Neuer Hotspot für Berlin

Handel und Immobilien
Optimismus
Susanne Müller
Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist das Märkische Zentrum im Norden Berlins eine Institution, Herzstück des Märkischen Viertels mit Strahlkraft in die angrenzenden Statteile. Doch am 1969 eröffneten und mehrfach umgestalteten Shopping Center hat der Zahn der Zeit genagt. Kintyre macht nun Nägel mit Köpfen und gestaltet das Objekt bis 2025/26 zum multifunktionalen Märkischen Quartier um – mit deutschlandweitem Vorbildcharakter.
„Shopping Center sind sozusagen die Dinosaurier des bedarfsorientierten Einzelhandels. Die Anforderungen von vor 20 oder 25 Jahren lösen sie mittlerweile nur noch zum kleinsten Teil ein“, erläutert Ted Walle, Partner und Head of Center Management bei Kintyre, die Intention hinter dem Bauvorhaben. „Corona, Krieg, der Zinsanstieg und weitere Faktoren haben wie ein Brennglas gewirkt und in der Retail-Landschaft einen Bruch verursacht. Wir von Kintyre sehen in der aktuellen Situation jedoch auch Chancen. Das Kaufverhalten hat sich drastisch verändert, unter anderem befeuert vom Generationenwandel, und auch der ökologische Fußabdruck spielt zunehmend eine Rolle. Daran müssen sich Entwickler anpassen. Heutzutage genügt es nicht mehr, schlicht Einzelhandelskonzepte zu bedienen. Objekte müssen auch eine gute Standortlage haben, dann lohnt sich ein Umbau.“
Hybrider Nutzungsmix
Das ist beim Märkischen Zentrum zweifelsohne der Fall. Nichtsdestotrotz haben in den vergangenen Jahren die Frequenzen nachgelassen. Und so nimmt Kintyre jetzt die Neupositionierung in Angriff: Entstehen soll auf zukünftig 85.000 statt aktuell 55.000 Quadratmetern ein Premium-Produkt mit hybridem Nutzungsmix aus Retail-, Gastronomie-, Entertainment-, Bildungs- und Gesundheitsangeboten. „Dass solche Konzepte, die ein Einkaufszentrum zur multifunktionalen Quartiersentwicklung avancieren lassen, wirklich funktionieren, lehrt die Statistik: Studien zufolge besuchen Kunden, die ein Shopping Center mit einem starken Angebot aus dem Freizeitsektor nutzen, das Center im Schnitt acht Mal mehr pro Jahr, sie halten sich dort 73 Minuten länger auf und geben im Schnitt etwa das 1,6-Fache aus. Ein attraktives Freizeit- und Gastronomieangebot wirkt damit als Frequenzbringer für das gesamte Center, jedoch nicht ausschließlich“, sagt Ted Walle. Besucher aus anderen Kiezen und Pendler abzufangen, ist jedenfalls erklärtes Ziel. Und das Potenzial ist enorm: fußläufig erreichbar für 30.000 Anwohner und im unmittelbaren Umfeld für 170.000 Kunden.
Ideale Standortbedingungen
Dass das Märkische Zentrum seit jeher von Synergien profitiert, ist ein echter Glücksfall. In der Nachbarschaft finden sich Schwimmbad, Kulturhaus, Gymnasien, Schulen, Kitas und weitere Grün- und Freizeitanlagen – optimal, um das Quartierskonzept zu realisieren. „Hinzu kommt, dass abgesehen vom Märkischen Zentrum in diesem Viertel kein großartiger Einzelhandel existiert – der Wettbewerb ist also gering. Bei all unseren Projekten schauen wir explizit, welche Bedürfnisse die Anwohner haben, und betrachten sorgfältig die Mikrolagen. Shopping Center wurden schon damals multifunktional gedacht, mit Versorgungswürfeln wie Essen und Trinken, Drogerie, Bekleidung, Spielwaren und ähnlichen Angeboten. Diese Grundbedürfnisse sind heute noch die gleichen. Doch auch Mediziner oder Optiker gehören zum täglichen Bedarf. Neu positioniert haben wir im Märkischen Zentrum bereits ein Ärztehaus mit 35 Praxen und zwei Apotheken. Das zieht Besucher aus ganz Berlin an.“
Markthalle und neuer Stadtplatz
Das Refurbishment umfasst weitere attraktive Maßnahmen. So wird das Gastronomieangebot in eine 3500 Quadratmeter große Markthalle mit flexiblen Standsystemen nebst Event-Saisonalverkaufs- und Aktionsflächen verwandelt – „wer hat das schon, eine Markthalle“, freut sich Ted Walle auf die Zukunft. Ein neuer Stadtplatz mit Außengastronomie, Brunnen und Spielflächen wird geschaffen – das unterstreicht die Funktion des zukünftig neuen Märkischen Quartiers als sozialen Mittelpunkt des Stadtteils. „Der Quartiersgedanke ist im Grunde eine Renaissance – nur größer und hübscher als früher, gespickt mit Services, in ansprechendem Design, mit Wow-Atmosphäre in hoher Qualität“, sinniert Ted Walle.
