Neuer Spitzenevent für die Branche

Michael Gerling, Stefan Genth, Christine Hager und Moderatorin Anja Heyde eröffneten mit viel Freude den ersten gemeinsamen HIK. © Jörn Wolter – wolterfoto.de

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Giovanni Giampietri

Köstlich-kulinarischer Auftakt für den Handelsimmobilienkongress 2023 in Berlin: Bereits am Vorabend nahmen rund 100 Teilnehmende die Einladung der Veranstalter EHI Retail Institute, Handelsverband Deutschland (HDE) und German Council of Shopping Places (GCSP) wahr und trafen sich für ein Get Together in Europas größter Food Hall, dem Manifesto im Shopping Center The Playce.

Nach dem Willkommengruß des GCSP-Generalsekretärs Ingmar Behrens und einer kurzen Vorstellung des neu eröffneten Entertainment Centers durch Edin Ahmetovic, Center Manager der ECE Marketplaces, wurde das Büffet eröffnet. Die Teilnehmer kosteten den Abend ausgiebig aus, genossen einen regen Austausch und die Freude des Wiedersehens bis in die späten Abendstunden.

Am ersten Kongresstag begrüßten die Gastgeber rund 330 Teilnehmer im Grand Hyatt Hotel in Berlin. Durch das Programm führte Anja Heyde, die EHI, HDE und GCSP für deren Initiative dankte. Der HIK findet bereits seit 16 Jahren statt, jedoch war die Kooperation der drei Spitzenverbände eine Premiere. Als Zeichen des Zusammenhaltes schoss die Moderation mit den drei Vertretern des Kongresses, Stefan Genth (HDE), Michael Gerling (EHI) und Christine Hager (GCSP), ein Selfie.

Gemeinsam Lösungen finden

Der Gedanke, Hand in Hand zu arbeiten, sei schon lange da gewesen, da die Verbände die gleiche Zielgruppe ansprechen. Als ausschlaggebenden Grund für die Kooperation nannte Michael Gerling die gemeinsame Suche nach Lösungsansätzen aufgrund neuer Herausforderungen. Christine Hager ergänzte, dass am Ende des Tages alle in „lebenden Objekten“ arbeiten würden. Im Handel sei nicht alles schlecht, und es gehe weiter nach vorne, äußerte sich Stefan Genth. Die Frequenzen seien zwar nicht mehr da, wo sie einmal waren, dennoch hätten die Kunden einen starken Kauf­impuls. Der Fokus müsse noch stärker auf der Verschmelzung der Offline- und Online-Welt und die Steigerung der Aufenthaltsqualität liegen.

Akzeptanz für neue Modelle

Zwischen 2010 und 2019 hat der stationäre Einzelhandel rund 39.000 Geschäfte verloren. Allein im Zeitraum 2020 bis 2022 sollen es mindestens genauso viele gewesen sein. Laut Genth habe auch das Konzept Warenhaus, wie es in seiner Ursprungsform bekannt ist, ausgedient. Neue Warenhauskonzepte wie das Breuninger in Stuttgart könnten allerdings funktionieren. In der Gegenwart würden deshalb auch neue Mietmodelle Akzeptanz am Markt erhalten. Anja Heyde nannte Best-Practice-Modelle wie das House of Schwarzkopf in Berlin oder den nachhaltigen REWE-Markt mit Green Farming in Wiesbaden-Erbenheim.

Grußwort von Michael Theurer

Ein politisches Grußwort steuerte Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, bei. Er betonte den ständigen Wandel des Handels und lobte, dass sich der gesamte Kongress diesen Herausforderungen stelle. Theurer sei sicher, dass sich die Akteure etwas einfallen lassen würden, und versicherte, dass sich auch die Bundesregierung diesen Änderungen stellen würde. Als Beispiele nannte er den Ausbau der Infrastruktur und die gegenwärtige Erfolge durch das Lastenfahrrad oder das Deutschlandticket. Komfort sei für die nächsten Jahre ein ausschlaggebender Punkt für die Verbraucher. Vor allem ein großer Strukturwandel durch die Nachfrage und die neuen Technologien stelle die Kommunen vor große He­rausforderungen.

Together von Mietern und Investoren

Nach einer Keynote von Sandra Ludwig (JLL) zum Transaktionsvolumen im Einzelhandel – mehr dazu an anderer Stelle in diesem Magazin – diskutierte sie auf dem Podium mit Steffen Hofmann (ambas), Lars Heese (Redevco), Björn Niehuss (Deka) und Stephan Koof (REWE). In dieser Runde trafen Mieter und Investoren aufeinander. Konsens: Beide Parteien müssen an einem Strang ziehen. Investoren würden den Verkehrswert der Immobilie aufrechterhalten wollen, müssten aber auch den anspruchsvollen Wünschen der Kunden und Mieter gerecht werden. Wer eine zeitgemäße Revitalisierung nicht umsetzen würde, zum Beispiel in Form eines Mixed-Use-Konzepts oder indem er Nahversorgung ausklammere, könne scheitern.

