Sieben goldene Regeln

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Stephan Jung
„Im Jahr 2030 wird der Einzelhandel entweder ein erlebnisgetriebener Innovations-Hub sein – oder er wird nicht mehr existieren.“ Klare Worte von Stephan Jung, CEO der InoventiQ Asset Management GmbH und Vordenker von Zukunftstrends. Und der Innovationsexperte wird noch deutlicher: „Wer glaubt, es gehe einfach so weiter wie bisher, unterschätzt die Wucht der Veränderung. Stillstand ist keine Option. Wer sich nicht bewegt, wird überholt und verschwindet.“
Um der Retail-Branche auf die Sprünge zu helfen, hat Stephan Jung sieben goldene KI-Regeln aufgestellt, die über Erfolg oder Bedeutungslosigkeit entscheiden. Laut einer aktuellen Studie investieren bereits 92 Prozent der deutschen Unternehmen in den Einsatz von KI, 15 Prozent haben eine klare Strategie, doch nur ein Prozent sind KI-ready”, ordnet der Innovationsexperte ein. „Die Bereitschaft, in KI zu investieren, ist groß – doch die meisten Akteure sind verwirrt.“ An diesem Punkt bringt Stephan Jung Licht ins Dunkel.
Regel Eins: Community first
„Menschen sehnen sich nach Orientierung und Zugehörigkeit“, sagt er. „Läden, die weiterhin anonyme Verkaufsflächen bleiben, werden an Relevanz verlieren. Die Zukunft gehört Retail-Communities, in denen Kunden nicht nur einkaufen, sondern sich als Teil einer Marke fühlen. Die US-Marketing-Experten wissen längst: People want to belong! Wer keine Community hat, wird zum bloßen Lieferanten degradiert und kämpft im erbitterten Wettbewerb über den Preis – ein Kampf, den die meisten verlieren werden, denn irgendjemand kann immer noch billiger.“ Die Gefahr für Händler, die ihre Kunden nicht emotional binden, bestehe in einer Verdrängung durch hyper-personalisierte Online-Angebote.
Regel Zwei: Produkte reichen nicht
„Produkte gibt es überall – Erlebnisse nicht“, führt Stephan Jung aus. „Einzelhändler, die noch immer auf starre Regale und klassische Verkaufsflächen setzen, haben keine Zukunft. Wie ein unaufhaltsamer Wandel verlagert sich das Verlangen der Menschen: weg vom glitzernden Schein, hin zur tiefen Bedeutung. Das Funkeln von Bling-Bling verblasst, während der Ruf nach Sinn immer lauter wird. Die Illusion zerbröckelt, und an ihrer Stelle wächst das Bedürfnis nach echter Identifikation. Es geht nicht mehr darum, noch mehr zu besitzen – es geht darum, Einzigartiges zu erleben.“ Diese Entwicklung begründet er psychologisch: „Die Menschen ringen nicht mehr um äußeren Glanz, sondern um inneres Leuchten. Mit Entschlossenheit und beachtlichen Investitionen schmieden sie ihr eigenes Ich – polieren es, schützen es, nähren es. Denn wenn draußen das Chaos tobt, wird das Innere zur letzten Bastion.“ Seine Folgerung: „Kunden wollen daher Multi-Sensorik, Interaktion und Faszination. Wer den stationären Handel nicht in eine Erlebniswelt verwandelt, wird von innovativen Wettbewerbern überholt – und bleibt auf der Strecke.“
Regel Drei: KI-Berater oder Servicewüste
„Der perfekte Verkäufer kennt dich – und ist immer verfügbar. KI-gesteuerte Avatare und Roboter bieten personalisierte Beratung auf Top-Niveau – 24/7, ohne Pausen, ohne schlechte Laune. Unternehmen, die weiter auf unterbesetzte und ungeschulte Verkaufsteams setzen, werden Kunden verlieren. Wer glaubt, ein Mensch allein könne den modernen Kunden noch überzeugen, unterschätzt den digitalen Fortschritt – und wird von smarteren Lösungen abgehängt“, warnt Jung.
