Miete, Wertsicherung und Inflation

Rainer Burbulla
Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla © Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB

Handel und Immobilien
Resilienz

Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla

Im vergangenen Jahr nahm der Verbraucherpreisindex (VPI) eine Entwicklung, die viele kaum für möglich gehalten hatten. Im Januar 2017 lag der Punktestand bei 100,6, im November 2019 bei 105,3. Ein Jahr später im November 2020 war der Index sogar rückläufig und lag bei 105,0 Punkten, während er im Jahre 2022 mit einem Punktestand von 118,4 (im Juli 2022) in die Höhe geschnellt ist. Für viele Vermieter eröffnete sich damit – bei Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel im Mietvertrag – die Möglichkeit einer Mieterhöhung.

Überwiegend nahmen Vermieter diese Möglichkeit wahr. Zum Teil wurden Mieterhöhungen vorerst ausgesetzt, weil viele Mieter noch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen hatten. In letzteren Fällen zeigten sich in der Praxis nicht selten Schriftformprobleme, nämlich dann, wenn die einstweilige Aussetzung der Mieterhöhung nicht (richtig) in einem Nachtrag dokumentiert wurde. In ersteren Fällen kam es häufig zur Überprüfung des Mieterhöhungsverlangens und der mietvertraglichen Wertsicherungsklausel. Aktuell wird in Mietverträgen verstärkt über Wertsicherungsklauseln verhandelt.

Wirksamkeitsvoraussetzungen einer „echten“ Wertsicherungsklausel

„Echte“ Wertsicherungsklauseln unterliegen verschiedenen rechtlichen Voraussetzungen. Zunächst müssen die Parteien einen zulässigen Bezugsindex – wie den Verbraucherpreisindex (VPI) – vereinbaren (§ 3 Abs. 1 Preisklauselgesetz). Weiterhin muss eine langfristige Bindung des Vermieters von mindestens zehn Jahren gegeben sein (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) Preisklauselgesetz). Zudem darf die Wertsicherungsklausel den Mieter nicht unangemessen benachteiligen (§ 2 Abs. 1 Preisklauselgesetz), was vor allem der Fall sein kann, wenn die Wertsicherungsklausel im Ergebnis nur eine Mieterhöhung zulässt („Upwards only“). Ist eine Wertsicherungsklausel unwirksam, tritt die Unwirksamkeit für die Zukunft mit Rechtskraft eines den Verstoß gegen die Regelungen des Preisklauselgesetz feststellenden Urteils ein (§ 8 Preisklauselgesetz). Angesichts der von Vermietern vielfach geltend gemachten Mieterhöhungen Anfang letzten Jahres ließen viele Mieter die Einhaltung dieser Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Wertsicherungsklausel prüfen.

Schriftformfehler

Prüfstand waren diesem Zusammenhang nicht zuletzt Schriftformthemen. Denn bei einem Schriftformverstoß ist der Mietvertrag vorzeitig innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist kündbar mit der Folge, dass die zehnjährige Bindungsfrist des Vermieters entfällt.

Beispielsfall: Im Gewerberaummietvertrag vom 2. Januar 2020 haben die Parteien folgende Wertsicherungsklausel vereinbart: „Verändert sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte „Verbraucherpreisindex für Deutschland“ gegenüber dem Stand im Monat des Beginns des Mietverhältnisses um fünf Prozent, so verändert sich die Miete in dem gleichen prozentualen Verhältnis, ohne dass es einer Mietänderungserklärung des Vermieters bedarf. Die Miete verändert sich vom Beginn des nächsten auf die erstmalige Erreichung der Prozentzahl folgenden Monats an.“ Die Miete beträgt 1.000,00 Euro. Wegen der Corona-Pandemie verzichtet der Vermieter auf eine Mietanpassung bis Juni 2022, was nicht in einem Nachtrag zum Mietvertrag dokumentiert wurde.

Im Januar 2020 lag der Verbraucherpreisindex bei 105,2 Punkten. Eine fünfprozentige Veränderung war erstmals möglich im Oktober 2021. Da betrug der Indexstand 110,7 Punkte, das heißt, die Miete erhöhte sich auf 1.052,28 Euro. Eine weitere fünfprozentige Veränderung erfolgte im April 2022 (VPI 116,2 Punkte), das heißt, die Miete hätte sich auf 1.104,56 Euro erhöht. Insgesamt hätte sich die Miete damit um 156,84 Euro erhöht (104,56 Euro + 52,28 Euro). Infolge des Verzichts auf die Mietanpassung bis Juni 2022 machte der Vermieter ab Juli 2022 eine Mietanpassung geltend. Im Juli 2022 betrug der Indexstand 118,4 Punkte. Der Vermieter erhöhte die Miete deshalb auf 1.125,48 Euro, mithin nicht exakt nach den Vorgaben im Mietvertrag. Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegt aber jede abweichende Vereinbarung der Vertragsparteien zur Miethöhe dem Schriftformerfordernis. Wie im Beispielsfall kommt eine Abweichung von den Vertragsbedingungen zur Miethöhe nicht selten dadurch vor, dass eine Anpassung der Grundmiete nicht exakt entsprechend den Vorgaben der vereinbarten Indexklausel erfolgt. Erfolgt also – wie vorliegend – eine „falsche“ Indexberechnung (durch den Vermieter) und zahlt der Mieter die „falsch“ berechnete Miete, kommt ein Schriftformverstoß in Betracht. Allerdings ist zu beachten, dass die Abweichung gegenüber den Vorgaben im Mietvertrag zugunsten des Mieters wirkt. Denn der Vermieter hätte eine höhere Miete verlangen können, als er es tatsächlich getan hat. Insoweit ist bedenklich, ob sich ein Mieter tatsächlich auf einen Schriftformverstoß berufen kann. Denn eine Berufung auf einen Schriftformverstoß ist im Grundsatz nicht möglich, wenn eine Partei eine ihr günstige Abweichung vom Mietvertrag zum Anlass nimmt, die Schriftformkündigung zu erklären. Gleichwohl lässt sich über die Einhaltung der Schriftform in diesen Fällen trefflich streiten. Vor diesem Hintergrund sind die Mietvertragsparteien gut beraten, wenn sie in derartigen Fällen die Aussetzung der Mieterhöhung in einem Nachtrag bzw. später in einem Nachtrag die aktuelle Miete und die Indexanpassung konkret festhalten.