Spannender Input

Den Vorträgen von Andreas Reiter (ZTB) und Anja Schröder (Planet Wein) – lesen Sie mehr an anderer Stelle – folgte eine weitere Diskussionsrunde mit Dr. Claudia Weise (BNP), Dr. Joachim Stoll (Leder Stoll OHG), Doris Grondke (Stadt Kiel) und Peter Kraus vom Cleff (Börsenverein des deutschen Buchhandels). Die Stadt müsse mit den Einwohnern und dem Handel zusammenarbeiten, so der Tenor. Grünflächen, ein attraktiver ÖPNV und Individualität schaffen Lebensqualität. Jede Stadt sei anders, weshalb jeder Standort einzeln betrachtet werden müsse. Omar Tello (sensalytics) betonte in seinem Vortrag, dass die Mall von Interaktion lebe. In Zukunft sei wichtig, nicht nur Daten zu analysieren, sondern daraus auch Erkenntnisse zu gewinnen. Sebastian Deppe (ariadne maps) stellte ein Produkt vor, das Signale von Endgeräten nutzt, um anonym die Verweildauer und Bewegung von Besuchern auf bis zu 30 Zentimeter genau zu analysieren.

In jeder Krise eine Chance

André Maeder (KaDeWe Group) präsentierte den Besuchern das KaDeWe: 1907 eröffnet, ist es bis heute das größte Warenhaus Europas. Dieses Objekt sei kein Fashion-Haus, sondern ein Entertainment Center mit Accessoires, Home & Living und Gastronomie. Durch 200 Pop-Ups pro Jahr und 30 regionale Restaurants würden dort neue Welten erschaffen. André Maeder gab noch weitere Einblicke die Welt der KaDeWe Group mit Projekten wie dem Carsch-Haus in Düsseldorf und dem Lamarr in Wien. In der Diskussionsrunde mit André Maeder, Joachim Stumpf (BBE), Johannes Lichtenthaler (Gustav Zech Stiftung), Thomas Binsfeld (Landmarken) und Christine Hager (Sonae Sierrra) zeigte sich ein Konsens darin, dass sich in jeder Krise auch eine Chance verbirgt. Laut Binsfeld müsse der Standort von einem Warenhaus oder einem Shopping Center von oben nach unten gedacht und entwickelt werden – nur dies gewährleiste Nachhaltigkeit und dauerhaften Erfolg. Laut Lichtenthaler ständen bei einem erfolgreichen Warenhaus zwei Dinge im Fokus: Substanz und Service für die Kunden. André Maeder erhielt lebhaften Applaus für seinen Vorschlag der Sonntagsöffnung, da dann Familien Zeit zum Shoppen hätten.

Der Dialog bleibt wichtig

Auch der zweite Kongresstag brauchte viele Erkenntnisse. Professor Dr. Andreas Link (imtargis) führte die Besucher in die Welt der Immobilienbewertung ein. Dabei sei es wichtig, auf das Einzugsgebiet zu schauen, wobei die Kaufkraft, die Umsatzpotenziale und die Kundenherkunft wichtige Faktoren wären. Bei der Diskussionsrunde mit Andreas Bartmann (Globetrotter), Dr. Rainer Burbulla (Langguth & Burbulla), Dr. Joseph Frechen (bulwiengesa), Benjamin Gerken (Bestseller-Gruppe) und Susanne Klaußner (Deutsche Investment) waren sich Mieter und Vermieter einig, dass Gespräche auf Augenhöhe von Vorteil seien. Hierbei setze man eine Transparenz auf beiden Seiten voraus, sodass eine Kooperation zustande kommen könne. Eine Immobilie müsse attraktiv für den Mieter gestaltet sein, und Vermieter seien auch bereit, auf Mietanpassungen einzugehen, wenn man miteinander in den Dialog trete. Pop-Ups sowie eine gesunde Mischung aus lang- und kurzfristigen Mietverträgen würden sich dem periodischen und aperiodischen Handel anpassen und beiden Seiten zum Erfolg verhelfen.

Erfolgreiche Handelsimmobilien

The Playce wurde 2022 in Berlin, nach einem Umbau, wiedereröffnet. Karl Wambach (Brookfield) stellte dem Kongress das erste Retailtainment-Center in Deutschland vor, das zugleich den größten NBA-Store und Game State in Deutschland sowie die größte Food Hall in Europa beherbergt. Nikolice Jelena (HDE) berichtete, dass die Energieimmissionen der Handelsimmobilien in acht Jahren um 33 Prozent gesenkt werden konnten. Allerdings werde der Klimaschutz durch ausstehende Finanzierungen oder langwierige Genehmigungsverfahren gehemmt. Durch die Digitalisierung eines Breuninger-Hauses in Freiburg konnten 20 bis 30 Prozent des Energieverbrauches eingespart werden, da durch modernste Technik das Gebäude gegenwärtig bedarfsorientiert agiert. Claudio Rizza (Breuninger) und Manuel Gerlach (Recogizer) präsentierten dieses erfolgreiche Projekt. Jan-Oliver Heidrich (EHA) zeigte die zukünftige Welt der Energiesituation auf – mehr dazu in diesem Magazin. In der letzten Diskussionsrunde mit Heidrich sowie Maria Hill (ECE), Bernd Mayer (Bayern LB) und Markus Trojansky (dm) stellen sich alle Parteien den Herausforderungen und Möglichkeiten des ESG.

Christine Hager ließ zum Schluss des HIK die beiden Tage Revue passieren und kam zum Fazit: „Wir sitzen alle im gleichen Boot und wollen in die gleiche Richtung. Der HIK 2023 hat sich gewandelt. Gemeinsam können wir so viel erreichen!“

Giovanni Giampietri