Wohnraum liegt in der Regel vor, wenn die Wohnung nicht größer als 45 – 50 Qua­dratmeter für einen Single ist. Für zwei Personen gelten 60 Quadratmeter als angemessen. Für jede weitere Person sind 15 Quadratmeter zusätzlich einzurechnen«.

Kann man aufgrund solcher Auswertungen eine Prognose wagen, wie sich die Preise für Wohneigentum und auch die Mieten in den kommenden Jahren entwickeln werden?
Ich finde, auch Nicht-Juristen sollten die Floskel »es kommt darauf an« gebrauchen dürfen! Denn auch hier kommt es wieder ganz auf regionale Faktoren an, wobei die Urbanisierung einen relevanten Faktor darstellen wird. In den Städten kann somit von steigenden Kauf- und Mietpreisen ausgegangen werden. Bei Wohnraum, der darüber hinaus noch vielfältig, flexibel und auf dem neuesten energetischen Stand ist, wird auch noch längerfristig ein Nachfrageüberhang bestehen bleiben. Hinzu kommen die dynamisierenden Effekte der Null-Zins-Politik. Was die Bestandsmieten betrifft, sollten wir uns auf eine »indexierte Stagnation« einstellen, primär durch ordnungspolitische Eingriffe wie etwa Mietendeckel. Auch wurde im Verlauf des vergangenen Jahres sichtbar, dass anscheinend in einigen Märkten eine Preisgrenze erreicht wurde. Über die Top-Standorte hinweg lassen sich zunehmend stagnierende Mietpreise feststellen.


Die Fragen stellte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion
Shopping Places* Magazine