Springt die Wirtschaft wieder an, gibt es zu wenige Flächen

Heiko Fischer
Heiko Fischer

Interview
Strategie

Susanne Osadnik

Heiko Fischer, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Hamburger Niederlassungsleiter, über das Leben mit Corona, die Notwendigkeit des Miteinanders und die Zukunft des Hamburger Büromarktes

Herr Fischer, arbeiten Sie zurzeit von zu Hause aus?
Heiko Fischer: Nein, ich arbeite immer im Büro – zumindest seit dem Ende des Lockdowns im Frühsommer. Ein großer Teil meines Jobs ist es, als Ansprechpartner für knapp 70 Mitarbeiter da zu sein. Daher ist es für mich als Niederlassungsleiter meiner Meinung nach wichtig, im Büro präsent zu sein. Wir haben im Frühjahr gemerkt, wie sehr der Austausch uns allen fehlte. Da wir aber schnell reagiert und die Büroräume umstrukturiert haben, war es in den vergangenen Monaten kein Problem, auch wieder mit dem kompletten Team von hier aus zu arbeiten. Wir haben etwas andere Arbeitsplätze geschaffen, Stellwände installiert und die Arbeitsplätze so angeordnet, dass sich niemand mehr gegenübersitzt.

Wie wird in Ihrem eigenen Haus grundsätzlich mit dem Thema Homeoffice umgegangen?
Wir haben direkt zu Beginn der Pandemie alle Mitarbeiter in zwei Gruppen eingeteilt und wöchentlich gewechselt. Leider haben wir schnell gemerkt, dass dies nicht der ideale Rhythmus für unser Team ist. Viele unserer Mitarbeiter sind jung, die meisten in den 30ern, und wohnen in kleineren Wohnungen, die kaum ausreichend Platz für einen angemessenen Arbeitsplatz im Homeoffice bieten. Außerdem fehlte uns allen der Austausch miteinander, die geplanten oder auch mal spontanen Zusammentreffen. Seit Kurzem arbeiten wir zwar wieder in zwei Gruppen, aber nicht mehr im wöchentlichen, sondern im täglichen Wechsel. So lässt sich das Arbeiten im Homeoffice etwas besser ertragen.

Was denken Sie, haben Arbeitgeber grundsätzlich in den vergangenen Monaten gelernt?
Auf jeden Fall haben Arbeitgeber erlebt, dass es sehr wohl möglich ist, von zu Hause aus seine Arbeit zu erledigen – auch ohne ständige Anwesenheit im Büro. Da hat sich sehr viel mehr Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern entwickelt. Personen, die einer Risikogruppe angehören, haben selbstverständlich momentan die Wahl, ob sie im Büro oder lieber von zu Hause aus arbeiten möchten. Die Gesundheit ist das Wichtigste und jeder soll sich für den persönlich sichersten Arbeitsplatz entscheiden. Außerdem haben wir alle gelernt, wie man sein Equipment technisch aufrüstet und wie man Videokonferenzen organisiert, auch wenn diese den persönlichen Austausch nicht ersetzen können.

Wird diese Entwicklung Ihre Standortplanung in Hamburg beeinflussen?
Wir müssen eigentlich nicht mehr viel ändern oder umstrukturieren, weil wir unsere Niederlassung schon sehr auf zukünftige Arbeitsmaximen ausgerichtet haben. Wir arbeiten in einem Open-Space-Büro und haben neben den klassischen Meeting-Räumen auch kleinere Thinktanks, in denen man absolute Ruhe für hochkonzentriertes Arbeiten hat.  Auf unserer Dachterrasse kann man im Sommer ebenfalls gemeinsam arbeiten und Zeit miteinander verbringen. Das war im Übrigen auch ein Lernprozess von Seiten der Mitarbeiter, die sich anfangs nicht so recht trauten, sich in die Sonne zu setzen und sich dort zu besprechen. Das fühlte sich für sie nach Freizeit an.

Wir haben auch einen Fahrradkeller, Duschen und falls jemand eine Yoga-Gruppe gründen möchte, richten wir auch dafür einen Raum ein. Wir haben vieles schon so gestaltet, dass man sich wohl fühlt und nicht das Gefühl hat, man müsste so schnell wie möglich nach Hause, sobald die offizielle Arbeitszeit beendet ist, weil es so wenig einladend ist.

