Mit Dampf ans Eingemachte

GCSP Powerdays
Viele fachliche Diskussionen prägten beide Tage. © GCSP

Insight
Courage

Susanne Müller

Impulse geben, Kompetenzen bündeln, drängende Fragen offen diskutieren: Die Powerdays des GCSP im Industrie-Club Düsseldorf brachten die Formate Center-Management- und Marketing-Konferenz sowie Retail- und Leasing-Konferenz unter einen Hut. „Diese Kombination tut uns offenbar gut“, zeigten sich Vorsitzende Christine Hager und General­sekretär Ingmar Behrens angesichts rund 140 Teilnehmenden an beiden Tagen zufrieden mit der Resonanz.

Bei der Center-Management-Konferenz am ersten Tag stellte Lena Knopf vom EHI Retail Institute als Auftakt die Ergebnisse einer bisher unveröffentlichten Umfrage zum Centermanagement vor und lieferte damit ganz aktuelle Zahlen. Sie erklärte unter anderem den Trend  zur Komprimierung von Retailflächen zugunsten von Mischnutzungen– am beliebtesten ist dabei das Segment Freizeit und Entertainment, gefolgt von Sport und Gesundheit. Gewünscht sind von Seiten der Center-Manager eine bessere Beteiligung der Mieter, mehr Offenheit bei den Investoren und Praxisnähe aus den Reihen der Politik.

Best-Practice-Beispiele

Ted Walle, Head of Center Management bei Kintyre, referierte über die Weiterentwicklung von Einkaufszentren zu multifunktionalen Kiez-Quartieren und nannte als gelungenes Beispiel das Ring-Center 1 in Berlin, dessen Refurbishment-Vollendung für 2025 vorgesehen ist. Das Objekt steht exemplarisch für die Neucodierung eines Konsumtempels zum Mixed-use-Hub. Dies mit einem deutlich verringerten Retailanteil und stattdessen einem Schwerpunkt auf Freizeit und Erholung.

Markus Kratz (kplus konzept) päsentierte unter anderem das Allee Center Trier als Best-Practice-Format für eine veränderte Lebens- und Denkweise. Grünflächen, Sitzgelegenheiten, ein Plus an Freizeit und ein cooles Design zeichnen das Projekt aus. „Kunden erwarten mehr Gas­tronomie und Entertainment“, stellte er klar. „Die Shopping-Monokultur ist vorbei. Center müssen stattdessen ganzheitlich gestalten.“

„Bahnhof neu gedacht“ ist ein Projekt in Münster, das Thomas Binsfeld (Landmarken AG) präsentierte. Dort entsteht ein vertikales Stadtquartier inklusive Süd-, Mittel- und Nordturm, Tiefgarage und Zugang zu den Gleisen, mit Hotel und Wohnen, Handels- und Gastroflächen. Der Clou: Eine zweite Vorderseite wurde geschaffen.

Wege zur Datenerhebung

Wie sich die Kundenbindung in Einkaufszentren durch GPS-basiertes Tracking optimieren lässt, wusste Jan Barenhoff (PlaceSense). Basis zur Datenerhebung sind die Millionen Smartphone-Nutzer, deren Apps ständig Signale senden. Durch diese Methodik lassen sich unter anderem Aufenthaltsdauer, Frequenzen und Lauflagen in einem 360-Grad-Blick ermitteln – auch bereits vor Eröffnung eines Objektes oder Quartiers. Neue Möglichkeiten fürs Center Management präsentierte auch Sebastian Deppe (Ariadne): Das Programm stellt die physische Customer Journey dar und erhebt sämtliche Bewegungen in Echtzeit über Handysignale, die auch im Flugmodus gesendet werden. Auf dieser Basis ist Ariadne in der Lage, den exakten Standort und den Weg der Kunden zu bestimmen. Dies gelinge sogar innerhalb von Stores.

