"Nichts lässt sich derart gut besteuern wie der Besitz von Immobilien"

Interview
Handel
Richard Haimann
Weltweit wächst die Gefahr staatlicher Eingriffe in die Immobilienmärkte. Allein zur Bekämpfung des Klimawandels müssen Eigentümer bei Objekten im Bestand mit verschärften und teuren Modernisierungsauflagen rechnen. Das Investmentuniversum will daher gut geprüft sein, national oder international, denn politische Eingriffe können schnell Rendite-Kalkulationen über den Haufen werfen, sagt Investmentberater Stephan Kloess. Auch neue Steuern auf Liegenschaften hält er nicht für ausgeschlossen. Denn nichts lasse sich so gut besteuern wie Immobilienbesitz
Herr Kloess, Krieg in der Ukraine, China droht Taiwan, Brexit-Chaos in Großbritannien, hohe Inflation, Leitzinserhöhungen in den USA. Diese Gemengelage treibt internationale Investoren derzeit in die Schweizer Immobilienmärkte ...
Stephan Kloess: Die Schweiz brilliert mit politischer und wirtschaftlicher Berechenbarkeit. Sie glänzt mit einer tiefen Staatsverschuldung von nur knapp 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland hingegen sind es 71 Prozent, in Frankreich 116 Prozent und in den USA gar 134 Prozent.
Hohe Staatsschulden resultieren auch aus Konjunkturpaketen zur Überwindung der Corona-Rezession. Ein Stimulus, der den Immobilienmärkten gut tun sollte ...
Das mit dem Stimulus war früher so. Vor ein paar Dekaden konnten Konjunkturhilfen wichtige Wachstumsimpulse für Wirtschaft und Immobilienmärkte schaffen. Angesichts der heutigen Größe nationaler Ökonomien gelingt dies kaum noch. Die US-Regierung konnte von 1947 bis 1952 mit nur einem zusätzlichen Dollar Schulden das Bruttoinlandsprodukt um 4,61 Dollar steigern. Heute ergibt ein weiterer Dollar an Staatsschulden nur noch ein BIP-Wachstum von 0,08 Dollar. Hier offenbart sich ein Null-Effekt, der – anders als vor 70 Jahren – nicht einmal genügend Steueraufkommen generiert, um die Zinsen für die Bedienung der dafür ausgegebenen Staatsanleihen zu decken.
Die Konsequenz für Immobilieninvestoren?
Hochverschuldete Staaten müssen irgendwann die Reißleine ziehen, um Verbindlichkeiten abzubauen. Da gibt es neben dem eben erwähnten Wachstum zwei weitere Möglichkeiten. Erstens: Einsparungen bei den Ausgaben. Diese Option entpuppt sich in den demokratischen westlichen Wohlstandsgesellschaften als schwierig. In Deutschland belaufen sich die Sozialausgaben auf mehr als 33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sie sind der größte Posten im Bundeshaushalt. Eine Regierung, die wiedergewählt werden will, wird da kaum die Axt anlegen. Politiker in Europa sind vorgewarnt. Kaum einem entgeht der fortschreitende Niedergang der deutschen SPD, die 2003 die Arbeitsmarktreform Hartz IV durchgesetzt hatte. Ihr Stimmenanteil bei den Bundestagswahlen ist seither von über 45 Prozent auf rund 25 Prozent gesunken.
Die zweite Möglichkeit sind Steuererhöhungen?
Exakt. Und nichts lässt sich derart gut besteuern wie Immobilienbesitz. Wie der Name sagt, sind sie immobil. Der Investor kann das Objekt nicht dem Zugriff des Fiskus entziehen. Sollte ein Staat Liegenschaften höher besteuern und das sozialistisch vielleicht sogar rückwirkend, werden Eigentümer zahlen müssen.
Sie fürchten, dass dies in einer Reihe von Ländern geschehen wird?
Die Gefahr besteht. Investoren sollten sie unbedingt beachten. Generell sehen wir einen Trend zum Neo-Sozialismus; zu stärkeren Eingriffen von Regierungen in den Markt. Ein Beispiel dafür ist die von US-Präsident Joe Biden entfachte Initiative zur globalen Mindest-Unternehmenssteuer von 15 Prozent. Weiter sind es Mietdeckelungen und Wohnraumschutzverordnungen, wie zum Beispiel in Basel. Dann sind da die weltweit von Staaten vorangetriebenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Da Immobilien nach UNO-Berechnungen für 38 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, müssen Eigentümer damit rechnen, bei Objekten im Bestand in den nächsten Jahren mit verschärften und damit teuren Modernisierungsauflagen konfrontiert zu werden. Das Investmentuniversum will gut geprüft sein, national oder international, denn politische Eingriffe können schnell Rendite-Kalkulationen über den Haufen werfen.
