Quo vadis Shopping Center?

Steffen Hofmann
Steffen Hofmann © SCHUCHARDTS' / ambas

Interview
Courage

Susanne Müller

Mit Sitz in Mainz und Hamburg, betreut die ambas Real Estate GmbH europaweit zahlreiche große Shopping Center. In der heutigen unsicheren Zeit gehört Mumm dazu, stets am Ball zu bleiben. Steffen Hofmann, Managing Partner bei ambas, gibt im Interview Ein- und Ausblicke.

Welche sind Ihre aktuell wichtigsten Neubau- oder Revitalisierungsprojekte?

Steffen Hofmann: Es ist richtig, dass wir ein international agierendes Beratungshaus sind und in unserer zehnjährigen Firmengeschichte bereits in elf Ländern Europas beraten durften. Aktuell sind wir in laufenden Projekten für unsere Kunden in Deutschland, Österreich, Italien, Spanien und Schweden aktiv. Auf unseren Heimatmarkt entfallen heutzutage etwa zwei Drittel unserer Beratungsmandate –Deutschland bleibt auch perspektivisch unser wichtigster Kernmarkt.

Die Themenstellungen der jeweiligen Projekte sind äußerst abwechslungsreich und reichen von der Begleitung von An- und Verkäufen über die Aussteuerung strategischer Asset-Management-Maßnahmen bis hin zur Optimierung operativer Managementstrukturen. In jüngster Zeit führen wir in unserer Eigenschaft als unabhängige Marktstimme zudem den intensiven Dialog mit finanzierenden Banken, die zukünftige Wertentwicklungspotenziale ihrer Grundstücke besser verstehen möchten. Naturgemäß unterliegen unsere Beauftragungen der Vertraulichkeit.

Was die einzelnen Subsektoren anbetrifft, so decken wir inzwischen die komplette Bandbreite der Handelsimmobilie von großen Shopping Centern und nahversorgungsorientierten Fachmarktzentren über Designer-Outlet-Malls bis hin zur urbanen Mixed-Use-Immobilie ab. Dringende Neubau- und Revitalisierungsprojekte sehen wir insbesondere in der Neuausrichtung innerstädtischer Warenhäuser quer durch die Republik.

Ihr Unternehmen feiert heuer zehnjähriges Bestehen. Hat sich die Branche in diesem Zeitraum verändert, haben sich Werte und Ziele verschoben?

Steffen Hofmann: Vermutlich gab es kaum eine turbulentere Dekade für die Assetklasse der Handelsimmobilien als die, die gerade hinter uns liegt. Aus der Sicht von Investoren ist das mögliche Spektrum der Kapitalanlage innerhalb unserer Assetklasse inzwischen sehr viel breiter geworden. Die einzelnen Teilsegmente haben sich immer weiter professionalisiert.

Vor etwa zehn Jahren verdichteten sich die Anzeichen für einen nachhaltigen Strukturwandel im Segment der großformatigen Shopping Center. Zeitgleich nahm unter institutionellen Investoren das Investitionsgeschehen im Segment der Fachmarktzentren so richtig Fahrt auf. Outlet-Malls waren zum damaligen Zeitpunkt noch eine sehr viel weniger beachtete Nische als heute, und in den Branchenmedien spekulierte man in 2014 offen über einen perspektivischen Zusammenschluss der beiden damaligen Marktführer Karstadt und Kaufhof zur Deutschen Warenhaus AG.

Angesichts einer expansiven Geldpolitik zur Ankurbelung der Wirtschaft innerhalb der Eurozone und dem Einläuten einer in diesem Ausmaß nie dagewesenen Niedrigzinsphase in den Immobilienmärkten durch die Europäische Zentralbank (EZB) wurde es auch die Dekade des billigen Geldes. Die Renditen für Handelsimmobilien bewegten sich in der Folge im Zeitraum 2014 bis 2016 in alle ihren Sub-Segmenten flächendeckend nach unten – und im Umkehrschluss, die Kaufpreise nach oben.

Die Jahre 2017 bis 2019 gingen dann jedoch mit einer spürbaren Veränderung des Investorenverhaltens einher. Nahversorgungsimmobilien waren gerade von ausschüttungsorientierten Immobilienanlegern immer stärker nachgefragt, während Shopping Center aufgrund eines gestiegenen Asset Management Bedarfes zu risikoadjustierten Renditen verstärkt in die Portfolien von Sektor Spezialisten wanderten.

Der unvorhersehbare Ausbruch der Corona-Krise Anfang 2020 beschleunigte den eingeläuteten Strukturwandel und übte infolge gesetzlicher Schließungsanordnungen immensen Druck auf Teile des stationären Einzelhandels aus. Mitten in die Stabilisierungsphase der durch die Politik als nicht-systemrelevant eingestuften Handelsformate brachen zu guter Letzt starke Inflationseffekte und eine rapide Zinswende ein.

