Konzepte für Konsumtempel
Aktuelles
Diskurs
André Stromeyer
In den letzten Jahren hat sich die Bedeutung des stationären Einzelhandels tiefgreifend verändert, und Shopping Center, die einst als wahre Tempel des Konsums galten, stehen heute zunehmend im Zentrum eines lebhaften Diskurses über Mixed-Use, Revitalisierung und Umnutzung. Dieser Wandel spiegelt die tiefgreifenden Veränderungen der Konsumgewohnheiten, urbanen Bedürfnisse und gesellschaftlichen Trends wider.
Shopping Center waren früher häufig auf eine einzige Funktion beschränkt: Die Kundinnen und Kunden sollten möglichst viel an einem Ort einkaufen können. Die wenigen gastronomischen Angebote sollten den Einkauf dabei nicht allzu lange unterbrechen, und die Sitzbänke in der Mall sollten nicht zu bequem sein, damit sich die Kundinnen und Kunden mehr in den Geschäften aufhalten. Diese Struktur hat sich im Laufe der Zeit zunehmend als problematisch erwiesen, insbesondere durch das Wachstum des Online-Handels und den Wandel der Konsumgewohnheiten. Einkaufen steht heutzutage in Konkurrenz zu anderen Freizeitbeschäftigungen und ist laut einer aktuellen Befragung für viele Konsumierende so unbeliebt wie Hausarbeit.
Update von einseitigen Nutzungskonzepten
Daher fanden in den letzten Jahren immer mehr Service- und Dienstleistungsangebote, Gastronomie-, Freizeit- und Entertainmentkonzepte, Praxen, Büros, Hotels und andere Nutzungen Einzug in den Branchen- und Mietermix. Auch die Gestaltung der Aufenthaltsqualität wurde und wird immer wichtiger. Es geht heutzutage darum, Orte zu schaffen, an denen sich die Kundinnen und Kunden wohlfühlen und gerne ihre (Frei-)Zeit verbringen.
So entstanden und entstehen immer mehr Mixed-Use-Konzepte, die die Integration vielfältiger Nutzungen innerhalb eines einzelnen Gebäudes oder Areals vereinen. Mixed-Use-Konzepte können dabei verschiedene Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit kombinieren. Diese Mischung sorgt unter anderem für eine kontinuierliche Frequenz und eine Risikostreuung für Investoren. Nicht nur bei Umstrukturierungen, sondern auch bei Neubauten von großflächigen Einzelhandelsimmobilien wird auf diese Durchmischung gesetzt.
Unser Projekt Husemann Karree in Bochum, das wir im letzten Jahr eröffnet haben, ist ein Beispiel für ein urbanes Mixed-Use-Quartier. Ursprünglich als reines Shopping Center mit einem hohen Einzelhandelsanteil geplant, haben wir das Konzept noch in der Planungsphase „über den Haufen geworfen“ und ein Mixed-Use-Quartier mit Büros, Hotel, Fitness, Gastronomie und auch Einzelhandel erstellt. Das Objekt war der Startschuss für die Neugestaltung der Innenstadt und sorgt für eine starke Belebung des Umfelds.
Veraltete Center neu beleben
Viele Shopping Center stehen aus den vorgenannten Gründen vor der Herausforderung, relevant zu bleiben. Laut verschiedener Studien haben von den rund 506 Shopping Centern in Deutschland knapp die Hälfte einen akuten Revitalisierungsbedarf. Viele der Shopping Center benötigen also dringend eine grundlegende Veränderung. Die Herausforderung dabei besteht darin, die Gebäude an die heutigen Bedürfnisse, Standards und Nutzungen anzupassen.
Vor der Planung grundlegender Umstrukturierungen müssen jedoch einige Fragen geklärt werden: Wo im Objekt habe ich die Möglichkeit, etwa für Büro- und Wohnnutzungen, Tageslicht in das Gebäude zu bringen? Wie sieht es mit der technischen Gebäudeausrüstung und der Statik aus? Welche Traglasten sind wo vorhanden, und welche werden benötigt? Wie sieht es mit dem Baurecht und den notwendigen behördlichen Genehmigungen aus? Passen die Anliefermöglichkeiten? Bei Leisure- und Entertainmentkonzepten müssen zudem noch weitere Punkte geklärt werden: Wie kann man die Flächen über die üblichen Center-Öffnungszeiten hinaus betreiben? Hier sind unter anderem Themen wie die Zugänglichkeit außerhalb der Öffnungszeiten, Sicherheit und Bewachung, Brandschutz, Aufteilung der Nebenkosten und weitere Aspekte zu beachten. Auch muss das passende architektonische Thema für das Center gefunden werden, welches die Besucherinnen und Besucher anspricht. Bei der HBB beschäftigen wir uns seit längerer Zeit sehr intensiv mit diesen Themen.
