Mietvertragsgestaltung in Zeiten des Wandels

Gewerbemietvertrag
Wie sieht der Gewerbemietvertrag der Zukunft aus? © VadimGuzhva – stock.adobe.com

Handel und Immobilien
Konsum

Dr. Sebastian Orthmann

Nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie befindet sich der Einzelhandel im Wandel. Bereits zuvor ist der Online-Handel zum stationären Einzelhandel in Konkurrenz getreten. Die Pandemie wirkte für diese Entwicklung wie ein Brandbeschleuniger. Besonders deutlich zeigt sich das bei den Neuvertragsmieten in den sieben größten deutschen Städten: Nach einer aktuellen IVD-Analyse sanken die Neuvertragsmieten um durchschnittlich 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum

Doch die zunehmende Konkurrenz durch Online-Shops stellt nicht die einzige Herausforderung für den Einzelhandel dar. Auch Nachhaltigkeitsaspekte müssen in Zukunft verstärkt Berücksichtigung finden. All dies hat auch auf die rechtliche Gestaltung von Mietverträgen Auswirkung. Welche Aspekte sind besonders betroffen?

Anspruch auf Mietanpassung?

Das für den 1. Dezember 2021 angekündigte Urteil des BGH zu der Frage, ob die pandemiebedingten behördlichen Anordnungen einen Anspruch auf Mietanpassung gewähren, wurde auf den 12. Januar 2022 verschoben. Der BGH hat jedoch im Rahmen der Verhandlung die sich bereits abzeichnende Tendenz durchblicken lassen, dass diese Frage einer Einzelfallbetrachtung unterliegt und diverse Kriterien für die Abwägung eine Rolle spielen, unter anderem der Nachweis über die pandemiebedingte Umsatzreduktion, die Möglichkeiten, Ersatzumsatz zu erzielen, Coronahilfen in Anspruch zu nehmen und Kosten zu reduzieren und die Umsatzkraft der betroffenen Unternehmen. Danach ist es unwahrscheinlich, dass sich der BGH für eine pauschale Betrachtungsweise (z.B. Mietreduktion von 50 Prozent) aussprechen wird. Soweit Mietvertragsparteien über etwaige Mietreduzierungen während der pandemiebedingten Beschränkungen noch keine Einigung getroffen haben, sollte noch bis zum Vorliegen des Urteils abgewartet werden. Auch danach dürfte jedoch wenig Klarheit für den Einzelfall bestehen.

Welcher Umsatz ist für die Umsatzmiete maßgeblich?

Der stationäre Einzelhandel verzahnt sich zunehmend mit dem Online-Vertrieb, zuletzt insbesondere in Form von »Click and Collect« und dem Verkauf über das Internet mit gleichzeitiger Präsentation der Waren und Beratung dazu in ausgewählten Ladenkonzepten. Rechtlich bedeutsam ist dies vor allem, wenn eine Umsatzmiete vereinbart ist.

Um größtmögliche Sicherheit für beide Vertragsparteien zu erlangen, sollte der Umsatzbegriff im Mietvertrag klar und eindeutig definiert sein. Zwischen den Parteien wird zu besprechen sein, inwieweit Umsätze, die im Internet erzielt werden, für diese Definition herangezogen werden können. Dies gilt umso mehr, wenn der Internet-Umsatz von einer vom Mieter separaten rechtlichen Einheit generiert wird. Im Sinne einer klaren Regelung könnte zum Beispiel die Vertriebsorganisation des Mieters im Einzelnen dargestellt und mit dem Hinweis versehen werden, welche Umsätze davon als relevant für die Umsatzdefinition angesehen werden. Ergänzend könnte eine Eingrenzung des Auslieferungsgebiets, beispielsweise anhand von Postleitzahlen, vorgenommen werden, innerhalb dessen Onlinebestellungen noch als dem Mietobjekt zurechenbarer Umsatz gelten.

Inwieweit solche Definitionen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten, wenn sie als AGB verwendet werden, sollte jeweils sehr sorgfältig im Voraus sondiert werden.

Teilpauschalierte Nebenkosten

Während außerhalb von Deutschland in vielen Ländern Nebenkosten pauschaliert werden, ist dies in Deutschland bislang nur in engen Grenzen möglich. Die Vereinbarung von nicht angreifbaren Nebenkostenregelungen einerseits und die exakte vertragsgemäße Abrechnung stellt den Vermieter regelmäßig vor große Herausforderungen und zu einem nicht unerheblichen Anteil werden Nebenkostenabrechnungen angegriffen. Um dies zu vermeiden, kann versucht werden, jedenfalls in Bezug auf die nicht verbrauchsabhängigen Positionen eine Pauschale zu vereinbaren. Dies hat den Charme einer nicht angreifbaren Regelung. Zudem kann der Vermieter Skaleneffekte erzielen und Nachhaltigkeitskonzepte zum Teil einfacher umsetzen. Jedoch sind auch dabei die Grenzen des AGB-Rechts zu beachten.

Nachhaltigkeit

Aufgrund des nicht umkehrbaren Trends zur Nachhaltigkeit werden zunehmend Regelungen dazu in den Mietvertrag aufgenommen.

Reine Absichtserklärungen zu einer nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung des Mietobjekts sind für die Erreichung der von Vermietern und Mietern verfolgten Ziele in der Regel nicht ausreichend. Aufgrund der EU-Taxonomie und der Offenlegungsverordnung sind sowohl Vermieter als auch Mieter oftmals bereits jetzt gehalten, bestimmte harte Kriterien in Bezug auf die Nachhaltigkeit zu erreichen oder zumindest messbar zu machen.

Selbst wenn ein Vermieter derzeit noch nicht zur Einhaltung harter Kriterien verpflichtet ist, dürfte er jedenfalls mit Blick auf eine mögliche Veräußerung der Immobilie in der Zukunft gut beraten sein, die sich im Markt herausbildenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit in den Mietverträgen umzusetzen. Schließlich repräsentieren bereits heute die in Europa aufgelegten Immobilienfonds, die nach Art. 8 beziehungsweise Art. 9 der Offenlegungsverordnung qualifizieren, 25 Prozent des europäischen Fondsvermögens. Spannend bleibt, ob sich insoweit ein Marktstandard für die Nachhaltigkeitskriterien in Mietverträgen durchsetzen wird, da die Marktteilnehmer sich selbst oftmals voneinander abweichende Anforderungen auferlegt haben.


Ein Beitrag von
Dr. Sebastian Orthmann
Rechtsanwalt | Partner
EMBA (M&A)
Dipl. Immobilienökonom (ADI)