Regel Vier: Stores ohne Kasse
„Bestellen und bezahlen? Passiert in Zukunft automatisch“, ist der Experte sicher. „Just-walk -out-Technologie wird der Standard. Kunden wollen keine Schlangen, keine Verzögerungen, keine Kassierer. Händler, die an klassischen Kassen festhalten, bauen unnötige Barrieren für ihre Kunden.“ Er untermauert die These aus der Praxis: „Die Bestellautomaten bei McDonald‘s & Co. haben eine Akzeptanz von über 80 Prozent, das belegt die Beliebtheit beim Kunden, und es gibt einen profitablen Nebeneffekt: Der durchschnittliche Bon ist Studien zufolge 20 bis 30 Prozent höher als bei der Bestellung am Counter. Kassenpflichtige Stores könnten als veraltet wahrgenommen werden und damit an Attraktivität verlieren.“
Regel Fünf: Hyper-Personalisierung
„Jede Marke kennt dich – und überrascht dich, so lautet das Optimum. Daten sind die Währung des 21. Jahrhunderts. Händler, die Kunden nicht individuell ansprechen, sondern Einheitsangebote machen, werden ignoriert. Menschen erwarten, dass ihre Wünsche vorhergesehen werden. Personalisierte Vorschläge basieren auf der Analyse des Kundenverhaltens, einschließlich Suchhistorie, Kaufverhalten und Produktbewertungen, um Produkte zu empfehlen, die den individuellen Vorlieben und Interessen der Kunden entsprechen.“ Amazon erziele einen erheblichen Anteil seines Umsatzes durch personalisierte Produktempfehlungen, sagt Stephan Jung. Schätzungen zufolge stammen bis zu 35 Prozent des Gesamtumsatzes von Amazon aus solchen Empfehlungen. „Das Modelabel ‚Dress the Population‘ konnte innerhalb von 72 Stunden nach Implementierung personalisierter Empfehlungen einen 350 Prozent höheren Umsatz pro Besuch verzeichnen“, macht er Lust auf Investitionen. „Diese Zahlen verdeutlichen, wie maßgeschneiderte Produktempfehlungen das Einkaufserlebnis verbessern und gleichzeitig den Umsatz steigern können. Das Problem ist, dass Händler zwar ausreichend Kundendaten haben, diese aber in veralteten Systemen feststecken, von wo aus sie nicht gut ausgelesen werden können. Wer seinen Kunden keine personalisierten Erlebnisse bietet, wird von datengetriebenen Wettbewerbern abgehängt.“
Regel Sechs: Lager und Logistik der Zukunft
„Kein Produkt fehlt – kein Produkt bleibt liegen. Mit Prognosemodellen optimiert KI Lagerbestände, erkennt Nachfragetrends und verhindert Engpässe oder Überschuss. Autonome Lieferroboter und Drohnen bringen Bestellungen in Minuten nach Hause. Mit der KI-Lösung OptiCarton konnte DHL Supply Chain die Versandkosten für Geschäftskunden durchschnittlich um 15 Prozent senken, in einigen Fällen sogar bis zu 35 Prozent“, weiß der Experte. „Durch das KI-Tool IDEA wurde die Produktivität an bestimmten DHL-Standorten um 30 Prozent erhöht, während die zurückgelegten Wegstrecken der Lagerarbeiter um 50 Prozent reduziert wurden. Der Einsatz des Routing-Algorithmus RAPTOR führte zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen um acht Prozent und einer Einsparung von 92 Prozent der Planungszeit. Unternehmen die weiterhin auf starre, ineffiziente Lieferketten setzen, werden mit leeren Regalen oder vollen Lagern kämpfen – während die Konkurrenz schneller und effizienter liefert.“
Regel Sieben: Personalplanung via KI
„Mitarbeiter sind dort, wo sie wirklich gebraucht werden. Durch KI-gestützte Bedarfsvorhersagen sind Teams optimal besetzt. Spitzenzeiten, Kundenfrequenz und Wetterdaten fließen in die Personalplanung ein – Überlastung und Leerlauf gehören der Vergangenheit an“, so Jung. Und er hat Beispiele parat. Amazon und Walmart nutzen KI-gestützte Systeme, um Schichtpläne auf Basis von Nachfrageprognosen und Mitarbeiterverfügbarkeiten zu optimieren. Das reduziert Überstunden und minimiert Personalmangel. Unilever nutzt KI-gestützte Video-Interviews, die Gesichtsausdrücke und Sprachmuster analysieren, um Soft Skills besser zu bewerten. IBM setzt KI-Modelle ein, um vorherzusagen, welche Mitarbeiter kündigen könnten. Das ermöglicht gezielte Gegenmaßnahmen wie Weiterbildungsangebote oder Gehaltsanpassungen. DH nutzt KI zur Automatisierung von Onboarding-Prozessen, wodurch sich die Zeit für neue Mitarbeiter reduziert, um voll produktiv zu sein. Zalando weiß saisonale Schwankungen mittels KI zu erkennen und rechtzeitig Personal aufzustocken oder zu reduzieren. McDonald's setzt KI in Kombination mit Wetterdaten ein, um Personalbedarf in Echtzeit anzupassen. „Händler, die ihre Teams nicht mit smarter Personalplanung unterstützen, riskieren schlechte Servicequalität und unzufriedene Mitarbeiter“, stellt er klar.
Intelligent, persönlich, grenzenlos
Die Zukunft des Handels sei intelligent, persönlich und grenzenlos, fasst Stephan Jung zusammen. „Die KI-gestützte Handelswelt verbindet Menschen, optimiert Prozesse und verwandelt Shopping in ein immersives Erlebnis. Der Einzelhandel der Zukunft wird nicht von Produkten, sondern von Emotionen, Technologie und Community geprägt. Wer diese Regeln meistert, wird nicht nur verkaufen – sondern begeistern.“ Vermutlich sei die letzte Generation CEOs aktiv, die noch mit echten Menschen arbeite. „Auf dem Vormarsch sind KI-Agenten, junge Robotics und technische Mitarbeiter. Solche Megatrends zu verschlafen, kann Handelsunternehmen die Existenz kosten. Investitionen in KI zahlen sich aus – allein schon durch Effizienzsteigerung.“
Stephan Jung