Schon länger wird die »Anpassung« der Büroräume an die Bedürfnisse modernen Lebens und Arbeitens gefordert. Corona soll diesen Prozess beschleunigen. Was muss man tun, um seine Mieter zu halten?
Die Neubauprojekte berücksichtigen schon heutzutage die meisten Kriterien, die dafür notwendig sind. Da gibt es entsprechenden Schallschutz, Be- und Entlüftungssysteme, Kühl- und Heizsysteme – alles auf dem technisch neuesten Stand. Und auch die Aufteilung und Gestaltung der Büro- und Aufenthaltsräume sind schon auf die Kombination aus separatem und gemeinsamem Arbeiten ausgerichtet. Da geht es vielleicht nur noch um ein Update bei Belüftungsanlagen. Sehr viel schwieriger ist es hingegen bei Bestandsimmobilien, die in die Jahre gekommen sind und schon lange vor der Corona-Pandemie nicht mehr aktuellen Standards entsprachen. Ältere Umluftkühlgeräte funktionieren nach dem Prinzip, verbrauchte Luft anzusaugen und dann wieder gekühlt auszustoßen – ohne Filter, die die Luft zuvor reinigen. Das ist natürlich zukünftig gar nicht denkbar. Aber in vielen Fällen ist eine Nachrüstung gar nicht mehr möglich. Für diese Immobilien Nachmieter zu finden, wird künftig schwieriger sein.

Welche Rolle spielt die geringe Leerstandsquote von aktuell 3,9 Prozent in Hamburg dabei?
Aus Mietersicht heißt es zurzeit grundsätzlich eher: Wir bleiben, wo wir sind. Das Interesse ist zwar da, aber viele Unternehmen haben sich entschieden, abzuwarten und ihre Expansions- und Umzugspläne zu verschieben.  Niemand kann zurzeit wirklich planen. Aber sicher ist: Sobald der Impfstoff verfügbar ist und die Menschen sich wieder sicher fühlen, werden wir ein Anziehen des Marktgeschehens sehen.

Springt die Wirtschaft wieder an, werden zu wenige Flächen zur Verfügung stehen – dies ist vielleicht dann doch eine Chance für ältere Bestandsimmobilien mit guten Konzepten.

Zurzeit stehen nur noch 550.000 Quadratmeter Bürofläche zur Verfügung. Im Bereich moderner Flächen sind es nur noch knapp  100.000 Quadratmeter. Wird in Hamburg langfristig mehr oder weniger Büroraum benötigt?
Wir gehen nicht davon aus, dass der Flächenbedarf langfristig signifikant sinken wird. Selbst wenn Homeoffice Teil des künftigen Arbeitslebens werden sollte, bleibt der Wunsch der Mitarbeiter, eine feste Anlaufstelle zu haben – wenn auch nicht unbedingt mehr einen festen Arbeitsplatz. Das spart vielleicht ein bisschen Platz. Andererseits bleibt auch diese Erfahrung aus Corona-Zeiten: Man braucht ausreichend Fläche, um Schreibtische mit Abstand anzuordnen und insgesamt mehr Raum zu schaffen. Auch für Sonderzonen innerhalb der Büros, die wohnlich gestaltet werden sollten, braucht man Freiflächen. Ich stelle vielleicht nicht mehr 500 Schreibtische auf, sondern nur noch 350. Dafür aber nutze ich den restlichen Raum für Lounges, größere Küchen oder sogar Ruhezonen, in denen man mal kurz abschalten kann.

Wird es künftig notwendig sein, seine Kunden auch in Bezug auf Gestaltung von Flächen zu beraten?
Das tun wir bereits. Vor allem in der aktuellen Situation haben sich Kunden an uns gewandt, weil sie nicht genau wussten, wie sie die Büroräume am besten corona-konform umgestalten sollten. Dafür haben wir unser Project Solutions-Team, eigene Architekten, die sich um solche Fragen kümmern.

Wie schätzen Sie die Marktentwicklung für das kommende Jahr ein?
Wir können für das laufende Jahr sagen, dass die Ergebnisse weit unter dem 10-Jahres-Durch­schnitt lagen. In den ersten drei Quartalen verzeichnete Hamburg nur einen Flächenumsatz von 231.000 Quadratmetern, was einem Rückgang von 44 Prozent des Vorjahreszeitraums entspricht. Das vierte Quartal wird an diesem Ergebnis nicht mehr viel ändern. Auf der Angebotsseite ist mit einer leichten Zunahme des Leerstands zu rechnen, wozu vereinzelt auch auf den Markt kommende Untermietflächen beitragen. Und Prognosen für das kommende Jahr sind schlichtweg nicht zu treffen, weil alles davon abhängt, wann der Impfstoff zur Verfügung steht und wie schnell die Bevölkerung geimpft werden kann.

Sobald es so etwas wie »Normalität« gibt, werden auch die Unternehmen wieder mit ihren Planungen weitermachen und ich vermute, es werden viele den Wunsch nach moderneren Büroformen haben.

Das Interview führte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion GCG