Mehr Licht, mehr Luft, mehr Sicherheit

Rolltreppe
Ultraviolettes Licht strömt aus einem Modul im Unterbau der Rolltreppe und desinfiziert die Handläufe © Schindler

Handel und Immobilien
Herausforderung

Hubertus Siegfried

Auch zehn Monate nach Beginn der Pandemie gibt es in ganz Europa keinen Fall, bei dem sich nachweislich ein Besucher oder Mitarbeiter eines Shopping Centers oder Ladengeschäfts mit Covid-19 infiziert hätte. Der Grund: Die Betreiber halten mit aufwändigen Hygienekonzepten das Virus erfolgreich in Schach. Inzwischen werden auch Millionen-Beträge für moderne Lüftungstechnik ausgegeben – eine Investition, die auch nach der Pandemie hilfreich sein dürfte. Denn sie kann nicht nur Sars-Cov-2-Infektionen vorbeugen, sondern auch anderen Virus-Erkrankungen wie beispielsweise der klassischen Grippe

Das Gerät ist klein, aber hocheffizient: Ul­traviolettes Licht, einer der potentesten Killer von Bakterien und Viren, strömt aus einem Modul, das im Unterbau von Rolltreppen platziert ist – und reinigt deren Handläufe von Sars-Cov-2- und anderen Krankheitserregern. »Unsere Technik gibt den Gästen ein gutes Gefühl, wenn sie sich am Handlauf festhalten und erhöht damit ihre Sicherheit«, sagt Frank Böhnert, Geschäftsführer für Neuanlagen und Modernisierung, Berliner Aufzugs- und Fahrtreppenspezialisten, dessen Experten die Technik entwickelt haben. »Sowohl Stürze als auch die Übertragung von Krankheiten per Handlauf werden verhindert.«

Die Apparatur säubert seit April unter anderem auch die Handläufe von Rolltreppen in zahlreichen Shopping Centern von Sonae Sierra. Die High-Tech-Desinfektion ist Teil des umfangreichen Maßnahmenpakets »Coronavirus-Pandemie - Aufschwung und neue Konzepte für den Betrieb von Handelsimmobilien«, das die portugiesische Holding mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro seit dem Ausbruch der Pandemie in 69 Einkaufszentren in zehn Ländern Europas und Lateinamerikas implementiert hat. Für das Gesamtprogramm wurde Sonae Sierra jüngst bei den 17. International Business Awards (IBA) für die »wertvollste unternehmerische Antwort auf Covid-19« mit dem Bronze Stevie Award ausgezeichnet.

Einkauf ist sicherer als ein Gottesdienstbesuch

Zum Programm zählen neben Hygiene- und Reinigungslösungen wie den UV-desinfizierten Handläufen der Rolltreppen auch die digitale Plattform »Online Shopping Centre«, über die Mieter ihre Waren auch über das Internet verkaufen können. Hinzu kommen neue Services wie Drive-In-Lösungen, Zählanlagen und digitale Tickets, um Warteschlangen vor den Geschäften zu verhindern. »Der disziplinierte und professionelle Ansatz sowie die große Wirkung der Initiativen, die der Immobilienverwalter Besuchern, Mietern und Kunden anbietet, sind sehr überzeugend«, lobt die IBA-Jury.

Das Konzept von Sonae Sierra ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Schutzmaßnahmen, mit denen Einzelhändler, Eigentümer und Verwalter von Handelsimmobilien auf die Corona-Krise reagiert haben. Mit Erfolg: Auch zehn Monate nach Ausbruch der Pandemie gibt es bislang keinen einzigen dokumentierten Fall, bei dem sich nachweislich Kunden oder Beschäftigte bei ihrer Arbeit in Shopping Centern, Einzelhandelsgeschäften, Super- oder Baumärkten mit Covid-19 infiziert haben. »Die Menschen stecken sich hauptsächlich im privaten Umfeld an, auf Parties, Hochzeitsfeiern, Beerdigungen und auch im Gottesdienst«, sagt Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts.

Auch die Hamburger ECE hat für die von ihr gemanagten 200 Shopping Center in 13 Ländern ein umfassendes Hygiene- und Präventionskonzept erarbeitet. Beginnend bei Abstandsmaßnahmen wie Bodenmarkierungen und Einweg-Regelungen, Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen reicht die Bandbreite bis hin zu Personenhöchstgrenzen samt Zutrittsbeschränkungen, persönlicher Schutzausrüstung für Beschäftigte und individuell erstellten Hygienekonzepten für die einzelnen Center. »Als die Geschäfte wieder öffnen durften, haben wir trotz der oftmals extrem knappen Vorbereitungszeit dafür gesorgt, dass der Betrieb in den Centern gut vorbereitet und unter Einhaltung aller Auflagen pünktlich wieder hochgefahren werden konnte«, sagt Ulrich Schmitz, Senior Director Center Management bei ECE. »Um das Risiko einer Infektionsübertragung in unseren Centern so gering wie möglich zu halten, setzen unsere Center-Teams gemeinsam mit unseren Mietern vor Ort umfassende Maßnahmen um, die den Besuchern unserer Center Sicherheit geben.«

Ein Hauptübertragungsweg des Corona-Virus sind offenbar Aerosole: Winzige Teilchen, die beim Ausatmen ausgestoßen werden und mehrere Stunden in der Luft schweben können. Haften Erreger an ihnen, können sich Menschen infizieren, wenn sie die Partikel einatmen. Eine Aerosolinfektion droht insbesondere dann, wenn sehr laut gesprochen oder gesungen wird. Deshalb ist es immer wieder zu sogenannten Super-Spreader-Events in Kneipen, Kirchen und bei Chorproben gekommen. Ein einziger Infizierter hat dabei bis zu 30 Gesunde angesteckt.

