Scharf wie Peperoni!

Prof. Dr. Jens Weidner
Prof. Dr. Jens Weidner. © Felix Amsel

Interview
Substanz

Susanne Müller

Setzen Sie sich durch, um Gutes zu tun, plädiert Professor Dr. Jens Weidner. Er ist Optimist, Kriminologe, Management-Berater sowie mehrfacher Buchautor und sprach mit uns über Krisen, Durchsetzungsstärke und die Peperoni-Strategie.

Sie sind Berufsoptimist. Gibt’s in Deutschland noch Substanz, auf die wir uns verlassen können, und inwiefern ist Optimismus dabei ein Mittel, das uns beim beruflich Erfolg helfen kann?

Professor Dr. Jens Weidner: Absolut! Die Wirtschaftskraft, die Power der Menschen, ihr Wille zum persönlichen und gesellschaftlichen Erfolg ist ungebrochen. Er wird nur durch den Krisenmodus, in dem wir uns seit 2020 mit Pandemie und Kriegen befinden, überschattet. Dazu kommt eine überhastete Transformation, in der man das Alte abstellt, obwohl das Neue noch nicht vorhanden ist. Das Transformationsziel ist top, das Timing ein großer Flop. Als Berufsoptimist bin ich aber überzeugt, dass wir diese Schwierigkeiten meistern werden.

Motor des Kapitalismus

All diese Herausforderungen sind mit einer optimistischen Grundhaltung besser zu bewältigen. Optimismus ist nämlich der Motor des Kapitalismus, so Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman, und er ist damit ein extrem wichtiger Rohstoff für jedes Unternehmen, wie das Handelsblatt titelte. Optimismus macht Sie zufriedener, weil er Ihnen hilft, das Leben positiv zu sehen, selbst wenn nicht immer alles optimal verläuft, denn Optimisten verschwenden kaum Gedanken an Realitäten, die sich derzeit nicht verändern lassen. Sie konzentrieren sich auf das, was machbar ist und Erfolg verspricht, auch wenn das viele kleine Schritte bedeutet. Sie werden aktiv, wenn sie eine mindestens 51-prozentige Erfolgschance haben, ihre Projekte oder Innovationen umzusetzen.

Fragen Sie sich einmal selbst: Würden Sie lieber mit einem mürrischen Realisten zusammenarbeiten oder mit einem realistischen Optimisten, der Farbe in Ihren Alltag bringt, der Chancen erkennt und alles dafür tut, sie zu realisieren? Bei gleicher Qualifikation wird der Optimist fast immer bevorzugt, denn er ist nicht nur erfolgsorientiert, sondern es macht einfach Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten, denn Hand aufs Herz: Der Arbeitsalltag ist hart genug, und die Geschäfte laufen oftmals alles andere als perfekt. Da tut optimistische Ermutigung gut, denn Optimismus ist die Verheißung, dass alles gelingen könnte, im Beruflichen ebenso wie im Privaten, und schon dafür sollten wir ihn lieben.

In den Innenstädten wird der Ton immer rauer, und Gewaltdelikte nehmen zu. Was lässt sich aus Ihrer Sicht als Kriminologe dagegen tun?

Professor Dr. Jens Weidner: Deutschland ist eines der sichersten Länder diese Welt. Gleichzeitig stimmt es, dass die Zahlen von Gewalttätigkeiten derzeit ansteigen, aber im Vergleich zur Pandemiezeit, in der niemand auf den Straßen unterwegs war, um sich zu prügeln. Die ansteigenden Zahlen sind also dem niedrigen Pandemieniveau geschuldet. Die Konflikte, die derzeit auf den Straßen in Berlin, Hamburg und NRW stattfinden, sind importiert, denn sie finden wegen des Terroranschlags der Hamas und der Reaktion der Israelis statt. Hier muss der Rechtsstaat alle Verstöße konsequent verfolgen und sanktionieren. Alle Gesetze dafür sind vorhanden. Wenn Menschen klar wird, dass sie für gewalttätige oder verbotene Demonstrationen einen persönlichen Preis zahlen müssen, reduziert das die Lust auf Randale, denn bei allem Engagement sind die meisten Menschen Kosten-Nutzen orientiert und wägen ab, ob sie mit ihrer Randale ‚all in‘ gehen, wenn sie wissen, Geldstrafe, Gefängnis oder Abschiebung droht.

Egoisten werden gefeuert

Ihr Spezialgebiet ist die Förderung der Durchsetzungsstärke und positiven Aggression bei Führungskräften. Was verstehen Sie darunter?

Professor Dr. Jens Weidner: Im Rahmen meiner LINKDIN-Online-Beratungsfirma fördere ich die Durchsetzungsstärke bei Führungskräften, die auf meinem Bestseller „Die Peperoni-Strategie. So setzen Sie Ihre natürliche Aggression konstruktiv ein“, beruht. Dabei geht es nicht Ellenbogen-Karrierismus und unfaires Verhalten. Ebenso wenig sollen Sie zum Egomanen mutieren, der nur zum eigenen Vorteil arbeitet, ohne Rücksicht auf Teams und Unternehmen. Wer nur auf Ellenbogen setzt, erzielt kurzfristig Erfolge, wird aber mittelfristig vom Hof gejagt, weil Personalabteilung, Compliance-Officers und Gleichstellungsbeauftragte im Idealfall dafür sorgen, dass diese Egoisten gefeuert werden, weil sie dem Unternehmen mehr schaden als nutzen.