Let’s create more Happy Places

Einen Bogen von Nachhaltigkeit bis Retailtainment schlug Volker Katschinsky (dan pearlman). Er propagierte das Denken „out of the Box“ und benannte das LOOP 5 in Weiterstadt als Exempel: Mit einem noch im Bau befindlichen Sky Park inklusive Freefall-Tower, Zipline und Klettergarten, dem Foodheaven oder auch dem Candyland setzen die Macher dort stark auf den Familienfokus. Virtuelle Elemente verschmelzen mit architektonischen Finessen. Nachhaltigkeit hingegen ist Globetrotter in Bonn besonders gut durch die einfallsreiche Verwendung recycelter Ladenelemente gelungen. Seine Botschaft: „Let’s create more Happy Places!“

Trends von heute und morgen

Marketingtrends aus den USA stellte Christoph Ernst von der Agentur Serious vor, frei nach dem dort populären Motto „Happy every Hour“. Darunter der Schwerpunkt auf digitale Marketingkampagnen in höchster Qualität sowie Multichannel-Marketing, wie es zum Beispiel die Mall of America mit männer- und frauenspezifischen Inhalten schafft, die zu bestimmten Anlässen sogar in den offiziellen  TV-News laufen. Auch Influencer nehmen in der Vermarktung eine immer größere Rolle ein, ebenso wie die Personalisierung in beispielsweise Shopper-Clubs. Kurzum: „Always a Wow“ – Shopping werde zur Party.

Daniel Dalsasso (MEC) befeuerte den Trend im Anschluss mit seiner Präsentation des Social-Media-Studios „I LIKE!“, das als Kulisse für Insta-Fotos, Events und Retail im Stern Center Lüdenscheid hohe Wogen schlägt. Immaterieller Luxus werde immer wichtiger – diese Nische gelte es zu besetzen. Neuester Plan ist, dort Livestream-Shopping zu realisieren, und für die nahe Zukunft sei eine Dating-App mit KI-Avataren angedacht.

Die Brennpunkte der Centermiete erfasste Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla (Langguth & Burbulla). Als Eckpfeiler benannte er die Schriftform des Mietvertrages, Mietzahlungspflichten, Instandhaltung und -setzung, das Mängelrecht sowie die Gewerberaummietpflicht und führte detailliert die jeweiligen Fallstricke auf.

Augen auf bei Sicherheit

Ein weiterer Hinhörer des Tages war der Vortrag von Sonja Flemming vom niedersächsischen Verfassungsschutz: Sie erläuterte die verschiedenen Ausprägungen von Extremismus im urbanen Raum und appellierte eindringlich zur Vorbereitung gegen Mobs und Cyber-Hacking bei Handels­immobilien. Dabei führte sie sowohl rechte als auch linke Demos in Innenstädten sowie Ausländerextremismus an. Ihre To-do-Liste: Erreichbarkeit gewährleisten, Notfälle üben, networken und informieren, Mitarbeiter briefen, Fehlerkultur pflegen – kurzum: Awareness bewahren.

Welche Sicherheitsthemen speziell in Shopping Places relevant sind, beleuchtete André Manecke (WISAG): Er verwies auf das Handbuch zu Terror- und Amoklagen des Verbandes. Auch hat das Risk & Resielience Board des GCSP aufgrund komplexerer Gefahrenlagen kürzlich einen Re-Start erhalten. Eine aktuelle Mitgliederumfrage des GCSP hat ergeben, dass Cybercrime ganz oben auf der Sorgenliste steht, gefolgt von Anschlägen auf kritische In­frastruktur, Pandemien, Kriminalisierung und Radikalisierung. Er empfahl den intensiven Dialog mit den Dienstleistern, um je Center die richtige Strategie zu entwickeln. Jetzt nichts zu tun, sei fahrlässig.

