Ohne Gastronomie läuft auch künftig nichts

Gastronomie
Gastronomen sind das Rückgrat der Innenstädte © raphaela4you – stock.adobe.com

Handel und Immobilien
Glokalisierung

Shopping Places*-Redaktion

Die Zukunft der Innenstädte in unserem Land ist ein viel diskutiertes Thema. Schon vor Ausbruch der Pandemie hatte der Einzelhandel mit sinkenden Besucherzahlen und Umsätzen zu kämpfen – auch eine Folge lieblos gestalteter Umgebung und mangelnder Freizeitangebote. Eine aktuelle Studie zeigt, wie wichtig das funktionierende Zusammenspiel aller Akteure ist, um eine Stadt lebendig zu halten. Restaurants, Kneipen, Cafés und Bars vor Ort kommt dabei eine entscheidende Rolle zu

Das IFH Köln und die Metro AG wollten es genau wissen: Wie geht es den Gastronomen in den Innenstädten? Dazu befragten sie im Rahmen ihrer Studie »#Innenstadtinitiative« in diesem Juli 250 Gastronomen zu aktuellen Herausforderungen, ihrer Zukunftsplanung sowie Anforderungen an den Standort Innenstadt. Das Ziel der Befragung: Ansätze zu politischem Handeln in der Stadt- und Quartiersentwicklung zu finden. »Die Ergebnisse der Studie zeigen, lebendige Innenstädte sind ohne Gastronomie nicht zu machen. Dafür muss die Politik Wegbereiter sein. Die klaren Anforderungen in den Standortfaktoren, wie unter anderem die Vergabe von Mietstandorten an die Unternehmer, müssen vereinfacht werden, um so den kleinen Unternehmen eine Chance zu geben. Die Branche hat die Zukunft fest im Blick und dies ist eine Chance für alle Akteure«, so Ivonne Julitta Bollow, Global Director Public Policy der Metro AG.

Aktuell beurteilen rund 60 Prozent der Gastronomen die Lage mittelmäßig bis sehr schlecht. Erschwert werden die Zukunftsplanungen durch die Suche nach geeignetem und qualifiziertem Personal (71 %). Ein Problem, das vor Corona für 34 Prozent der Gastronomen die größte Herausforderung für die Zukunft war. Aktuell ist aus Sicht der Befragten der Umgang mit Behörden (52 %) eine Hürde. Für rund 48 Prozent der Befragten ist die richtige Location zu finden eine zusätzliche Hürde, und ebenfalls fast die Hälfte der Gastronomen findet es schwierig, mit der Vielzahl an Informationen zu Gesetzen, Regularien und auch Corona-Bestimmungen klarzukommen. Erfreulich ist dagegen, dass gut zwei Drittel über ausreichendes Startkapital für Veränderungen verfügen. Auch die Unterstützung ihrer Kundschaft während der Corona-Zeit hat die Mehrzahl als positiv bewertet: 66 Prozent sagen, dass ihre Kunden sie teils voll und ganz unterstützt haben. Dasselbe gilt für Lieferanten (51 %), Stadt und Kommune (44 %) sowie die Landesregierung (42 %).

Mehr Transparenz bei der Standortvergabe

Ein Problem in den Augen vieler Gastronomen ist hingegen die Vergabe von Standorten. Ein Großteil der Befragten kritisiert, dass die Mieten für attraktive Standorte zu hoch sind (46 %). Auch die intransparente Vergabe »unter der Hand« ist aus Sicht von 43 Prozent der Befragten ein Problem. Weitere Kritikpunkte: Die meisten Standorte haben keinen Außenbereich, der aber wichtig ist. Als Gastronom muss man sich auf eher starre Verträge mit langen Laufzeiten einlassen. Die Standorte liegen oft nicht günstig für Laufkundschaft.