Ratchet-Klauseln

Weiteres Konfliktpotenzial besteht – gerade in älteren Mietverträgen – bei so genannten „Ratchet-Klauseln“. Diese sehen im Ergebnis nur eine Mietanpassung nach oben („Upwards only“) vor, was eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 2 Abs. 1 Preisklauselgesetz zur Folge hat.
Beispiel: „Der Vermieter ist berechtigt, die Miete nach seiner Wahl entsprechend der nachfolgenden Regelung jährlich anzupassen: Steigt oder fällt der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Verbraucherpreisindex der Bundesrepublik Deutschland (VPI), ändert sich die Miete ab dem darauf folgenden 1. Januar im gleichen prozentualen Verhältnis.“

Diese Preisklausel sieht zwar ausdrücklich vor, dass Mietanpassungen erfolgen können, wenn der Verbraucherpreisindex steigt oder fällt, lässt also Preisanpassungen nach oben und unten zu. Sie enthält jedoch eine unzulässige einseitige Indexierungsmöglichkeit, da nur der Vermieter berechtigt ist, eine Mietanpassung zu verlangen. Das führt faktisch dazu, dass die Miete über die Indexierung nur steigen kann, was wiederum den Mieter nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 Preisklauselgesetz unangemessen benachteiligt.

Deckelung der Wertsicherungsklausel wegen (aktueller) inflationärer Tendenzen

Erfreulicherweise waren die aktuellen inflationären Tendenzen nicht ganz so gravierend wie befürchtet. Gleichwohl wird über Wertsicherungsklauseln derzeit stark verhandelt, da Mieter – verständlicherweise – eine gewisse Kostensicherheit wünschen. Eine Möglichkeit, weiteren inflationären Tendenzen entgegenzuwirken, besteht darin, die Wertsicherungsklausel zu „deckeln“.

Beispiel: „Vermieter und Mieter vereinbaren eine Deckelung der jährlichen Indexierung. Danach darf die jährliche Anpassung fünf Prozent der Bezugsmiete aus dem vorausgegangenen Jahr nicht übersteigen oder untersteigen.“

Ein weiterer Lösungsansatz besteht darin, dass die Parteien einen längeren Zeitraum einer „indexfreien“ Zeit vereinbaren, dass also die Wertsicherungsklausel beispielsweise erst nach Ablauf von drei Jahren eingreifen soll und die „prozentualen Stellschrauben“ verändert werden, zum Beispiel keine hundertprozentige Anpassung, sondern lediglich eine Anpassung bei einer Veränderung des Verbraucherpreisindexes um 20 Prozent mit einer dann erfolgenden Veränderung der Miete um 70 Prozent etc.

Ausblick

Wertsicherungsklauseln in gewerblichen Mietverträgen bleiben auch in näherer Zukunft angesichts der weiterhin inflationären Tendenzen ein spannendes Thema. Vermieter und Mieter sollten daher bei der vertraglichen Ausgestaltung einer Wertsicherungsklausel besonderes Augenmerk auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen und die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Wertsicherungsklausel richten. Zum Teil sind die Parteien auch dazu übergegangen, von Wertsicherungsklausel Abstand zu nehmen und vermehrt Staffelmieten zu vereinbaren. In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere Streitfrage, die zuletzt gleichfalls wieder aktuell geworden ist. Es geht um die Frage nach der Zulässigkeit einer Kombination einer Staffelmiete mit einer Wertsicherungsklausel. Unstreitig ist, dass eine Kombination aus Staffelmiete und Wertsicherungsklausel jedenfalls dann wirksam ist, wenn die Indexierung an die letzte Mietstaffel anknüpft. Umstritten ist hingegen die Frage nach der Zulässigkeit einer Indexierung der jeweiligen Mietstaffeln. Eine abschließende Entscheidung des BGH zu dieser Frage liegt noch nicht vor.


Ein Gastbeitrag von
Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla
Partner der Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB, Düsseldorf