Rathaus Galerie Essen
Das Center in frequenzstarker Lage in der Innenstadt von Essen hatte zum Zeitpunkt des Kaufs durch Henderson Park und uns ein paar strukturelle Probleme. Einer der beiden Mall-Arme war deutlich schwächer frequentiert, und das Center war kaum in der Region verankert. Es fehlten die klare Positionierung und Aufenthaltsqualität. Wir haben eine Mall komplett für den Einzelhandel geschlossen und eine neue Food-Mall etabliert. Die Fassaden wurden nach außen geöffnet, damit die Kundinnen und Kunden beim Essen und Verweilen hinausschauen können und ein angenehmes Raumgefühl haben. Der Branchen- und Mietermix wurde an die Bedürfnisse der Kundschaft angepasst. Das Design des neuen Treffpunkts und die verbauten Materialien orientieren sich an den typischen Merkmalen des Ruhrgebiets. Am Ende der noch laufenden Repositionierung soll die Rathaus Galerie wieder der Treffpunkt für Essen und Umgebung sein.
Das FORUM Schwanthalerhöhe
Das vormals introvertiert gestaltete Möbelhaus wurde von uns zu einem offenen Einkaufsquartier umgestaltet, das das gesamte Münchner Westend belebt. Das Areal wurde komplett neu strukturiert, um kürzere Wege, lebenswerte grüne Plätze und bessere Beleuchtung zu schaffen und eine bessere Durchwegung des Quartiers zu ermöglichen. Nach der erfolgreichen Eröffnung 2019 folgte leider die Coronapandemie mit den entsprechenden Auswirkungen, und in den Folgejahren gab es zahlreiche Großbaustellen direkt um das Objekt herum. Da sich, wie bereits beschrieben, auch das Kaufverhalten grundlegend verändert hat, setzen wir aktuell die „Umstrukturierung der Umstrukturierung“ um und positionieren das Objekt nun als Mixed-Use-Immobilie mit starkem Entertainment- und Leisure-Anteil neu. Auch der Gastronomieanteil wird stark ausgebaut. Dadurch stellen wir das Objekt völlig neu am Markt auf.
EMS Quartier Meppen
Die HBB beteiligt sich derzeit als Dienstleister aktiv an der Restrukturierung des Ems Quartiers in Meppen (ehemals MEP). Ziel des Eigentümers, Generation 3 GmbH, ist es, einen innovativen Treffpunkt für Menschen und Unternehmen zu schaffen, der Einkaufsmöglichkeiten und viele weitere Angebote vereint. Auf rund 7200 Quadratmetern entstehen im Erdgeschoss attraktive Einzelhandels- und Gastronomieflächen mit Fokus auf Nahversorgung und Dienstleistung. Die Gastronomieflächen bieten eine neue Terrassenanlage mit tollem Wasserblick. Das erste Obergeschoss wird zukünftig keinen Handel mehr, sondern moderne Büroflächen mit Loftcharakter beherbergen, ergänzt durch ein Fitnessstudio, eine Veranstaltungshalle und Co-Working-Bereiche. Zudem wird ein neues B&B-Hotel die Gäste beherbergen. Dadurch entsteht ein völlig neues Mixed-Use-Objekt in einem zuvor klassischen Einkaufscenter.
Die Zukunft der Shopping Center
Grundsätzlich prüfen wir alle bei uns im Management befindlichen Objekte laufend darauf, ob der Branchen- und Mietermix noch zeitgemäß ist oder angepasst werden muss und ob neben Handels- und Gastronomiekonzepten weitere Nutzungen wie Blutspendedienste, Plasmazentren, Ärzte, städtische Nutzungen, Co-Working, Leisure- und Entertainmentkonzepte, Fahrschulen, Hotels, Wohnen oder andere Konzepte untergebracht werden sollten. Der Diskurs um Shopping Center ist ein Spiegelbild der sich wandelnden urbanen Landschaft und der sich laufend ändernden Konsumgewohnheiten. Mixed-Use-Konzepte, Revitalisierung und Umnutzung sind und bleiben auch in den nächsten Jahren zentrale Themen. Durch die beschriebene Kombination von verschiedenen Nutzungen und die kreative Umgestaltung von Bestandsgebäuden können Shopping Center (und auch andere Shopping Places) nicht nur wieder an Relevanz gewinnen, sondern auch zur Bereicherung und Belebung unserer Städte beitragen. Die Zukunft der Shopping Center wird vielfältig, dynamisch und integrativ sein.
Ein Gastbeitrag von
André Stromeyer