Moderne Markplätze, die es trotz dieser außerordentlich widrigen Marktbedingungen inzwischen geschafft haben, dennoch wieder eine positive KPI-Entwicklung im Vergleich zu 2019 aufzuzeigen, haben den Begriff Resilienz in unserer Branche neu definiert.

Welche sind zurzeit die größten Herausforderungen, und wie begegnen Sie ihnen?

Steffen Hofmann: Als eine ganz zentrale Herausforderung der Märkte sehen wir die sukzessive Wiederbelebung der Transaktionsmärkte für großformatige Handelsimmobilien. Liquide Immobilienmärkte übermitteln den nachvollziehbarerweise noch etwas verunsicherten Bestandshaltern kontinuierliche Datenpunkte zur Einordnung der eigenen Wertschöpfung im Rahmen ihrer Asset-Management-Tätigkeit. Darüber hinaus setzen Transaktionen für operative Projektteams meist zusätzliches Kapital zur Realisierung zukünftiger Asset-Management-Programme frei, da institutionelle Erwerber von Immobilien im Rahmen eines Ankaufs immer auch einen strategischen Businessplan zur Optimierung der durch sie akquirierten Objekte miterwerben möchten.

Unter dem Stichwort Investor Education gilt es daher nach einem wahrlich turbulenten Marktjahrzehnt, institutionellen Finanzinvestoren die Vorzüge der Assetklasse Handelsimmobilie anhand valider Marktdaten möglichst fundiert zu erläutern und sie in der Selektion etwaiger Anlagealternativen zu unterstützen.

Die Assetklasse Shopping Center wird oft totgesagt. Ist das berechtigt? Wird sich der Wind wieder drehen?

Steffen Hofmann: Gut gemanagte Einkaufszentren beeindrucken durch ihre Resilienz. Aus heutiger Sicht scheint die erforderliche Renditekorrektur gerade im Segment der Shopping Center schon sehr weit fortgeschritten und dürfte zeitnah abgeschlossen sein. Auf den Renditeniveaus, die wir für das erste Halbjahr 2024 erwarten, dürfte es auf Gruppen mit hohem Kapitalanlagebedarf im Immobiliensektor attraktiv wirken, sich nach Jahren der Abstinenz wieder verstärkt mit Zukäufen solch großformatiger Handels- und Mixed-Use-Immobilien zu beschäftigen. Wir sehen mit Blick auf den Zeitraum 2024 bis 2026 definitiv ein hochinteressantes Zeitfenster zur Auflage neuer Allokationsprogramme. Insbesondere Bestandsobjekte mit hohem Vermietungsstand und tragfähigen Umsatz-Mietverhältnissen wirken gegenwärtig historisch günstig.

Wie wichtig ist in bewegten Zeiten unternehmerischer Mut, und worin drückt er sich aus?

Steffen Hofmann:  In unserer Verhandlerrolle führen wir stets vertrauensvolle Verhandlungen für Immobilieninvestoren in Deutschland und Europa und beraten diese strategisch, wert- und zukunftsorientiert. Dabei leiten uns unsere Firmenwerte Trust, Courage und Team. In den Leitlinien unseres Unternehmens heißt es explizit, dass wir komplexen Themenstellungen in unserer Branche durchweg mit Mut und Zuversicht begegnen.

An komplexen Themenstellungen mangelt es in Deutschland in diesen verrückten Zeiten wahrlich nicht. Komplexe Projekte inhaltlich zu durchdringen und als Ausgangsbasis unserer Beratungstätigkeit auch erst einmal als wenig trivial zu akzeptieren, ist ein wesentlicher Schritt. Jammern und Klagen oder gar romantisches Herbeisehnen längst vergangener Zeiten bringt für unsere Auftraggeber keine sinnvollen Projektlösungen hervor. Wer Teil der Lösung sein möchte, darf keine Angst vor der eigenen Stimme im Raum haben. Gerade als junger Mensch darf man dabei übrigens auch einmal einen Fehler machen. Furcht vor Fehlern lähmt.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Retailbranche?

Steffen Hofmann: Eine der evidentesten Herausforderungen der Handelsimmobilienszene ist die Neuausrichtung ehemaliger Warenhausstandorte in exponierten, Stadtbild prägenden Grundstückslagen. Das dazugehörige Hintergrundgeschehen lässt sich derzeit täglich am Newsticker mitverfolgen. In diesem Bereich sollten Städte, Projektentwickler, Finanzinvestoren und zukünftige Nutzer vielerorts eng zusammenrücken, um unsere Innenstädte mit kreativen Projekten für kommende Dekaden ganz neu zu prägen.

Susanne Müller