Die Peperoni-Strategie verfolgt das Ziel, dass Sie sich, Ihre Ideen und Projekte durchsetzen, um Gutes zu bewirken – für sich selbst, für Ihr Unternehmen und für die Gesellschaft! Wer die Kunst der positiven Aggression beherrscht, gewinnt häufiger als andere. Ihre positive Peperoni-Power können Sie einsetzen, um Arbeitsplätze zu schaffen, um Produkte zur Nachhaltigkeit zu entwickeln, oder als Chefin von Amnesty International die Todesstrafe zu bekämpfen. Ihr Handeln kann unser Land besser und Sie erfolgreicher machen. Dass Sie dabei auf eine Vielzahl von Widerständen stoßen, die es zu überwinden gilt, ist Teil des Spiels. Gehen Sie dabei zu dynamisch vor, verbrennen Sie sich die Finger. Sind Sie zu zurückhaltend und nett, werden Sie nicht ernst genommen. Es kommt also auf die richtige Reaktion bei Konflikten an. Für diese Dosierung habe ich ein Näschen und helfe meine Kundinnen und Kunden, nicht in Fettnäpfchen und Fallen zu treten, die man für sie aufgestellt hat.

Wie das genau funktioniert - so viel Werbung erlauben Sie mir bitte  - können sie in meinem neuen Beratungs- und Praxisbuch „Peperoni-Strategie to go!“ nachlesen, das am 5. März 2024 im CAMPUS Verlag erscheinen wird. Darin wimmelt es von schwierigen Fallbeispielen, die ich zu einem Happy End führen konnte. Und das ist ja auch typisch Optimist: Ich schreibe nur von den Beratungserfolgen. Von denen kann man viel lernen, und sie machen auch einfach mehr Spaß!

Sieg auf sachlicher Ebene

Plädieren Sie für einen schärferen Umgangston im Business, und sollten sich Firmenchefs und Manager öfter mal Luft machen und ihre böse Seite herauskehren?

Professor Dr. Jens Weidner: Nein, sich spontan Luft zu verschaffen, ist unprofessionell. Aber jemanden im Wettbewerb um ein höheres Budget oder um ein neues Projekt im Immobilienbereich oder im Handel zu besiegen, das ist eine feine Sache.  Das hat nichts mit der ‚bösen Seite‘ zu tun, sondern mit dem sportlichen Ehrgeiz, gewinnen zu wollen. Dabei muss ich mein Gegenüber nicht komplett platt machen, aber so weit schwächen, dass ich zukünftig erst einmal Ruhe vor dieser Nervensäge habe, die in mein Business reingrätschen wollte. Finden Sie das böse? Ich finde, das hat etwas Beruhigendes.

Zu meinen Gesprächspartnerinnen und -partnern, mit denen ich mich über diese Wettbewerbsthemen austausche,  zählen Vorstandsmitglieder, Verbandsgeschäftsführer, Klinikdirektorinnen, IT-Unternehmer, Juristinnen aus Ministerien, Manager aus fast allen Branchen und Nachwuchsführungskräfte, denen die Alten im Unternehmen mit ihrer Selbstgefälligkeit auf den Sack gehen und die das nicht länger ertragen wollen. So wie die liberale Nachwuchspolitikerin, die von konservativen alten Hasen ausgebremst wurde. Die fragte ich: „Warum soll ich Sie überhaupt beraten?“ „Ist doch klar“, antwortete sie trocken, „weil Sie die alten Säcke kennen und wissen, wie man mit denen umgehen muss. Sie sind ja selber einer.“  Kann man so viel weiblichem Charme widerstehen?

So manch jüngere Führungskraft ist überrascht, dass nicht alle die warmherzigen und empathischen Spielregeln der New Work befolgen, sondern sie austricksen, gegen Wände laufen oder gegen die gläserne Decke stoßen lassen. Viele meiner Gesprächspartnerinnen und -partner haben einen Tick zu lange gewartet, bis sie anfingen, Konflikte und die sich daraus ergebenden beruflichen Sorgen ausreichend ernst zu nehmen und gründlich zu durchdenken. Sie hatten die trügerische Hoffnung, dass sich das Elend von alleine wieder in Wohlgefallen auflösen würde. Diese Konfliktscheu und dieses Harmoniebedürfnis sind menschlich, aber im Business oft suboptimal bis kontraproduktiv. Manchmal killen sie sogar Karrieren!

Die Flöhe husten hören

Führungskräfte wissen: Wenn sie nicht so früh wie möglich agieren, werden sie womöglich in eine Abwärtsspirale gesogen, aus der sie nur schwer wieder herausfinden. Sie nehmen daher kleine Fehlentwicklungen und Missstimmungen übertrieben ernst, um präventiv-strategisch handeln zu können. Sie hören die Flöhe husten, selbst wenn objektiv wenig passiert ist. Das ist ein empfehlenswertes seismografisches Verhalten, zu dem ich Sie ermutigen möchte! Sie warten nicht, bis sich ihr ungutes Gefühl zu einem Tsunami aufgetürmt hat, sondern ersticken das Problem im Keim, und das so erfolgreich, dass tatsächlich nichts passiert und die Kollegen irritiert anmerken: „Keine Ahnung, warum du diesen Aufwand betrieben hast – ist doch gar nichts passiert!“ Die Antwort lautet: „Ja, es ist nichts passiert, weil ich den Aufwand betrieben habe!“

Das nenne ich Prävention. I love it!

Susanne Müller