Lüftungsanlagen in Shopping Centern sorgen stetig für frische Luft

»Um die Aerosol-Übertragung zu verringern, muss die Viruslast aus dem Raum herausgefördert werden«, sagt Christian Drosten, Direktor am Institut für Virologie der Charité Berlin. »Das ist im Alltag möglicherweise entscheidender als Händewaschen.«  Damit dies in geschlossenen Räumen wie Shopping Centern und Ladengeschäften gelingen kann, sind Lüftungsanlagen nötig, die kontinuierlich frische Luft hereinbringen. »Sie führen vortemperierte und gefilterte Außenluft in die Räume und führen verbrauchte Luft nach außen ab«, sagt Barbara Kaiser, Leiterin der Fachabteilung Wohnungslüftung beim Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie. »Sie sorgen damit für einen ständigen Luftaustausch.«

Dadurch unterscheiden sie sich von Umluft-Klimaanlagen, wie sie in Schlachtbetrieben verwendet worden sind, wo es immer wieder zu massiven Infektionen gekommen ist. Bei Umweltanlagen zirkuliert ständig dieselbe Luft im Raum. Aerosole bleiben damit vor Ort und werden über Stunden hinweg von den Beschäftigten eingeatmet. In kleineren Geschäften, die von der vorhandenen Lüftungsanlage unzureichend mit Frischluft versorgt werden, können Luftreiniger mit Hepa-Filtern aufgestellt werden. »Diese Hochleistungsabscheide-Filter sind darauf ausgelegt, luftgetragene Partikel mit einem Wirkungsgrad von 99,95 Prozent zurückzuhalten«, schreiben Wissenschaftler des Umweltbundesamtes.

Neue Belüftung im Friedrichstadtpalast für zwei Millionen Euro

In die Vollen bei der Belüftungstechnik geht derzeit der öffentliche Immobiliendienstleister BIM Berliner Immobilienmanagement. Er lässt gerade die Lüftungsanlage im Friedrichstadt-Palast, der meistbesuchten Bühne in der Bundeshauptstadt, für rund zwei Millionen Euro vom Spezialisten Caverion bis zum Januar nächsten Jahres modernisieren. Die neue Anlage soll das denkmalgeschützte Gebäude mit 1.895 Sitzplätzen und die mit einer Fläche von 2.850 Quadratmetern größten Theaterbühne der Welt pro Stunde mit 150.000 Kubikmetern gefilterter Frischluft versorgen. »Gerade in geschlossenen Räumen wie Theatern ist eine funktionstüchtige und zeitgemäße Lüftungstechnik unumgänglich«, sagt Frank Krause, Geschäftsführer von Caverion. Das beugt nicht nur Sars-Cov-2-Infektionen vor, sondern auch anderen Krankheiten, die von Viren übertragen werden, wie der klassischen Grippe.

Frische Luft steigert Leistungsfähigkeit – auch nach Corona

Werden Gebäude mit ausreichender Frischluft versorgt, senkt dies nicht nur das Risiko, sich mit Keimen zu infizieren. Es stärkt auch die Gesundheit und Leistung der Beschäftigten. Nach einer Studie des Healthy Building Labs der Harvard University sind 57 Prozent der Erkrankungen von Bürobeschäftigten auf unzureichende Ventilation zurückzuführen. In einer weiteren Untersuchung fanden die Wissenschaftler der Universität in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts heraus, dass eine Verdoppelung der Frischluftzufuhr die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter um durchschnittlich 1,7 Prozent anhebt.

Das finnische Softwareunternehmen Nuuka Solutions hat eine digitale Steuerung für Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen entwickelt, die pro Stunde mehr als 600 Feineinstellungen vornehmen kann. Sensoren messen dabei den Kohlendioxid- und Feinstaubgehalt in den einzelnen Räumen oder Geschäftsflächen, die Außen- und Innentemperaturen sowie die Zahl der Menschen, die das Gebäude betreten und verlassen. Anhand der Auswertung dieser Daten wird die Frischluftzufuhr in Teilbereichen erhöht oder verringert. Ziel sei es, die Luftqualität zu optimieren und gleichzeitig die Heizkosten so gering wie möglich zu halten. »Das System kann fast alle heute in Gebäuden verwendeten Heizungs-, Klima- und Lüftungsanlagen steuern«, sagt Tuomas Pippola, CEO von Nuuka Solutions. Die Nachfrage nach solchen digitalen Steuerungen sei mit der Corona-Krise gestiegen. »Ein Trend, der auch künftig anhalten dürfte«, sagt Pippola. Mietern und deren Kunden ein »gesundes Gebäude zu bieten, wird zu einem dauerhaften Wettbewerbsvorteil«.

Ein Beitrag von
Hubertus Siegfried,
freier Journalist