Kampf den Leerständen

FuZos
Filialisten ziehen ab, Leerstand breitet sich aus in den FuZos. © Pixabay / Joergelman

Handel und Immobilien
Resilienz

Susanne Müller

Viele ehemalige Eins-A-Lagen unserer Klein- und Mittelstädte bieten ein trauriges Bild. Zu viele Leerstände, niveaudrückende Ramschläden und ungepflegte Häuser schrecken die verbleibenden Besucher ab. Die Eigentümer der ehemaligen Immobilienperlen in der Eins-A-Lage leiden und haben weder Ideen zur Problemlösung, noch den Mut, in eine Umstrukturierung ihrer Liegenschaften zu investieren. Die Abwärtsspirale scheint kein Ende zu finden. Eine Betrachtung der Experten Gerhard Kemper und Philip Granz von der HAWK Hochschule Holzminden.

Die Gründe für diese unschöne Situation sind schnell ausgemacht: Die umsatzstarken Filialisten, die in der Vergangenheit dort zu finden waren, meiden diese Standorte inzwischen konsequent und konzentrieren sich auf den boomenden Online-Handel und ihre Läden an stärkeren Standorten. Die Versorgung der Klein- und Mittelstädte soll vor allem online erfolgen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Flächenangebot an diesen Standorten oftmals zu klein und zu verwinkelt ist, häufig mit zu vielen Verkaufsebenen.

Filialisten sind passé

Bei den Hauseigentümern stirbt die Hoffnung zuletzt: Alternative Nutzungsmöglichkeiten, die nur niedrigere Mieteinnahmen versprechen, werden ignoriert. Es fehlen der Mut und die Entschlossenheit, neue Wege zu gehen und Geld in neue Lösungen investieren. Besonders Erbengemeinschaften, denen ja zunehmend die Häuser gehören, träumen lieber von den guten alten Mieten und tun sich schwer, die Realität zu akzeptieren. So generieren diese Häuser über Jahre Verluste und verfallen zusehends, da die Mieteinnahmen für Instandhaltung fehlen. Dabei gibt es Nutzungsalternativen, wenn man akzeptiert hat, dass der Filialist mit den hohen Mieten endgültig passé ist, und man bereit ist für eine neue Nutzung zu investieren.

Der Co-Autor Philip Granz hat in seiner Masterarbeit an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Holzminden alternative Nutzungsmöglichkeiten für die Nachvermietung dieser leer stehenden Immobilien erarbeitet. Seine Arbeit wurde mit dem Förderpreis 2022 der Kemper Stiftung für Immobilienlehre und -forschung ausgezeichnet. Seine Überlegungen werden auszugsweise nachfolgend kurz vorgestellt.

Flächenbedarf abchecken

Der Flächenbedarf von alternativen Nutzungen ist der Startpunkt der Nachnutzungsüberlegungen. Welche Minimum- und Maximum-Flächengrößen werden für unterschiedliche Nutzungsarten nachgefragt? Einzelhändler brauchen wenig Tageslicht in ihren Flächen. Daher sind Nachnutzungen, die viel natürliches Licht brauchen, häufig schwierig, es sei denn, man kann durch Lichthöfe oder neue Fenster die Belichtung verbessern. Oft können Ladenlokale nur über die Fußgängerzone beliefert werden, und das nur in eingeschränkten Zeitintervallen. Eine rückwärtige Anlieferungsmöglichkeit öffnet die Bandbreite für mögliche Nachnutzungen.

Förderungen können helfen

Innenstadtareale unterliegen Lärmschutzregeln, die lärmintensive Nachnutzungen, zum Beispiel Werkstätten, einschränken. Umnutzungen müssen von den Städten genehmigt werden. Wohnnutzungen sind zum Beispiel in der Regel unproblematisch, Spielhallen oftmals schwieriger. Neue Nutzungen bedingen in der Regel Umbaumaßnahmen unterschiedlicher Größenordnungen. Diese Kosten müssen im Verhältnis stehen zu den erzielbaren Mieteinnahmen und der Bonität des neuen Mieters. Hier können die Kommunen durch Förderungen und Garantien helfen, wenn die Innenstadt durch die geförderte Nachnutzung insgesamt an Attraktivität gewinnt. Die potenziellen Mieteinnahmen einer alternativen Nutzung spielen bei den Überlegungen der Hauseigentümer eine wichtige Rolle, bilden sie doch die Grundlage für eine nachhaltige Rentabilität der Liegenschaft.

