Prognolite: Geht nicht, gibt´s nicht!

Kristallkugel
Der Blick in die Kristallkugel © Prognolite

Handel und Immobilien
Strategie

Susanne Osadnik

Nie wieder leere Tische. Nie wieder Rumstehen und auf Gäste warten. Und auch keine Berge an Abfällen mehr, weil zu viel eingekauft und deshalb Vorräte schlecht wurden. Die Gastronomie ist in diesen Zeiten besonders gebeutelt und leidet massiv unter den Einschränkungen von Corona. Aber Probleme wie hohe Personalkosten und das schwierige Managen von Gästeströmen gab es auch vorher schon. Dafür gibt es jetzt eine Lösung, sagt ein Schweizer Start-up, das einen wegweisenden Algorithmus erfunden hat

Kaum eine Branche hat die Pandemie so hart getroffen wie die Gastronomie. Nach wie vor leiden Restaurants, Cafés und Gaststuben unter hohen Umsatzeinbußen. Die Corona-Pandemie trifft das Gastgewerbe besonders hart. Laut Statistischem Bundesamt brach der Umsatz in Restaurants und Hotels im ersten Halbjahr 2020 real um 39,7 Prozent (nominal -38,4 Prozent) ein. Das ist der stärkste Umsatzrückgang der Branche, der je gemessen wurde. Der coronabedingte Shutdown im Frühjahr hat riesige Löcher in die Bilanzen von Gastronomen und Hoteliers gerissen. Allein für die Monate März bis Juni beläuft sich der Umsatzverlust auf 17,6 Milliarden Euro.

Und die Krise ist noch lange nicht vorbei – trotz mancherorts gut gefüllter Biergärten und Ferienhotels in diesem Sommer. In den Städten sieht es ohnehin ganz anders aus: Die Lage der Tagungs- und Stadthotels, der Eventcaterer und Discotheken ist weiterhin dramatisch. 61,6 Prozent der gastgewerblichen Unternehmer bangen um ihre Existenz. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage, die der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) kürzlich vorgestellt hat. »Nach zehn Wachstumsjahren verzeichnet die Branche seit Anfang März Umsatzverluste historischen Ausmaßes«, sagt DEHOGA-Präsident Guido Zöllick. Auch wenn sich die Einbußen in den vergangenen Wochen etwas abschwächten, sei die Branche aufgrund von Abstandsgeboten und Kapazitätsbegrenzungen von Normalumsätzen noch meilenweit entfernt. »Unsere Betriebe waren die ersten, die unter den Folgen der Coronavirus-Ausbreitung gelitten haben und werden in all ihren Betriebsformen die letzten sein, die wieder öffnen dürfen«, so Zöllick.

Personalkosten schlagen ordentlich zu Buche

Auch bei unseren Nachbarn sieht es düster aus. Beispiel Schweiz: Die größten Verluste gegenüber dem Vorjahr verzeichneten im Juli städtisch geprägte Kantone wie Basel-Stadt (minus 46,6 Prozent), Genf (minus 42,4 Prozent) und Zürich (minus 39 Prozent). Der Juli-Umsatz im Gastgewerbe liegt im gesamtschweizerischen Durchschnitt um 31,9 Prozent hinter dem Vergleichsmonat des Vorjahres, so das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Mitglieder-Befragung des Branchenverbandes GastroSuisse. »Wenn die Situation anhält, werden zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen nötig, um Unternehmen zu retten und einen massiven Stellenabbau zu verhindern«, sagt GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer. »Mehr als die Hälfte der Betriebe ist gemäß der Umfrage weiterhin auf das Instrument der Kurzarbeit angewiesen; eine Möglichkeit, die unbedingt fortbestehen muss.«

Selbst vor Corona waren die Personalkosten für die Gastronomie einer der größten Kostentreiber. Immerhin geben Schweizer Betriebe im Durchschnitt 50,6 Prozent vom Gesamtumsatz für ihre Mitarbeitenden aus. Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund 34 Prozent. Aber auch die schlagen jetzt ordentlich zu Buche.

Geld sparen, Lebensmittelabfall senken

Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang, genau zu wissen, wann wie viele Gäste kommen und bedient werden müssen. Aber das käme dem berühmten Blick in die Glaskugel gleich. »Stimmt so nicht«, sagen zwei junge Männer, die diese Frage schon länger beschäftigt. Sie haben eine Lösung gefunden, die sich jetzt mehr als je zuvor bezahlt machen kann: ein digitales Tool, das eine genaue Datenanalyse erlaubt. Mithilfe von »Prognolite« können sie bis zu 95 Prozent genau vorhersagen, wie viele Gäste in den nächsten Tagen ins Restaurant kommen, was sie konsumieren und wie viel Umsatz sie einbringen werden. »Unsere Vorhersagen sind alles andere als Hokuspokus, denn sie fußen auf belastbaren Erfahrungswerten und Daten aus vergangenen Geschäftsjahren«, sagt Simon Michel, Gründer und CEO von Prognolite, das er als Start-up 2016 gemeinsam mit seinem Kompagnon Roman Lickel gegründet hat. »Ausgestattet mit diesem Wissen können Gastronomen sowohl den Personal- als auch den Wareneinsatz deutlich besser planen. Sie sparen somit Geld und verringern gleichzeitig den Lebensmittelabfall.«