Dennoch ist die Mehrzahl der Gastronomen positiv für die Zukunft gestimmt. Denn eine Quintessenz der Studie ist auch: Handel und Gastronomie sind die Hauptmotive für einen Innenstadtbesuch von Konsumenten. Eine Verbindung von beidem und die Erprobung neuer Konzepte liege daher nahe, um den Handel der Innenstadt wie auch den gesamten Erlebniswert des Besuchs weiter zu entwickeln und zu optimieren.

Nutzungsmischung gezielt fördern

Dafür aber ist die Politik gefordert, gezielt Nutzungsmischung und Umnutzung auf Seiten der Mieter zu fördern, um auch kleinen Gastronomiebetrieben attraktive Standorte zu bieten. Es sind gerade die inhabergeführten kleinen Restaurants und Cafés, die eine Innenstadt zum Leben erwecken. Ebenso kann eine städtische Vergabeplattform von Gastroflächen Transparenz beim lokalen Immobilienmarkt bieten.

Sauberkeit und Ambiente (69 %), Anzahl potenzieller Kundschaft im Einzugsgebiet (68 %) sowie ÖPNV-Anbindung (66 %) und gute Erreichbarkeit für Zulieferer (63 %) – die Rahmenbedingungen der Umgebung spielen bei der Standortwahl eine wichtige Rolle. Hier ist wiederum die Politik gefordert, vielfältige Mobilitätskonzepte für Besucher zu schaffen und das städtische Ambiente zu fördern. Dazu braucht es saubere Fußgängerzonen, intakte Gebäude und Fassaden, ausreichend Grünflächen und mehr Lebendigkeit in den Innenstädten.

Um besonders jungen und innovativen Projekten eine Chance in Innenstädten zu bieten, aber auch den Austausch zwischen Betrieben und Bürokratie zu unterstützen, kann ein städtischer Gastrobeauftragter Abhilfe schaffen. Für 61 Prozent der Befragten sind einfache gesetzliche Rahmenbedingungen und Genehmigungsverfahren sehr wichtig. Als Schnittstelle zwischen Gastronomie und Politik wird der konstante Dialog sichergestellt, Verwaltung und Behörden werden unterstützt und zeitgleich bei Neugründung und Vernetzung innerhalb der Stadtgesellschaft vermittelt.

Umfrage-Fazit: Schon vor der Krise war die Gewinnung von Fachkräften eine große Herausforderung. Aktuell kämpfen viele Gastronomen zudem noch mit Umsatzrückgängen durch die Maßnahmen und damit verbundenen Rückgang an Kunden. Hilfen durch den Staat oder die Landesregierungen vermissen mehr als ein Drittel. Die Enttäuschung über die Maßnahmen und eine fehlende Auszahlung der Hilfe sitzt tief. Trotz Corona sieht der Großteil der Gastronomen sowohl die aktuelle Situation als auch die Zukunft positiv. Für rund ein Viertel bleiben jedoch große Unsicherheiten. Für viele Gastronomen ist die Standortwahl sehr schwierig. Geeignete Objekte werden oft an System-Gastronomen oder unter der Hand vergeben. Zudem sind die hohen Mieten für viele Unternehmer nicht bezahlbar. Eine gute Mobilitätsanbindung und Infrastruktur, Sauberkeit und Ambiente sowie einfache gesetzliche Rahmenbedingungen und Genehmigungen sind wichtige Standortfaktoren. Die meisten Gastronomen planen eine unveränderte Fortführung des Betriebs. Eine Umstrukturierung oder Expansion planen rund die Hälfte derjenigen, die Veränderungen planen. Herausforderungen bei der Planung sind vor allem die Suche nach qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der Umgang mit Behörden.