Unterschiedliche Nutzungsarten

Vor dem Hintergrund dieser Einschränkungen wurden verschiedene Nutzungsarten untersucht. Wohnungen sind in den Ballungszentren sehr knapp, aber auch in Mittelstädten oft Mangelware. Zwar sind Erdgeschosswohnungen weniger nachgefragt, aber die Wohnungsknappheit macht vieles möglich, insbesondere wenn im rückwärtigen Bereich eine Gartennutzung möglich ist und die Flächen ausreichend belichtet sind. Wohnen im Stadtzentrum ermöglicht eine „Stadt der kurzen Wege“ und langfristige Vermietbarkeit, wenngleich die Umbaukosten oft teuer sind. Der Online Handel benötigt eine ausgefeilte Logistik. Für die „letzte Meile“ werden Zwischenläger gesucht, die aber eine 24-Stunden-Anlieferung bedingen. Mikro-City-Hubs und Paketshops gehören zu diesen Alternativnutzungen. Büroflächen und Co-Working Spaces profitieren von der zentrumsnahen Lage, brauchen aber eine ausreichende natürliche Belichtung der Flächen. Alle Anbieter von Gesundheitsdienstleistung profitieren von der zentralen Lage der Fußgängerzonen und können in der Regel auch schlechter belichtete Flächen nutzen, da nicht in allen Räumen permanent gearbeitet wird. Rehacenter, Arztpraxen aber auch Fitnesscenter und betreutes Wohnen sind klassische Nachnutzungen. Letztere fragen allerdings häufig sehr große Flächen nach.

Von Handwerk bis Unterhaltung

Urbane Manufakturen und typisches Ladenhandwerk mit angeschlossener Verkaufsmöglichkeit können die Sichtbarkeit der Fußgängerzonen gut nutzen. Dazu gehören Bäcker, Konditoren und Fleischer mit Regio-Öko-Profil, aber auch Mikro-Brauereien für Craft-Biere und gastronomische Spezialitätenhersteller. Auch Friseure, Textilreiniger, Kosmetiker, Uhrmacher oder Schuster gehören in diese Gruppe ebenso wie Fahrradshops und -werkstätten. Zu den He­raus­forderungen gehören gute Anlieferungsmöglichkeiten, die Mieterbonitäten und die potenzielle Miethöhe. Kultur und Unterhaltung beleben die Innenstadt. Dazu gehört die Gastronomie in allen Ausprägungen, aber auch Theater, Kreativwerkstätten und auch Museen. Bei Gastronomen sind Außenbewirtschaftungsmöglichkeiten hilfreich, aber die Umbaukosten generell oft hoch. Viele Kulturschaffende können keine hohen Mieten zahlen. Eine Unterstützung durch die Kommunen kann hier helfen. Kinderbetreuung im weitesten Sinne kann ebenfalls von den zentralen Lagen profitieren. Allerdings gibt es für Kindergärten, KITAs, Kinderbetreuungsstätten oder Indoorspielplätze strikte gesetzliche Vorgaben, und die Flächengrößen müssen ausreichend sein. Es gibt vielerorts eine Knappheit für diese Dienstleistungen, dennoch sind die gezahlten Mieten überschaubar.

Fleiß und Mut erforderlich

Diese Vorschläge erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigen aber, dass es Möglichkeiten gibt, leer gezogene Einzelhandelsflächen nachzuvermieten. Die Eigentümer brauchen Fleiß, Hartnäckigkeit, Mut, Entschlossenheit und Bereitschaft für Investitionen, um zum Erfolg zu kommen. Andernfalls droht die Höchststrafe für Hauseigentümer: eine Immobilie, die man weder vermieten noch verkaufen noch verschenken kann.