In der Schweiz probieren ihr Modell schon zahlreiche Gastronomen aus. Demnächst soll auch der deutsche Markt Zugang zu Prognolite bekommen. Restaurants senken laut Michel ihre Personalkosten um bis zu 7,5 Prozent, was im Durchschnitt 4.000 Franken im Monat entspricht – weil sie mithilfe von Prognolite ihr Personal anhand der tatsächlichen Nachfrage einsetzen können. Und so funktioniert es: Basis aller Analysen sind die Transaktionszahlen aus dem Kassensystem der letzten ein bis drei Geschäftsjahre des Betriebs. Hinzu kommen Wetterdaten, Feiertage, Ferien oder Events. Der vom Start-up entwickelte Algorithmus errechnet daraus, wie sich die einzelnen Faktoren konkret auf den Umsatz ausgewirkt haben. So kann man etwa erfahren, wie viel Geld das Bergrestaurant »Kleine Scheidegg« in der Schweizer Jungfrau-Skiregion in den vergangenen Jahren an einem sonnigen Samstag während der Ferienzeit erwirtschaftet hat, so Michel. »Führt man diese Erfahrungswerte mit meteorologischen Daten, Infos über kommende Events in der Gegend sowie zu Feiertagen und Ferienzeiten zusammen, steht am Ende eine präzise Prognose, wann künftig wie viele Menüs verkauft werden und welcher Umsatz gemacht wird«, sagt der Mann, der schon im Alter von 18 Jahren seine erste Firma gegründet hat.

Selbstlernender Algorithmus gegen eine zweite Welle

Solche Informationen helfen jedem Restaurantleiter, weil er anhand der prognostizierten Auslastung den optimalen Personaleinsatz bestimmen kann. Außerdem weiß auch der Küchenchef, wie viele Menüs höchstwahrscheinlich zubereitet werden müssen und kann so den Wareneinkauf optimieren. Letztendlich profitieren alle davon, ist Michels Erfahrung. Denn das Management könne die Kosten enorm senken; die Mitarbeiter sich besser und gezielter um die Gäste kümmern.

Dass sich ihr System auch in der Krise bewährt hat, macht die Gründer besonders stolz. Während des Lockdowns konzentrierten sie sich auf das Take-away- und Delivery-Geschäft und konnten nach kurzer Zeit zuverlässige Trends aus den erhobenen Daten lesen. »So wussten Betriebe, wann sie wie viele Menüs erstellen mussten und konnten dementsprechend ihre Ressourcen richtig einsetzen«, so Michel. »Der Algorithmus lernt durch jedes neue Ereignis dazu – so hat ihn auch die gegenwärtige Krise mit neuen Dateninputs gefüttert. Dadurch verbessert er sich stetig und kann bei einer ähnlichen Situation exaktere Vorhersagen treffen. Sollte also eine zweite Welle oder in Zukunft eine ähnliche Pandemie auf uns zukommen, wird der Algorithmus bereits im Vorfeld antizipieren können, wie sich Umsätze und Gästezahlen entwickeln werden.«

Demnach wären die Prognosen von Anfang an ziemlich präzise. Michel und sein Team haben in dieser Zeit zudem Algorithmen entwickelt, die keine Historie von ein bis zwei Jahren benötigen, sondern nur von wenigen Wochen. Künftig soll ihnen das speziell bei Neueröffnungen zugutekommen, denn diese Möglichkeit gab es bei den bisherigen Algorithmen noch nicht. In der Lockdown-Phase erhielten die Macher von Prognolite nach eigenen Aussagen auch tiefere Einblicke in das Konsumverhalten der Gäste.  »Restaurants verzeichneten beispielsweise prozentual gesehen mehr als doppelt so viel Umsatz durch Take-away und Delivery als zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr«, sagt Michel.

Ein Beitrag von
Susanne Osadnik,
Chefredakteurin GCM

Prognolite. Der studierte Betriebswirt Simon Michel gründete 2016 gemeinsam mit Roman Lickel die Firma Prognolite. Das Schweizer Start-up unterstützt die Gastronomie dabei, Food Waste zu vermindern und die Personalplanung zu optimieren. Dank genauer Datenanalysen kann man voraussagen, wann wie viele Gäste ein Restaurant besuchen. Prognolite arbeitet auch mit der ZHAW Winterthur zusammen. Zuletzt hat man sich intensiv mit den Folgen der Corona-Pandemie für die Gastronomie befasst.

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