„Lehre gegen Leerstand“ war Thema von Michael Zingel (IREBS). Sein Credo für Retail-Manager ist der Weg vom Verwalter zum Gestalter – weg vom reinen Vermietungsmanagement und hin zu mehr Transformation und Strategie. Immobilien neu denken, eine flexible Hülle gestalten, Sichtbeziehungen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität, Wandel durch Nachhaltigkeit – diese Skills sollten sich Center Manager aneignen.

Erfolgsformel für Vermietung

Der zweite Tag, durch den Dirk von der Ahé (Sonae Sierra) und Dr. Andreas Martin (CONCEPTA Projektentwicklung) geleiteten, war Retail- und Leasing-Themen gewidmet. Klaus Striebich (RaRE Advise) gab einen Überblick aus Vermietungen von früher bis heute und resümierte: „Die Erfolgsformel ist Standort mal Konzept mal Angebot mal Management.“ Der Mieter fordere heutzutage Information und Kommunikation. Aus Retail-Trends ließen sich die entsprechenden Konditionen und Themen am besten ableiten.

Ein Panel unter Regie von Jens Betge (Jens Betge Real Estate ) drehte sich um Expansion und Insolvenzen, schleichende Leerstandsquoten in etablierten Centern, die Wünsche der Mieter in Luxuslagen und der Suche nach den optimalen Standorten. Einige Resultate waren, sich proaktiv um Leerstände zu kümmern, damit nicht auch die Nachbarschaft Probleme bekommt, potente Kunden zu gewinnen, im Center eine Einheit zu schaffen und die Strahlkraft nach außen zu tragen. Also weg vom starren Mietsystem zugunsten kreativer Ideen.

Risiken mit Mietern teilen

Steffen Hofmann (ambas Real Estate) berichtete in seinem Vortrag von der Kapitalseite über standort- und objektbezogene Faktoren und trat im Nachgang in einen Dialog mit Klaus Striebich. Die Relevanz des Standortes werde immer wichtiger, führte Hofmann aus, und Aufmerksamkeit müsse den Cashflows wie unter anderem vertragliche Regelungen, den Marktzyklen im Hinblick auf exogene Fakten wie Krisen und politische Stabilität sowie der Asset Performance wie Umsätze und Flächenproduktivität gewidmet sein. „Es wäre fatal, bei Mehrwert und Qualität nichts ins Produkt zu investieren“, so Hofmann.

Gerade bei Altmieten lohne es sich, genau hinzuschauen und mögliche Exit-Szenarien durchzuspielen, meinte Philip Meichssner (Osborne Clark). Beim Schutzschirmverfahren zum Beispiel gelte das einseitige Kündigungsrecht, nach Covid hätten flexible Laufzeiten zugenommen, Mietpreise seien aber verhandelbar. Pop-Up-Stores sind noch einmal ein Sonderfall. Entgegenkommen könne sich generell für Vermieter auszahlen – oder beispielsweise eine Umsatzbeteiligung. „Vermieter sollten Risiken mit den Mietern teilen“, so sein Rat.

Pop-Ups und Multichannel-Konzepte

Apropos Pop-Ups: Diese Geschäftsform rückte Klaus Rethmeier (ECE Maketplaces) ins Spotlight und zählte diverse Varianten auf – darunter das Konzept zur Leerstandsüberbrückung, zur agilen Vermietung oder auf eigens dafür frei gehaltenen Centerflächen. Als flexible Spaces können sie Stories erzählen, Klicks generieren und zur Marktbeobachtung dienen. „Auch das Provisorium ist eine Strategie“, schlussfolgerte er.

Dass sich Online-Brands und stationärer Handel gegenseitig stärken können, führte Tim Mayer (The Retail Agency) aus. Bei entsprechender Innovationsbereitschaft könnten Eigentümer und Betreiber auf „Erlebnisrendite“ hoffen, nämlich höhere Frequenzen und ebenso die Verweildauer, gesteigerte Umsätze in beiden Sparten, mehr Homepage-Besuche, Likes und Kommentare auf Social Media sowie PR-Feedback.

Susanne Müller