Handlungsempfehlungen: Um den Zuschlag für attraktive Standorte zu erhalten, fehlt es Gastronomen, besonders im Vergleich zu institutionellen Mietern, an ausreichendem Kapital. Zeitgleich geben sie an, dass viele Locations bereits über Kontakte vergeben werden und nicht auf Portalen inseriert worden sind. Eine aktive Förderung der Politik von gezielter Nutzungsmischung auf Seiten der Mieter durch ein städtisches Vorkaufsrecht oder gezielter Zwischenanmietung für Gewerbeimmobilien kann Abhilfe schaffen, dass auch kleine Gastronomiebetriebe attraktive Standorte mieten können. Gleichzeitig kann eine städtische Vergabeplattform von Gastroflächen Transparenz über den lokalen Immobilienmarkt bieten. Ebenso braucht es Flexibilität in der Gebäudenutzung.

Optimale Mobilitätsanbindung der Gäste und hohe Erreichbarkeit für Dienstleister

Die Gastronomiebetriebe brauchen besonders eine optimale Anbindung an verschiedene Mobilitätslösungen, um ein breites Gästespektrum ansprechen zu können. Integrierte und regionenübergreifende und vielfältige Mobilitätskonzepte (ÖPNV, Individualverkehr, private Anbieter) ermöglichen es, den Abend mit Freunden auch bei einem Glas Wein zu genießen, oder das neue Restaurant in der Nachbarstadt auszuprobieren. Um den Gastronomiebetrieb sicherzustellen zu können, braucht es vielfältige Warenströme (Food & Beverages) über tagesbeschränkte Be- & Entladezonen sowie ein umfassendes Angebot an Dienstleistern, beispielsweise aus lokalem Handwerk.

Stadtambiente aus Sauberkeit, Grünflächen, Lebendigkeit und Vielfalt

Unabhängig von ökonomischen Standortfaktoren ist die Sauberkeit und das städtische Ambiente entscheidend für die Attraktivität einer Stadt als Gastronomiestandort. Es braucht saubere Fußgängerzonen, intakte Gebäude und Fassaden, ausreichend Plätze und Grünflächen. Zeitgleich ist es wichtig, dass die Innenstadt auch durch die Vergabe der Gewerbeflächen an Pop-up-Restaurants, der Organisation von städtischen Veranstaltungen und einer Stärkung der Kulturbetriebe lebendig gehalten und vielfältig gestaltet wird. Einen Leerstand gilt es unbürokratisch zu vermeiden.

Städtischer Gastrobeauftragter

Einfache gesetzliche Rahmenbedingungen, Genehmigungen und Auflagen sind für die selbstständigen Unternehmer besonders wichtig. Ein städtischer Gastrobeauftragter könnte etwa als Teil der Wirtschaftsförderung sowohl die Schnittstelle zwischen Gastronomie und Politik erfüllen und somit den Dialog der Anspruchsgruppen sichern, bei Verwaltung und Behördenauflagen unterstützen und zeitgleich bei Neu-Gründung und Vernetzung innerhalb der Stadtgesellschaft (etwa bei der Planung von Stadtfesten und kulinarischen Meilen) behilflich sein. So würde die Gastronomie als essenzieller Teil der Stadtgesellschaft gleich mitgedacht.

Fachkräftemangel als existenzielle Frage für die Gastronomie

Es ist eine gemeinsame Kraftanstrengung auf allen politischen Ebenen und der Betriebe, die Verfügbarkeit von Fachkräften zu sichern. Auf kommunaler Ebene braucht es eine enge Vernetzung zwischen Wirtschaft und Schulen sowie die Einrichtung einer Plattform zur Vermittlung von Ausbildungsplätzen innerhalb der ansässigen Gastronomie. Um die Ausbildung weiter zu stärken, gilt es durch die Länder die Weiterentwicklung und Internationalisierung von Lehrkonzepten an den Berufsschulen voranzutreiben. Der Bund kann durch flexiblere Arbeitszeitgestaltung mit beispielsweise einer Wochenhöchstarbeitszeit zu einem attraktiveren Arbeitsumfeld beitragen. Nichtsdestotrotz braucht es für attraktive Löhne auch eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Wertschätzung und Wichtigkeit der Gastronomie für unser Zusammenleben und eine höhere Preisbereitschaft der Gäste.

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