Flexible Flächenplanung
Augenmerk richtet Kintyre auch auf flexible Flächenplanung. „Große Flächen werden kleinteilig – für mehr Vielfalt. Wir bedenken bei der Planung schon im Vorfeld, dass möglicherweise alle vier, fünf Jahre Zwischenwände umgestellt werden müssen, wenn zum Beispiel ein Großmieter wegbricht. Mittels 3-D-Planung sorgen wir jetzt schon für Lichthöfe, Schächte und so weiter vor, denken zukünftige Retail-, Praxis- und Logistikflächen gleich mit.“ Viel ist schon passiert: In den vergangenen Jahren wurden im Märkischen Zentrum 30 Prozent der Mieter umverlagert, um Baufreiheit zu schaffen. 2020 erfolgte der Abriss von rund 40 Prozent der Bestandsflächen im laufenden Betrieb. Aktuell entstand dadurch eine Vermietungsquote von mehr als 90 Prozent im Bestand, davon 100 Prozent vermietete Büro- und Praxisflächen auf 10.000 Quadratmetern.
Wohnen mit Kita und Dachgarten
Ein neues 20-geschössiges Wohnhaus mit mehr als 330 Wohnungen, dazu ein Kindergarten auf dem Dach mit 130 Kita-Plätzen, ein 8000 Quadratmeter großer Dachgarten sowie zwei je 1500 Quadratmeter große Spielplätze und eine Roof-Top-Parkanlage mit 4000 Quadratmetern ausschließlich für die Wohnungsmieter und Mitarbeiter des Centers sollen das neuen Märkische Quartier beleben und der Work-Life-Balance der zukünftig über 1000 Mitarbeiter am Standort Rechnung tragen. Einen weiteren Schwerpunkt im Refurbishment bildet die Integration von Sport- und Freizeiteinrichtungen. Die spannende Nutzungs- und Funktionsmischung sowie die Einbindung von stationärem Handel, Erlebnis und digitalem Kontakt sollen den Erlebnisfaktor erhöhen, zugleich wird das Angebot für den täglichen Bedarf ausgeweitet.
Wurm muss dem Fisch schmecken
Die Planer von Kintyre sind sicher, dass das Projekt den Berliner Stadtteil Reinickendorf bezirksübergreifend nachhaltig aufwertet und attraktiver macht. „Letztendlich muss der Wurm immer dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, sagt Ted Walle. „Daher stellen wir uns gerne der Herausforderung der Neupositionierung und Markenbildung.“
Einheitsbrei ist out
Kintyre agiert zunehmend als Investor und Projektentwickler in Deutschland. Allein in Berlin laufen derzeit drei Projekte: neben dem Märkischen Quartier das Park Center Treptow im gleichnamigen Stadtviertel und das Ring-Center 1 in Friedrichshain. Alle drei Objekte erfahren eine Sanierung und Neupositionierung mit Mixed-Use-Charakter.
„Als Co-Investor waren wir schon immer aktiv“, so Ted Walle. „Wir sind stets an Objekten interessiert, die in eine gute Infrastruktur gebettet sind und positive Standortfaktoren aufweisen. In manchen Lagen macht eine Revitalisierung halt einfach keinen Sinn.“ Und er betont besonders: „Zu viele Center sind immer vergleichbarer und somit unattraktiver geworden. Der Wandel des Vermietermarktes zum Mietermarkt sowie der Wandel im Kaufverhalten der Kunden zwingen viele Eigentümer, nunmehr radikaler agieren zu müssen oder sich hierfür Spezialisten an Bord zu holen. Die Zeiten von Gleichheit und Zentralisierung beim Bewirtschaften und Entwickeln von Retail-Immobilien und damit verbundene Managementstrukturen sind längst vorbei. Die damit verbundenen Beratungs- und Entwicklungspotenziale hat sich Kintyre zur besonderen Aufgabe gemacht.“
Susanne Müller