Angesichts der Folgen des Klimawandels wie Überschwemmungen, Waldbrände und Stürme ist kaum damit zu rechnen, dass Regulierungen ausbleiben ...
1972 veröffentlichte die Wissenschaftler-Vereinigung Club of Rome ihre Studie »Die Grenzen des Wachstums«. Sie warnte darin, dass Rohstoffvorräte begrenzt und Natur und Umwelt nicht dauerhaft über Gebühr belastet werden können. Das wurde damals von vielen Managern belächelt. Heute wissen wir, die Analyse hat sich in allen wesentlichen Punkten als korrekt erwiesen. Daher ein klares Ja: Mehr Klimaschutz ist nötig – dort, wo er wirksam ist und nicht politischer Symbolpolitik folgt. Bisher scheitern viele Politiker an der Komplexität, da sie Produktions- und Lieferketten nicht ganzheitlich anschauen, sondern nur Teilbetrachtungen vornehmen. Die Immobilienbranche muss sich dieser Aufgabe stellen und tut dies auch. Sie sollte mit den jeweiligen Regierungen diskutieren, welche Vorgaben am effektivsten zum Ziel führen.
Bislang lauten die Auflagen, minimaler Energieverbrauch bei neuen Überbauungen und aufwändige Modernisierung bei Bestandsobjekten.
Was nicht bedacht wird: In Bestandsliegenschaften ist bereits all das CO2 gebunden, das bei Schaffung eines neuen Gebäudes erst anfällt. Über den Lebenszyklus einer Immobilie betrachtet entstehen 50 Prozent der Emissionen bereits bei der Erstellung. Da stellt sich die berechtigte Frage, wie sinnvoll extreme Modernisierungsauflagen sind, wenn sie dazu führen, dass bestehende Gebäude abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden, was am Ende deutlich höhere CO2-Emissionen verursacht.
Mit Klimaschutzauflagen sind Investoren auch in der Schweiz konfrontiert.
Nicht nur damit, sondern noch mit einem weiteren Problem. Schweizer Liegenschaften befinden sich auf einem hohen Preis-Plateau. In Luzern hat jüngst eine Immobilie in Bahnhofsnähe zum 51-fachen des Jahresmietertrags den Besitzer gewechselt. Das entspricht einer Nettorendite von 1,96 Prozent. Werden Bewirtschaftungskosten und Instandhaltung abgezogen, sind es noch rund 1,3 Prozent – real nähern wir uns der Null-Linie.
Verteuern die Leitzinserhöhungen in den USA auch die Kreditkonditionen in der Schweiz, wären Wertberichtigungen zu erwarten ...
Natürlich. Eine vereinfachte Beispielrechnung: Angenommen die Kapitalisierungsrate wird aufgrund steigender Zinsen um 100 Basispunkte erhöht, also von zwei auf drei Prozent, dann sinkt der Immobilienwert – rein mathematisch – um 33 Prozent. Bewerter werden so hohe Abwertungen nicht vornehmen, da der Zusammenhang nicht Eins zu Eins besteht, es eine Zeitverzögerung gibt, Zinsen wieder sinken und der Mietertrag bis zum Zeitpunkt der Refinanzierung steigen könnte. Aber eine Wertberichtigung von zehn Prozent ist in diesem Szenario nicht unrealistisch. Die Frage ist aber: Werden die Zinsen so stark steigen?
Sie sehen das nicht so?
Zwischen steigender Inflation und steigenden Realzinsen existiert kein Automatismus. Die Zinsen sinken seit 40 Jahren. Die Haushaltslage der Staaten und die Abhängigkeit des Aufschwunges von der Ausweitung der Geldmenge lässt die Wahrscheinlichkeit hoch sein, dass die Realzinsen tief bleiben. Eine zu schnelle Leitzinserhöhung kann die Wirtschaft abwürgen. Gut möglich, dass die Fed einen Zinsschritt auslässt oder schon 2023 den Leitzins wieder senkt. Aufgrund einiger volkswirtschaftlicher Effekte ist die Tendenz vorhanden, dass die künftige Inflation höher ist als die von 2014 bis 2019.
Ihr Rat an Immobilieninvestoren?
Auf langfristige Indexmietverträge setzen, die an die Inflationsentwicklung gekoppelt sind. Also indirekte Investition in kommerzielle Immobilien oder fokussierter: in Objekte der öffentlichen Hand, Rathäuser, Polizeipräsidien, Spitäler und Kindergärten mit bis zu 20-jährigen Mietverträgen. Der Wechselkurs spielt bei solch langen Zeiträumen keine Rolle.
Das Gespräch führte
Richard Haimann,
freier Wirtschaftsjournalist
Dr. Stephan Kloess (55), Geschäftsführer des Investment Advisors KRE KloessRealEstate, entwickelt seit 18 Jahren Immobilienanlagestrategien für institutionelle Investoren.